NWB Nr. 39 vom Seite 2953

Das Oktoberfest und die Realität im Bierzelt

Dr. Stefanie Becker | Steuerberaterin, Dipl. Wirtschaftsjuristin, Dipl. Finanzwirtin (FH), Beraterin, Dozentin, Autorin unter umsatzsteuer³, Augsburg

BFH: Wiesnbrezen sind ermäßigt zu besteuern

Pünktlich zur Eröffnung des Oktoberfests am veröffentlichte der BFH sein Urteil vom - V R 15/17 NWB NAAAG-56541, in dem er zum Steuersatz für den Verkauf von Oktoberfestbrezen im Festzelt ausführlich Stellung nahm und seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung von Restaurationsleistungen revidierte. Die Entscheidung kann damit bereits – worauf auch der BFH in seiner Pressemitteilung hinwies – beim diesjährigen Oktoberfest berücksichtigt werden.

Worum ging es in dieser Entscheidung? Festzeltbesucher können regelmäßig neben den vom Festzeltbetreiber angebotenen Speisen auch Brezen, Getränke und weitere kleine Speisen „auf die Hand“ erwerben, die von anderen, selbständigen Unternehmern dort angeboten werden. Diese pachten Verkaufsstände im Festzelt an, um von dort aus bzw. über im Zelt umhergehende Verkäufer – sog. „Brezenläufer“ – ihr Angebot zu verkaufen. Aus umsatzsteuerlicher Sicht stellt sich damit wieder einmal die Frage, welcher Steuersatz auf den Verkauf der Brezen anzuwenden ist: 7 %, da es sich um die Lieferung von Speisen handelt? Oder 19 %, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt? Der BFH stellte nun eindeutig klar: der Verkauf von Wiesnbrezen durch Unternehmer, die nicht auch Festzeltbetreiber sind, unterliegt als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.

Wie kam es zu dieser Beurteilung? Schließlich erwerben die Festzeltbesucher die Brezen meist zusammen mit einer Maß Bier des Zeltbetreibers an eigens hierfür vorgesehenen Biertischgarnituren. Deren Nutzungsmöglichkeit auch durch die selbständigen Brezenverkäufer bildete folglich die Argumentationsgrundlage der Finanzverwaltung sowie des in seiner Vorentscheidung. Beide gingen von einer Restaurationsleistung zum Regelsteuersatz aus. Der BFH ordnete die Biertischgarnituren hingegen ihrem Eigentümer und damit ausschließlich dem Zeltbetreiber zu. Die selbständigen Brezenverkäufer erwarben lediglich das Recht, ihre Brezen in den Zelten zu verkaufen; hingegen kein Mitbenutzungsrecht an den Verzehrvorrichtungen. Auch berechtige – bestätigt durch die „Realität“ im Bierzelt – der Verzehr von „fremden“ Brezen den Festbesucher nicht zur Nutzung der Biertische. Der BFH gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Dienstleistungen eines Dritten bei der Beurteilung grundsätzlich berücksichtigt werden können.

Wer darf sich nun auf die Wiesn freuen? Nutznießer der Entscheidung des BFH sind klar die Brezenverkäufer. Diese haben einen Grund mehr, sich auf das Oktoberfest und hohe Umsätze zu freuen. Bieten sie ihre Brezen zum selben Verkaufspreis an wie die Festzeltbetreiber, haben sie eine um 12 Prozentpunkte höhere Marge. Auf den Geldbeutel des Wiesnbesuchers wird sich das Urteil des BFH hingegen nicht auswirken. Es kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass Brezenverkäufer ihre Brezen nun günstiger anbieten als der Zeltbetreiber.

Stefanie Becker

Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 2953
NWB VAAAG-57438