BVerwG Urteil v. - 9 C 6/16

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 21 B 14.2092 Urteilvorgehend VG Würzburg Az: W 6 K 11.154 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger verfolgt mit der Revision seine auf die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG gerichtete Verpflichtungsklage weiter.

2Er betreibt als Franchise-Partner der "Schülerhilfe" seit in M. und B., seit in H. und seit in K. vier Nachhilfeinstitute, die Nachhilfe für sämtliche Schulformen anbieten.

3Mit Bescheid vom bescheinigte die Regierung von Unterfranken, dass die Schülerhilfen des Klägers in M., B., H. und K. auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Sie beschränkte die Bescheinigung aber mit der Begründung auf den Zeitraum vom bis zum , dass erst seit mindestens 25 v.H. der vorgehaltenen Nachhilfelehrkräfte die Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen besäßen.

4Dagegen erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom zu verpflichten, ihm die beantragte Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG bereits mit Wirkung ab zu erteilen.

5Mit Urteil vom verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom , dem Kläger die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG für die Nachhilfeinstitute in H. und K. bereits für die Zeit ab und für das Nachhilfeinstitut in B. bereits für die Zeit ab zu erteilen. Im Übrigen wies es die Klage ab.

6Der Verwaltungsgerichtshof wies die von ihm zugelassenen Berufungen des Klägers und des Beklagten mit Urteil vom zurück. In den Zeiträumen, für die die Klage abgewiesen worden sei, hätten die Nachhilfeinstitute nicht ordnungsgemäß auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet. Nachhilfeunterricht sei nur dann ordnungsgemäß, wenn mindestens 25 v.H. der vorgehaltenen Nachhilfelehrkräfte die Befähigung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen besäßen, die übrigen Nachhilfelehrkräfte jedenfalls fachlich geeignet seien und sichergestellt sei, dass die voll ausgebildeten Lehrkräfte im Nachhilfeunterricht für pädagogische Fragen zur Verfügung stünden. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht erfüllt. Auch die Berufung des Beklagten, die die Zeiträume betreffe, in Bezug auf die der Klage stattgegeben worden sei, habe keinen Erfolg.

7Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das Urteil des Berufungsgerichts beruhe auf einer unrichtigen Auslegung von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Denn die Qualifikationsanforderungen für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen seien für die Beurteilung der erforderlichen Eignung der eingesetzten Nachhilfelehrkräfte nicht maßgeblich.

8Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom zu ändern und den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG hinsichtlich seiner Nachhilfeinstitute in M. und B. für den Zeitraum vom bis zum , hinsichtlich seines Nachhilfeinstituts in H. für den Zeitraum vom bis zum und hinsichtlich seines Nachhilfeinstituts in K. für den Zeitraum vom bis zum zu erteilen.

9Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

11Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; 1.). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Vielmehr ist der Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, dem Kläger eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 386), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 420) - UStG - zu erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht kann insoweit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden (2.).

121. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind umsatzsteuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

13Die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist ein Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 Satz 1 der Abgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3866, BGBl. 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 32 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 872) - AO -, der für die Finanzverwaltung bindend ist ( 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 10 und 13; - BFHE 226, 479 <484 f.>, vom - XI R 35/11 - BFHE 242, 250 Rn. 50 und vom - XI R 6/14 - BFHE 253, 499 Rn. 21). Die zuständige Landesbehörde prüft dabei allein, ob auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet wird ( 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 4; - BFHE 112, 313 <314>, vom - V R 83/84 - BFHE 157, 458 <463> und vom - V R 62/02 - BFHE 204, 355 <361>). Die Beurteilung der übrigen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG obliegt der Finanzverwaltung, die insoweit der vollen Kontrolle der Finanzgerichte unterliegt ( - BFHE 112, 313 <314>, vom - V R 83/84 - BFHE 157, 458 <463>, vom - V R 62/02 - BFHE 204, 355 <361> und vom - XI R 35/11 - BFHE 242, 250 Rn. 40).

14Die zuständige Landesbehörde hat nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG die Bescheinigung zu erteilen, wenn die Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Ein Handlungsermessen verbleibt ihr insoweit nicht (vgl. 10 C 10.05 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 2 Rn. 19 für die vergleichbare Regelung in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG).

15a) Im Einklang mit Bundesrecht legt der Verwaltungsgerichtshof seinem Urteil zunächst zugrunde, dass die Nachhilfeinstitute des Klägers auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten.

16Dazu genügt eine Tätigkeit, die einen Bildungsgang fördert, der im Allgemeinen mit einer solchen Prüfung abschließt. Vorbereitung auf eine Prüfung ist auch eine Tätigkeit, die der schulischen nahekommt und sie ergänzt, wie dies für einen die Schule unterstützenden Nachhilfeunterricht zutreffen kann. Nicht ausreichend ist allerdings eine bloße Beaufsichtigung von Hausaufgaben. Erforderlich ist vielmehr eine Tätigkeit, die der speziellen Förderung von Schülern in ihren schwachen Fächern, der Repetition und Vertiefung des von der Schule gelehrten Stoffes und der Vorbereitung auf Klassenarbeiten und Prüfungen gewidmet ist ( 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3 f.). Diese Anforderungen erfüllt der Nachhilfeunterricht in den Instituten des Klägers.

17b) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der Verwaltungsgerichtshof außerdem davon aus, dass mit der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Prüfungsvorbereitung qualitative Anforderungen an die die Prüfungsvorbereitung betreibende Einrichtung und die von ihr eingesetzten Lehrkräfte gestellt werden ( 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3). Ordnungsgemäß ist die steuerlich privilegierte Leistung dann, wenn sie objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht wird und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen ( 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3; vgl. für die Vorbereitung auf einen Beruf 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 16).

18c) Bundesrecht verletzt hingegen die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, die eingesetzten Lehrkräfte verfügten nur dann über die erforderliche Eignung, wenn mindestens 25 v.H. von ihnen die Befähigung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen nach Art. 1 des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes besäßen, die übrigen Nachhilfelehrkräfte jedenfalls fachlich geeignet seien und sichergestellt sei, dass die voll ausgebildeten Lehrkräfte im Nachhilfeinstitut für pädagogische Fragen der übrigen Lehrkräfte unterstützend zur Verfügung stünden (vgl. bereits BayVGH, Urteil vom - 21 B 09.140 - BayVBl 2011, 178 Rn. 31; hinsichtlich des Mindestanteils an Lehrkräften mit Lehramtsbefähigung ebenso .Z - NVwZ-RR 2016, 353 Rn. 5; OVG Lüneburg, Urteil vom - 2 LC 82/15 - juris Rn. 45). Denn diese Voraussetzungen sind mit § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht vereinbar. Erforderlich, aber auch ausreichend ist danach vielmehr, dass die eingesetzten Lehrkräfte für den konkreten, von ihnen zu erteilenden Nachhilfeunterricht jeweils geeignet sind, insbesondere ihre fachlichen und pädagogischen Kenntnisse und Fähigkeiten den Anforderungen gerecht werden, die der jeweilige Nachhilfeunterricht an sie stellt. Dies ergibt sich aus den nachstehenden Erwägungen.

19Bereits dem Wortlaut des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG lässt sich kein Ansatz für die Auslegung entnehmen, die eingesetzten Lehrkräfte verfügten nur dann über die erforderliche Eignung, wenn mindestens 25 v.H. von ihnen die Befähigung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Auch Sinn und Zweck der Norm trägt die Anforderung des Verwaltungsgerichtshofs nicht. Die Befreiung der schulischen und beruflichen Ausbildung durch Privatschulen und andere vergleichbare Bildungseinrichtungen von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG bezweckt neben der Förderung solcher Leistungen deren steuerliche Gleichbehandlung mit den nach § 2 Abs. 3 UStG in der bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2015 vom (BGBl. I S. 1834) geltenden Fassung nicht der Umsatzsteuer unterliegenden öffentlich-rechtlichen Bildungsträgern ( 9 C 4.12 - BVerwGE 147,1 Rn. 9). Dieses Ziel umsatzsteuerlicher Gleichbehandlung wird verfehlt, wenn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nur für Leistungen erteilt wird, bei denen ein Teil der Lehrkräfte die gleiche Qualifikation wie das Personal an öffentlichen Schulen aufweist. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG knüpft mit der ordnungsgemäßen Prüfungsvorbereitung an die ordnungsgemäße Erbringung der Leistung an. Dies setzt Personal voraus, das die für die Erbringung der Leistung erforderliche Eignung besitzt, nicht aber die Vergleichbarkeit der Qualifikation dieses Personals mit dem einer öffentlichen Schule.

20Darüber hinaus spricht auch das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip gegen die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Auslegung.

21§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG dient der Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. Nr. L 347 S. 1; im Folgenden: MWSt-RL; vgl. - BFHE 242, 250 Rn. 30; zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG vgl. etwa - BFHE 221, 295 <297> m.w.N.). Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip sind nationale Rechtsvorschriften so weit wie möglich dahin auszulegen, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren ( [ECLI:EU:C:2003:533], Weber’s Wine World - Rn. 103, 117 und vom - C-432/05 [ECLI:EU:C:2007:163], Unibet - Rn. 43 f.). Bei der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG handelt es sich um einen für die Finanzverwaltung verbindlichen Grundlagenbescheid, der Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung nach dieser Regelung ist. Daher sind die Bescheinigungsvoraussetzungen im Interesse einer wirksamen Anwendung des Unionsrechts bis hin zur Wortlautgrenze so auszulegen, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung erteilt werden kann. Die Frage, ob die Leistungen der privaten Einrichtung, auf die sich die Bescheinigung bezieht, letztlich nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer zu befreien sind oder nicht, unterliegt dabei der eigenständigen Prüfung der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte. Sie braucht daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht abschließend beantwortet zu werden ( 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 13, 15).

22Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL befreien die Mitgliedstaaten unter anderem den Schul- und Hochschulunterricht und eng damit verbundene Leistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung von der Umsatzsteuer. Bei den Begriffen Schul- und Hochschulunterricht handelt es sich um autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. etwa [ECLI:EU:C:2007:344], Haderer - Rn. 17, 24). Schul- und Hochschulunterricht ist dabei nicht auf Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern umfasst auch andere Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, soweit diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (, Haderer - Rn. 26 und vom - C-473/08 [ECLI:EU:C:2010:47], Eulitz - Rn. 29; 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 14; - BFHE 221, 295 <298> und vom - V R 3/05 - BFHE 221, 302 <307 f.>). Von der Mehrwertsteuer zu befreien ist nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL neben dem Schul- und Hochschulunterricht der damit betrauten Einrichtungen des öffentlichen Rechts allerdings nur derjenige anderer Einrichtungen mit von den Mitgliedstaaten anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Da die Mehrwertsteuerrichtlinie nicht festlegt, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Modalitäten die vergleichbare Zielsetzung anerkannt werden kann, ist es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen dabei über ein gewisses Ermessen ( [ECLI:EU:C:2013:778], MDDP - Rn. 37, 50).

23Die Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof an die Eignung der für den Nachhilfeunterricht eingesetzten Lehrkräfte stellt, gewährleisten nicht bis zur Grenze des Wortlauts dieser Regelung, dass hinsichtlich aller Leistungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erteilt werden kann.

24Der in Nachhilfeeinrichtungen erteilte Unterricht stellt zunächst ohne Weiteres Schulunterricht im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL dar. Er soll die Kenntnisse und Fertigkeiten der Schüler in den Fächern entwickeln, in denen er erteilt wird. Er hat dabei nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung, sondern ergänzt den regulären Schulunterricht mit dem Ziel einer Verbesserung der schulischen Leistungen.

25Private Nachhilfeeinrichtungen haben auch eine mit den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung. Der Nachhilfeunterricht soll ebenso wie der eigentliche Schulunterricht, den er ergänzt, auf Klassenarbeiten und Schulabschlussprüfungen vorbereiten. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL verlangt darüber hinaus keine Vergleichbarkeit der Qualifikation des in öffentlichen Schulen und in privaten Nachhilfeinstituten jeweils eingesetzten Personals. Die Norm selbst enthält keine Qualifikationsvoraussetzungen, sie gestattet jedoch den Mitgliedstaaten durch nationale Rechtsvorschriften die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen die Anerkennung für die Umsatzsteuerbefreiung gewährt werden kann, wobei den Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen eingeräumt ist (, MDDP - Rn. 37, 50). Soweit der Bundesgesetzgeber dies mit der Voraussetzung der Ordnungsgemäßheit der Prüfungsvorbereitung in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ausgefüllt hat, ist bei der Auslegung dieser Regelung dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip Rechnung zu tragen. Damit die für die Steuerbefreiung erforderliche Bescheinigung hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen erteilt werden kann, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, dürfen die Qualitätsanforderungen, die § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG an die Prüfungsvorbereitung stellt, über ein qualitatives Mindestniveau nicht hinausgehen (vgl. - BFHE 254, 448 Rn. 14). Für eine ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung durch Nachhilfeinstitute reicht es daher aus, wenn die eingesetzten Lehrkräfte für den konkreten, von ihnen zu erteilenden Nachhilfeunterricht jeweils geeignet sind, insbesondere ihre fachlichen und pädagogischen Kenntnisse und Fähigkeiten den Anforderungen gerecht werden, die der jeweilige Nachhilfeunterricht an sie stellt.

26Der Nachhilfeunterricht stellt andere fachliche und pädagogische Anforderungen an die jeweilige Lehrkraft als der reguläre Unterricht an öffentlichen Schulen. Während dort jeweils systematisch und umfassend der im Lehrplan für die einzelnen Fächer vorgesehene Unterrichtsstoff vermittelt werden soll, dient der Nachhilfeunterricht der Ergänzung des Schulunterrichts. Er ist beschränkt auf bestimmte Fächer, in denen ein Schüler Wissenslücken oder Verständnisschwierigkeiten hat, und dient dazu, diese zu beseitigen. Der Nachhilfeunterricht knüpft dabei in der Regel an den in der Schule gelehrten Stoff an und wiederholt und vertieft ihn ( - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3 f.). Außerdem wird der Unterricht anders als in der Schule nicht in großen Klassen mit einer Vielzahl von Schülern erteilt. Vielmehr soll der Nachhilfeschüler in Einzelunterricht oder in einer kleinen Gruppe von nur wenigen Mitschülern gezielt gefördert werden. Nachhilfelehrer müssen daher nicht einer großen Zahl von Schülern den im Lehrplan vorgegebenen Unterrichtsstoff systematisch und umfassend vermitteln können. Sie müssen vielmehr in der Lage sein, den im regulären Schulunterricht behandelten Unterrichtsstoff nachzuvollziehen, die insoweit bestehenden Wissenslücken und Verständnisprobleme des einzelnen Nachhilfeschülers zu erkennen und ihn insoweit gezielt individuell zu fördern. Es übersteigt daher das für die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ausreichende qualitative Mindestniveau, wenn an die erforderliche Eignung von Nachhilfelehrern Anforderungen gestellt werden, die sich nicht an den Erfordernissen des Nachhilfeunterrichts, sondern an denjenigen des regulären Schulunterrichts orientieren.

27d) Das Urteil beruht auch auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn die Zurückweisung der Berufung ist tragend darauf gestützt, dass der Anteil von 25 v.H. an Lehrkräften mit Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen in den Nachhilfeinstituten des Klägers während der noch streitigen Zeiträume jeweils nicht erreicht worden sei.

282. Darüber hinaus stellt sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Vielmehr ist der Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO antragsgemäß zu verpflichten, dem Kläger hinsichtlich seiner Nachhilfeinstitute in M., B., H. und K. jeweils für den gesamten beantragten Zeitraum eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zu erteilen. Die Erteilungsvoraussetzungen sind auch erfüllt, soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten noch nicht rechtskräftig zur Bescheinigungserteilung verpflichtet, sondern die Klage abgewiesen hat und die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist. Das Bundesverwaltungsgericht kann insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

29Die Prüfungsvorbereitung erfolgte in den Nachhilfeeinrichtungen des Klägers jeweils ordnungsgemäß. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich bei den Nachhilfeeinrichtungen des Klägers jeweils um seriöse Institute handelt und dass der dort erteilte Nachhilfeunterricht objektiv geeignet ist, der Prüfungsvorbereitung zu dienen. Die eingesetzten Lehrkräfte besaßen auch die erforderliche Eignung für den konkreten, von ihnen jeweils zu erteilenden Nachhilfeunterricht in fachlicher und pädagogischer Hinsicht.

30Ob dies der Fall ist, ist dabei gerichtlich voll nachprüfbar. Insoweit besteht kein Beurteilungsspielraum der zuständigen Landesbehörde (a.A. OVG Lüneburg, Urteil vom - 2 LC 82/15 - juris Rn. 40; - juris Rn. 39 und - juris Rn. 17). Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt die Einräumung eines Beurteilungsspielraums durch den Gesetzgeber zwar nicht uneingeschränkt aus. Ein Beurteilungsspielraum muss sich aber ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben oder durch Auslegung - insbesondere entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie - hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Die damit verbundene Freistellung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds ( - BVerfGE 129, 1 <20 ff.>; 5 C 29.82 - BVerwGE 72, 195 <199>). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

31§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG enthält keine ausdrückliche Beurteilungsermächtigung zugunsten der zuständigen Landesbehörde. Ein Beurteilungsspielraum lässt sich der Regelung auch nicht durch Auslegung hinreichend deutlich entnehmen. Die Norm bezweckt zwar die Prüfung der Ordnungsgemäßheit der Prüfungsvorbereitung der zuständigen Landesbehörde zu überlassen, damit sie ihr spezifisches Fachwissen einbringen kann, über das die Finanzbehörde regelmäßig nicht verfügt ( 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 13; Kulmsee, in: Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, Stand , § 4 Nr. 21 Rn. 36). Sie schreibt jedoch nicht fest, dass die Erteilung der Bescheinigung einer bestimmten, für die Beurteilung der fachlichen und pädagogischen Eignung von Lehrpersonal besonders fachkundigen Stelle, etwa einer Schulbehörde, übertragen werden soll. Vielmehr bleibt die Bestimmung der zuständigen Behörde ohne nähere Vorgaben den Ländern überlassen. Gewährleistet damit die gesetzliche Regelung aber nicht, dass die Erteilung der Bescheinigung durch eine Stelle mit besonderer Sachkunde erfolgt, so fehlt es an dem erforderlichen hinreichend gewichtigen, eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle rechtfertigenden Sachgrund. Dies schließt nicht aus, der Eigenverantwortung der Behörde dadurch Rechnung zu tragen, dass sich das Gericht mit einer nachvollziehenden Kontrolle ihrer Entscheidung begnügt, insbesondere soweit diese auf einem generell erarbeiteten Kriterienkatalog beruht (vgl. auch allgemein - BVerfGE 129, 1 <20> sowie zu § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG: - juris Rn. 27).

32Die volle gerichtliche Überprüfung der Eignung der eingesetzten Lehrkräfte führt zu dem Ergebnis, dass sämtliche in den Nachhilfeinstituten des Klägers eingesetzten Lehrkräfte in den noch streitigen Zeiträumen sowohl in fachlicher als auch in pädagogischer Hinsicht die Mindestanforderungen an die Eignung für den von ihnen zu erteilenden Nachhilfeunterricht erfüllt haben. Der Senat kann die zugrunde liegenden Tatsachen selbst bewerten, weil sie sich aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Behördenakten ohne Weiteres ergeben und dadurch eine Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht wird (vgl. auch 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106 f.>).

33Hinsichtlich der fachlichen Eignung der in den Nachhilfeinstituten in M., B., H. und K. eingesetzten Lehrkräfte bestehen keine Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat sie bejaht, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Soweit es sich bei den Lehrkräften um Studenten handelte, die in Fächern unterrichtet haben, auf die sich ihr Studium bezog, kann im Hinblick darauf, dass § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG lediglich Mindestanforderungen stellt, unproblematisch von ihrer fachlichen Eignung für den Nachhilfeunterricht ausgegangen werden. Erst recht gilt dies für die Lehrkräfte, die die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien abgelegt hatten oder über eine Lehramtsbefähigung verfügten.

34Für die Nachhilfelehrkräfte mit Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen kann auch ohne Weiteres von ihrer pädagogischen Eignung ausgegangen werden. Es gibt aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass den übrigen Lehrkräften die pädagogische Eignung für den jeweiligen Nachhilfeunterricht gefehlt hat. Nach den vom Kläger eingereichten Antragsunterlagen müssen seine Nachhilfelehrkräfte ein Qualitätsprofil erfüllen, das unter anderem durch Zeugnisse und Praxisnachweise belegtes methodisches und didaktisches Vermittlungswissen in den Nachhilfefächern sowie eine ausgeprägte kommunikative und soziale Kompetenz voraussetzt. Diese Anforderungen wurden anhand der Bewerbungsunterlagen und im persönlichen Vorstellungsgespräch überprüft. Darüber hinaus erfolgte eine endgültige Beschäftigung in der Regel erst nach mehreren Probeunterrichtsstunden in Gegenwart des Franchise-Partners und/oder einer erfahrenen Lehrkraft. Schließlich handelte es sich bei sämtlichen neben den voll ausgebildeten Lehrern in den Nachhilfeschulen des Klägers eingesetzten Lehrkräften entweder um Personen, die die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien bestanden hatten, oder um Lehramtsstudenten, also um Menschen mit ausgeprägten pädagogischen Neigungen.

35Sind damit die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt, so kann das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst entscheiden, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob ein Nachhilfeinstitut auch dann ordnungsgemäß auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten kann, wenn nicht alle Nachhilfelehrkräfte die erforderliche Eignung aufweisen (in diesem Sinne - juris Rn. 24, 27 ff.; - juris Rn. 32 f.). Das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip legt allerdings - wie oben näher ausgeführt - eine Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG dahin nahe, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MWSt-RL ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung erteilt werden kann ( 9 C 4.12 - BVerwGE 147, 1 Rn. 13). Dies spricht dafür, die Bescheinigungsvoraussetzungen in der Regel auch dann als erfüllt anzusehen, wenn zumindest der überwiegende Teil der eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung aufweist. Die Bescheinigung kann dann auf den Unterricht dieser Lehrkräfte beschränkt erteilt werden. Die Grenze des Wortlauts von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG wird durch ein solches Verständnis der Regelung jedenfalls solange nicht überschritten, wie der angebotene Nachhilfeunterricht objektiv geeignet bleibt und die Seriosität der Nachhilfeeinrichtung durch den Einsatz der Lehrkräfte ohne ausreichende Eignung nicht insgesamt in Frage gestellt wird.

36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:270417U9C6.16.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 1408 Nr. 10
NAAAG-53158