BGH Beschluss v. - 4 StR 234/17

Strafzumessung: Strafschärfende Berücksichtigung einer mangelnden Therapiebereitschaft

Gesetze: § 46 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 1 KLs 25/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgelehnt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Das Landgericht hat festgestellt, dass der vielfach und auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte, der sich zur Tatzeit wegen seiner langjährigen, mehrfach erfolglos behandelten Drogenabhängigkeit in einem Substitutionsprogramm befand und jegliche weitere Suchttherapie ablehnt, in einem Kaufhaus zwei Dosen Haargel im Gesamtwert von etwa zehn Euro entwendete, um diese für sich zu behalten. Kurz nach Verlassen des Kaufhauses wurde er durch einen Ladendetektiv gestellt.

3Im Rahmen der Strafzumessung wird u.a. ausgeführt, die Strafkammer sei sich angesichts der begangenen Straftat der Härte der verhängten Freiheitsstrafe bewusst. Da der Angeklagte aber jegliche Form der Therapie ablehne, es insoweit also an jeglicher Erfolgsaussicht fehle, sei er von der Begehung weiterer Straftaten nicht anders abzuhalten.

42. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht die Schuldangemessenheit der verhängten Freiheitsstrafe aus dem Blick verloren hat.

5a) Grundlagen der Strafzumessung sind gem. § 46 StGB der Grad der persönlichen Schuld des Täters sowie die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung. Unter Berücksichtigung und gegenseitiger Abwägung dieser Gesichtspunkte hat der Tatrichter innerhalb des ihm eingeräumten Spielraums die schuldangemessene Strafe zu finden, wobei er auch anderen Strafzwecken, etwa der Generalprävention und der Sicherung, Raum geben kann (st. Rspr.; vgl. nur , BGHSt 20, 264, 266 f., und vom - 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f.). Deshalb kann auch die Therapiebereitschaft des Täters für den Strafausspruch von Bedeutung sein. Eine etwa vorhandene Therapiebereitschaft kann strafmildernde Wirkung haben (, StraFo 2003, 246). Umgekehrt darf bei fehlender Therapiebereitschaft oder Therapierbarkeit dem Sicherungsgedanken aber nicht eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass die notwendige Schuldangemessenheit der Strafe aus dem Blick gerät ( aaO).

6b) Das Landgericht durfte daher bei der Bemessung der zu verhängenden Strafe nicht - wie geschehen - unter Hintanstellung des Gesichtspunkts der Schuldangemessenheit das entscheidende Gewicht dem Gedanken der Sicherung der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Angeklagten beilegen. Es kommt hinzu, dass die strafschärfende Wirkung des Sicherungsgedankens hier auch für sich genommen Bedenken begegnet, weil die Weigerung des Angeklagten, sich therapeutischer Hilfe zu bedienen, nicht ausschließbar gerade durch seine Grunderkrankung bedingt ist. Es ist deshalb zu besorgen, dass sich durch die Erwägung des Landgerichts die Drogenabhängigkeit des Angeklagten als Strafzumessungsgrund zu seinem Nachteil ausgewirkt hat. Dies wäre rechtsfehlerhaft (, StV 1981, 401, Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 42). Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die - angesichts der abgeurteilten Straftat erhebliche - Höhe der Strafe von diesen Erwägungen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.

7Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies umfasst auch die Prüfung einer möglichen erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB).

83. Die Entscheidung über die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) weist auf der Grundlage der Feststellungen keinen Rechtsfehler auf. Sie bleibt daher von der Aufhebung ausgenommen; eine erneute Entscheidung nach Zurückverweisung ist insoweit nicht mehr zu treffen (vgl. , NStZ-RR 2017, 187 mwN).

94. Die Sache war gem. § 354 Abs. 3 StPO an den Strafrichter zurückzuverweisen, da dessen Strafgewalt ausreicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:200617B4STR234.17.0

Fundstelle(n):
JAAAG-59597