BFH Beschluss v. - X B 132/00

Gründe

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG hat den Beweisantrag des Klägers verfahrensfehlerhaft abgelehnt.

1. Nach § 96 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag durfte vom FG weder aus formellen noch aus materiell-rechtlichen Gründen außer Acht gelassen werden.

2. Bei der Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist das Gericht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Die Tatsacheninstanz muss den Sachverhalt erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel so vollständig wie möglich aufklären. Ein Beweisantrag darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht. Auf die Erhebung eines von einem Beteiligten bezeichneten Beweismittels darf im Regelfall nur verzichtet werden, wenn das vom Antragsteller angebotene Beweismittel schlechthin untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird (vgl. , BFH/NV 1995, 717, m.w.N.). Einem unsubstantiierten Beweisantrag, der nicht ausreicht, um die für einen Beweisbeschluss erforderliche Beweisfrage zu formulieren, muss das Gericht nicht nachgehen (, BFH/NV 2000, 718; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 76 Anm. 25, m.w.N.).

3. Dies vorausgesetzt war die Ablehnung des Beweisantrags verfahrensfehlerhaft. Der Kläger hat das Übergehen seines Beweisantrags ordnungsgemäß gerügt. Er hat sich auf seinen im Schriftsatz vom gestellten Beweisantrag bezogen, der in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls —wenn auch hinsichtlich der zu befragenden Personen verkürzt— wiederholt worden ist. Er hat auch dargelegt, zu welchem Ergebnis die beantragte Zeugenvernehmung geführt hätte.

4. Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung ist auch begründet. Das FG hätte die beantragte Beweiserhebung nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, der Kläger habe weder ein Beweisthema noch einen bestimmten Zeugen benannt.

a) Der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellte Beweisantrag (”Vernehmung der Fa. X als Zeugen”) war lediglich eine Kurzfassung des schriftsätzlichen Antrags. Es musste für alle Beteiligten offensichtlich sein,

  • welche Tatsachen in das Wissen des oder der Zeugen gestellt wurde und

  • dass nicht die GmbH als juristische Person vernommen werden sollte, sondern natürliche Personen als Wissensträger.

b) Der im vorbereitenden Schriftsatz vom gestellte Antrag entspricht diesen Anforderungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag bei der Auslegung des Protokolls notwendigerweise heranzuziehen war. Jedenfalls hätte das FG, sofern es den protokollierten Beweisantrag für unklar und lückenhaft oder aus anderen Gründen als dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügend ansah, auf eine —dem Kläger ohne weiteres mögliche— Vervollständigung oder Präzisierung hinwirken müssen (vgl. —zu § 244 der Strafprozeßordnung— Herdegen in Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 4. Aufl. 1999 Rdnr. 47). Die Pflicht des Vorsitzenden, auf die Beseitigung von Formmängeln, die Stellung sachdienlicher Anträge und die Erläuterung unklarer Anträge hinzuwirken, ergibt sich ausdrücklich aus § 76 Abs. 2 FGO. Der Kläger konnte aufgrund vertretbarer Annahme davon ausgehen, dass der protokollierte Text sein prozessuales Begehren einer Beweiserhebung ausreichend verdeutlicht. Dies war für das FG auch erkennbar. Sofern es die inhaltlichen Anforderungen an einen protokollierten Beweisantrag anders beurteilen wollte, war es aufgrund seiner Hinweis- und Fürsorgepflicht gehalten, den Kläger hierauf hinzuweisen.

c) Ein auf die Erhebung des Zeugenbeweises gerichteter Beweisantrag muss die zu vernehmenden Zeugen individualisieren. Der Umstand, dass ein Zeuge nicht mit seinem Namen benannt werden kann, führt nicht ohne weiteres dazu, dass der Antrag unbestimmt und damit unzulässig ist (vgl. , Neue Zeitschrift für Strafrecht —NStZ— 1999, 152). Es genügt der Vortrag der eine Unterscheidbarkeit sicherstellenden eingrenzenden Tatsachen, die es dem Gericht ermöglichen, das Beweismittel zu identifizieren und zu ermitteln. Z.B. hat es die Rechtsprechung ausreichen lassen, dass Zeugen durch Angabe der Firmen, bei denen sie beschäftigt sind/waren, bezeichnet werden (, NStZ 1995, 246), sofern der Antragsteller nicht in der Lage ist, den Zeugen als Beweismittel mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu ermitteln (, NStZ 1981, 309; vom 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, jeweils mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung; Herdegen, a.a.O., § 244 Rdnr. 48; Julius in Heidelberger Kommentar zur Strafprozeßordnung, § 244 Rdnr. 30; zur Anwendung des § 356 der Zivilprozeßordnung bei Benennung eines Zeugen ohne ladungsfähige Anschrift, , Neue Juristische Wochenschrift 2000, 945).

d) Dies hat das FG verkannt. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, ”den Sachbearbeiter” der Fa. X oder —ggf. nach diesbezüglichem Hinweis an die Beteiligten— die Namen und ladungsfähige Anschriften des oder der Geschäftsführer dieser Firma zu ermitteln.

4. Die Sache wird wegen dieses Verfahrensmangels an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO). Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG nach Maßgabe des § 96 FGO weitere Feststellungen zu treffen haben.

Fundstelle(n):
NAAAA-67799