BGH Beschluss v. - 2 StR 31/17

Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht: Voraussetzung der Gefährdung des Zwecks der Maßregel

Gesetze: § 145a StGB

Instanzenzug: LG Stralsund Az: 22 KLs 8/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung sowie wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen (Einzelstrafen von zwei Jahren und zehn Monaten sowie zweimal drei Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit den zum Schuld- und Strafausspruch ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2I. Aus prozessökonomischen Gründen stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in zwei Fällen verurteilt ist. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch insoweit nicht. Erforderlich wären zumindest ergänzende Feststellungen des Tatgerichts zur Gefährdung des Maßregelzwecks. Von einer solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich durch den Verstoß bzw. durch die Verstöße gegen die Weisung die Gefahr weiterer Straftaten erhöht hat (vgl. , BGHSt 58, 72, 75; Beschluss vom - 1 StR 243/08, NStZ-RR 2008, 277, 278). Erforderlich ist, dass sich die Gefahr durch den Weisungsverstoß vergrößert oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (BeckOK StGB/Heuchemer, 35. Ed. , § 145a StGB Rn. 7). Es erschließt sich indes nicht, inwieweit der zweimalige Verstoß des Angeklagten gegen die Weisung, sich alle zwei Tage auf dem Polizeirevier zu melden, um sich dort einem Alkoholtest zu unterziehen, eine derartige Wahrscheinlichkeit begründet haben könnte.

3Die Verfahrenseinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs sowie den Wegfall der für die Taten festgesetzten Einzelstrafen von zweimal drei Monaten zur Folge. Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

4II. 1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

52. Hinsichtlich des verbleibenden Umfangs hat die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

63. Die grundsätzlich rechtsfehlerfrei bemessene (Einzel-) Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung bedarf auf Antrag des Generalbundesanwalts allerdings insoweit der Abänderung, als es die Strafkammer unterlassen hat, im Hinblick auf die weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Stralsund vom einen Härteausgleich vorzunehmen.

7a) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am durch das Amtsgericht Stralsund wegen Diebstahls und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Strafvollstreckung war am und damit vor Erlass des angegriffenen Erkenntnisses erledigt.

8b) Der Nachteil, der darin liegt, dass eine an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung (Tatzeit im vorliegenden Verfahren 19. bis ) nicht mehr in Betracht kommt, weil die frühere Strafe bereits vollstreckt oder anderweitig erledigt ist, ist bei der Bemessung der neu zu erkennenden Strafe auszugleichen (st. Rspr. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 441/10, NJW 2011, 868, 869; vom - 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 312; Urteil vom - 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131). Dabei ist der Härteausgleich grundsätzlich nicht bei der Festsetzung der Einzelstrafen, sondern bei der Bemessung der Gesamtstrafe einzustellen (Senat, Beschluss vom - 2 StR 31/16, juris Rn. 4 mwN). Beschränkt sich - wie hier - der Gegenstand des neuen Verfahrens auf nur eine Tat, ist die dafür verhängte Einzelstrafe zu mildern (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 55 Rn. 22a; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 55 Rn. 30).

9c) Um jede mögliche Beschwer des Angeklagten auszuschließen, hat der Senat die zutreffend bemessene und angemessene Einzelstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten um fünf Monate auf zwei Jahre und fünf Monate ermäßigt (§ 354 Abs. 1a Satz 2 StPO).

104. Die Überprüfung des Maßregelausspruchs lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

11a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Hinweis auf dessen fehlende Therapiebereitschaft sowie die fehlende Aussicht, dessen Therapiebereitschaft zu wecken, zutreffend abgelehnt.

12b) Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB ist rechtsfehlerfrei dargelegt. Die Reduzierung der für die Anlasstat verhängten Freiheitsstrafe aufgrund des vorzunehmenden Härteausgleichs berührt weder die Annahme der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB noch hat sie Auswirkung auf den von der auch insoweit sachverständig beratenen Strafkammer zutreffend festgestellten Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten sowie dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit.

13III. Da die gegen die Verurteilung insgesamt gerichtete Revision nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbleibenden Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:091017B2STR31.17.0

Fundstelle(n):
TAAAG-61619