BFH Beschluss v. - VIII R 9/01

Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie erzielte im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch die Verpachtung eines bebauten Grundstücks an die F-GmbH gewerbliche Einkünfte. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages war die F-GmbH zur ausschließlichen Nutzung des gesamten Gebäudes berechtigt. Das der F-GmbH verpachtete Grundstück steht im Eigentum der Kommanditistin der Klägerin, die es dieser zur Nutzung überlassen hatte.

Das Gebäude, das sich auf dem verpachteten Grundstück befand, enthielt im Obergeschoss eine Wohnung, die von der Kommanditistin…als Privatwohnung benutzt wurde. Der Grund und Boden und alle Gebäudeteile waren als Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin bilanziert.

Die Kommanditistin war bei der F-GmbH als Prokuristin angestellt. Nach ihrem Anstellungsvertrag stand ihr das unentgeltliche Wohnrecht an der Obergeschosswohnung zu.

In der Bilanz zum wies die Klägerin die Entnahme der Wohnung (anteiliger Grund und Boden: ... DM; Anteil am Gebäude: ... DM) aus. Sie nahm an, es habe sich um eine selbstgenutzte Wohnung i.S. des § 21 Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (i.d.F. bis einschließlich 1998 —EStG 1987—) gehandelt, die mit Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab dem nicht mehr zum gewillkürten Betriebsvermögen gehört habe bzw. die nach § 52 Abs. 15 Satz 11 i.V.m. Sätze 6 bis 10 EStG 1987 steuerfrei habe entnommen werden können. Da für das Jahr 1986 rechtskräftige Bescheide vorlägen, müsse die fehlerhafte Bilanzierung in der Bilanz zum steuerneutral berichtigt werden.

Die Kommanditistin veräußerte das Grundstück im Jahre 1989. Die Klägerin ermittelte ohne Einbeziehung der Wohnung einen Veräußerungsgewinn der Kommanditistin von ... DM, den sie einer Rücklage nach § 6b EStG zuführte.

Bei einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Rechtsansicht, die für das Jahr 1988 als steuerfrei erklärte Entnahme der Wohnung sei nicht zulässig gewesen, so dass die Wohnung bei ihrer Veräußerung noch zum Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin gehört habe. Es habe sich nicht um eine selbstgenutzte Wohnung der Kommanditistin i.S. des § 52 Abs. 15 und 21 EStG 1987 gehandelt; Grundstücke oder Grundstücksteile, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die Betriebs-GmbH verpachtet worden seien und durch diese als Arbeitnehmer-Wohnungen genutzt würden, stellten notwendiges Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin dar. Er erhöhte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks um den —in seiner Höhe zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen— Betrag von ... DM und erhöhte die von der Klägerin gebildete Rücklage nach § 6b EStG entsprechend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) schloss sich dieser Auffassung an und erließ entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide.

Das FA wies den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Es entschied, es sei weder eine steuerfreie Entnahme noch eine steuerneutrale Ausbuchung der Wohnung zulässig gewesen. Das ursprüngliche Eigentumsrecht der Kommanditistin sei von der schuldrechtlichen Rechtsbeziehung —dem Wohnrecht im Rahmen des Anstellungsvertrages mit der GmbH (Betriebsgesellschaft)— überlagert worden.

Das Finanzgericht (FG) wies die —auch noch wegen anderer und im Revisionsverfahren nicht mehr streitiger Punkte erhobene— Klage ab. Über die von der Klägerin rechtzeitig eingelegte und begründete Revision hat der Senat noch nicht entschieden.

1. Die Kommanditistin…ist zum Verfahren notwendig beizuladen. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat eine Beiladung dann zu erfolgen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn das umstrittene Grundstück gehörte zum Sonderbetriebsvermögen der Kommanditistin. Die Entscheidung, ob die Kommanditistin einen Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen erzielt hat oder ob das Grundstück bereits zuvor entnommen worden war, kann gegenüber der Klägerin und ihrer Kommanditistin im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) nur einheitlich ergehen. Die Beiladung ist auch nicht gemäß § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO ausgeschlossen; denn die Kommanditistin war gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt, da sie die Frage, ob sie durch die Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen einen Gewinn erzielt hat, persönlich angeht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544; vom VIII R 8/99, BFH/NV 2000, 1214).

2. Die Vorinstanz hat die Kommanditistin…im finanzgerichtlichen Verfahren nicht beigeladen. Da die notwendige Beiladung zur Grundordnung des Verfahrens gehört, kann auf sie nicht verzichtet werden. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist verfahrensfehlerhaft und führte nach früherem Recht, das dem Revisionsgericht die Nachholung einer notwendigen Beiladung nicht ermöglichte, regelmäßig zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, um sicherzustellen, dass die notwendige Beiladung nachgeholt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1468; vom VIII R 16/96, BFH/NV 1999, 471; vom I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, 699).

Die Vorschrift des § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) ermöglicht ab dem (vgl. Art. 6 Satz 1 2.FGOÄndG) eine notwendige Beiladung auch im Revisionsverfahren. Aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Verfahrensbeschleunigung soll damit eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz vermieden werden (vgl. hierzu Spindler, Der Betrieb, 2000, 61, 62; BTDrucks 11/7030 S. 35 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung).

3. Durch den vorliegenden Beiladungsbeschluss erhält die Kommanditistin…als Beigeladene die Stellung einer Beteiligten (vgl. § 57 Nr. 3 FGO; zur Stellung des Beigeladenen: vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 60 Rz. 102 ff.). Die Rechtskraft einer in dieser Sache ergehenden Entscheidung wirkt für und gegen die Beigeladene (vgl. § 110 Abs. 1 FGO).

4. Der Senat weist darauf hin, dass die Beigeladene Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses rügen kann (§ 123 Abs. 2 Satz 1 FGO n.F.). Die Frist kann nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 Satz 2 FGO n.F. verlängert werden. Der Senat wird den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverweisen, wenn die Beigeladene darlegt, dass sie ein berechtigtes Interesse daran hat (vgl. § 126 Abs. 3 Satz 2 FGO n.F.). Jeder Beteiligte, also auch die Beigeladene, muss sich vor dem BFH durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes vertreten lassen (§ 62a Abs. 1 FGO n.F.; vgl. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 62 Rz. 90). Zur Vertretung der Beteiligten vor dem BFH berechtigt sind Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer; ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 61 Nr. 1
EAAAA-67604