BAG Urteil v. - 5 AZR 962/13

Staatenimmunität - drittstaatliche Eingriffsnormen

Leitsatz

Ausländische Staaten genießen für eine Streitigkeit aus einem privatrechtlich begründeten Arbeitsverhältnis keine Staatenimmunität, wenn die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben nicht hoheitlicher Art sind.

Gesetze: Art 25 GG, § 611 Abs 1 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 20 Abs 2 GVG, § 27 BGBEG vom , § 34 BGBEG vom , § 108 Abs 2 GewO

Instanzenzug: Az: 10 Ca 59/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 2 Sa 253/12 Urteilvorgehend Az: 5 AZR 962/13 (A) EuGH-Vorlagevorgehend Az: C-135/15 Urteilnachgehend Az: 2 BvR 2292/17 Beschluss

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Vergütung des Klägers durch griechische Gesetze gekürzt worden ist.

2Die beklagte Republik Griechenland betreibt in N eine nach bayerischem Schulrecht als Ersatzschule genehmigte private Grund- und Teilhauptschule. An dieser ist der Kläger als Lehrer beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der Formulararbeitsvertrag vom , in dem es auszugsweise heißt:

3Am schlossen die Parteien eine „Nachtragsvereinbarung“, die lautet:

4Die monatliche Vergütung des Klägers betrug ab März 2010 3.861,94 Euro brutto. Abrechnungen des gezahlten Arbeitsentgelts nach § 108 GewO erteilte ihm die Beklagte nicht.

5Die Republik Griechenland erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 über dringende Maßnahmen zur Bewältigung der Krise der Staatsfinanzen, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes enthält es ua. folgende Regelungen:

6Darüber hinaus erließ die Republik Griechenland das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem ua.:

7Die Beklagte kürzte unter Berufung auf die vorgenannten Gesetze für die Zeit ab August 2010 die Vergütung des Klägers einschließlich der Jahressonderzuwendungen.

8Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit der am eingereichten und mehrfach - zuletzt in der Berufungsinstanz - erweiterten Klage für den Zeitraum August 2010 bis Dezember 2012 die Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten und der tatsächlich gezahlten Vergütung verlangt. Er hat gemeint, die griechischen Gesetze könnten den Inhalt seines in Deutschland zu erfüllenden, deutschem Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht ändern. Die Beklagte habe ihm für die geleisteten Zahlungen Abrechnungen nach § 108 GewO zu erteilen.

9Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung seiner Vergütung. Zudem finde der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis sowie § 108 GewO auf ausländische Staaten keine Anwendung.

11Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben. Der Kläger hat nach Verkündung des Berufungsurteils mit Einwilligung der Beklagten die Klage in Höhe eines Teilbetrags von 560,30 Euro brutto nebst Zinsen zurückgenommen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hat mit Beschluss vom (- 5 AZR 962/13 (A) - BAGE 151, 75) dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV Fragen zur Anwendung der Rom I-VO und dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vorgelegt, die dieser mit Urteil vom (- C-135/15 -) wie dort ersichtlich beantwortet hat.

Gründe

12Die Revision ist unbegründet. Die Klage ist zulässig und in dem in die Revisionsinstanz gelangten Umfang begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt.

13I. Im Umfang der mit Einwilligung der Beklagten (§ 269 Abs. 1 ZPO) erfolgten Teilklagerücknahme ist das Berufungsurteil wirkungslos geworden, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.

14II. Die Klage ist zulässig.

151. Die beklagte Republik Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Staatenimmunität.

16a) Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem als Bundesrecht geltenden Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht (Art. 25 GG) sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen, als ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten (sovereign equality of states) und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht zu vereinbaren, wenn ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüfen würde. Die insoweit für den Senat maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterscheidet allerdings zwischen der völkerrechtlich allgemein anerkannten Immunität von Hoheitsakten ausländischer Staaten und nicht-hoheitlichen Akten ausländischer Staaten. Danach unterfallen Hoheitsakte ausländischer Staaten (sog. acta iure imperii) grundsätzlich immer der Staatenimmunität. Dagegen ist es keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln genießt. Allerdings ist dem allgemeinen Völkerrecht - so das Bundesfassungsgericht - eine Kategorisierung staatlicher Tätigkeiten als hoheitlich oder nicht-hoheitlich fremd, weshalb diese Abgrenzung grundsätzlich nach nationalem Recht zu erfolgen hat ( - Rn. 19 ff.).

17b) Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit aus einem privatrechtlich begründeten Arbeitsverhältnis, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich darauf an, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Natur nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind; entscheidend ist der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit ( - Rn. 18 mwN; - 5 AZR 78/12 - Rn. 16 mwN). Diese Sichtweise steht im Einklang mit Art. 11 des noch nicht in Kraft getretenen UN-Übereinkommens zur Staatenimmunität vom , der nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aber als Völkergewohnheitsrecht auch für einen Staat gilt, der die Konvention nicht ratifiziert hat, es sei denn, er hätte dem widersprochen (EGMR - 34869/05 - Rn. 54; vgl. auch  - Rn. 18).

18c) Nach diesen Grundsätzen ist die beklagte Republik Griechenland im Streitfall nicht wegen ihrer Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Nach den von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nimmt der Kläger als Lehrkraft an der griechischen Schule in N nach dem für die Beurteilung seiner Tätigkeit maßgeblichen deutschen Recht keine hoheitlichen Aufgaben wahr. Vielmehr handelt die Beklagte wie eine inländische Privatperson. Dies entspricht zudem der Rechtsprechung der Senate des Bundesarbeitsgerichts zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der von der Beklagten in Deutschland im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses an ihren Inlandsschulen beschäftigten Lehrkräften (etwa  - Rn. 17 ff.; - 2 AZR 960/11 - Rn. 16 ff.). Hiervon ist - zumindest in der Vergangenheit - auch die Beklagte ausgegangen, die sich gegenüber den erhobenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen nicht auf eine Staatenimmunität berufen hat.

19d) Der vorstehenden Auffassung steht auch die Entscheidung des nicht entgegen. Gegenstand des dieser zugrunde liegenden Rechtsstreits war - jedenfalls aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts - die Besteuerung des dortigen Klägers mit der griechischen Quellensteuer durch den griechischen Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts ( - Rn. 22).

20aa) Um einen solchen actus iure imperii geht es nach den Wertungen der insoweit maßgeblichen deutschen Rechtsordnung indes im Streitfall nicht. Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 erheben keine Steuer, sondern kürzen das Entgelt der im öffentlichen Dienst der Republik Griechenland Beschäftigten um bestimmte Prozentsätze, wobei den Kürzungsbestimmungen Vorrang vor jeder individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarung verliehen wird. Dementsprechend wehrt sich der Kläger nicht gegen eine Besteuerung (zur Prägung des zivilrechtlichen Entgeltanspruchs durch das Steuerrecht vgl.  - Rn. 12 ff.), sondern ausschließlich gegen die Kürzung des arbeitsvertraglich vereinbarten und von der Beklagten als Arbeitgeberin geschuldeten Bruttoentgelts. Für solche Streitigkeiten um die Gegenleistung aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis geht offenbar auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gebe, wonach ein Staat Immunität für nicht-hoheitliches Handeln genießt ( - Rn. 22).

21bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kürzung der Vergütung des Klägers nicht deshalb als der Staatenimmunität unterfallender actus iure imperii zu qualifizieren, weil diese unmittelbar durch Hoheitsakt erfolgt sein soll. Der Gegenstand des Rechtsstreits berührt nicht die Souveränität der Republik Griechenland oder ihrer Gesetzgebung und damit den allgemein anerkannten Bereich hoheitlicher Tätigkeit ( - Rn. 21). Streitgegenständlich sind allein Ansprüche aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Vielmehr hat der Senat lediglich zu beurteilen, ob die von der Republik Griechenland erlassenen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 unmittelbar den Inhalt eines auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begründeten und durchgeführten privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses ausgestalten können. Wäre dies anders zu beurteilen, könnte ein anderer Staat im Bereich seiner nicht-hoheitlichen Tätigkeit allein durch seine legislativen Akte und ungeachtet des inländischen Rechts den Inhalt der von ihm in der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Verpflichtungen ausgestalten.

22e) Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist nicht veranlasst. Der Senat weicht nicht von der Entscheidung des - VII ZB 23/13 -) ab. Dessen Qualifikation der griechischen Schule in N als kulturelle Einrichtung, die hoheitlichen Tätigkeiten dient, besagt nichts über die Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien und der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof seinerseits angenommen, eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liege nicht vor ( - Rn. 17).

232. Andere Zulässigkeitshindernisse bestehen - auch nach dem Vorbringen der Beklagten - nicht. Insbesondere sind die deutschen Gerichte für die Klage international zuständig nach Art. 18, Art. 19 Nr. 2 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, nunmehr - inhaltsgleich - Art. 20, Art. 21 Abs. 1 Buchst. b i) der durch die Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom neu gefassten EuGVVO; nach deren Art. 66 Abs. 2 gilt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 für vor dem eingeleitete gerichtliche Verfahren weiter). Gewöhnlicher Arbeitsort des Klägers ist N. Der für die Anwendung der EuGVVO erforderliche Auslandsbezug (dazu  - [Lindner] Rn. 29, Slg. 2011, I-11543;  - Rn. 21) ergibt sich daraus, dass die Beklagte ein ausländischer Staat ohne „Sitz“ im Inland ist ( - Rn. 21).

24III. Die Klage ist begründet.

25Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers nicht gekürzt. Dementsprechend steht ihm für den Streitzeitraum die Differenz zwischen der vereinbarten und der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung zu. Außerdem hat er Anspruch auf Gehaltsabrechnungen.

261. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung. Das steht zwischen den Parteien außer Streit, davon ist der Senat schon im Vorlagebeschluss vom (- 5 AZR 962/13 (A) - Rn. 2, BAGE 151, 75) ausgegangen (vgl. auch - zu einem Parallelverfahren -  - Rn. 24). Eine ausdrückliche Abrede über die Rechtswahl haben die Parteien nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getroffen. Mit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen deutschen Tarifvertrag haben sie konkludent die Anwendung deutschen Rechts vereinbart ( - Rn. 26). Die auf diese Weise getroffene Rechtswahl entspricht im Ergebnis sowohl der Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB aF als auch der des Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Nach beiden Bestimmungen unterliegen Arbeitsverträge bei Fehlen einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (zum „gewöhnlichen Arbeitsort“ vgl.:  - [Koelzsch] Rn. 43 ff., Slg. 2011, I-1595; (B) - Rn. 25, BAGE 147, 342). Arbeitsort des Klägers ist ausschließlich die Schule der Beklagten in N.

272. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Diese ist durch die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 nicht gekürzt worden.

28a) Das deutsche Recht lässt - für sich betrachtet - eine einseitige Änderung arbeitsvertraglich vereinbarter Arbeitsbedingungen ohne Änderungsvertrag oder Änderungskündigung nicht zu ( (A) - Rn. 10, BAGE 151, 75). Es gilt der Grundsatz pacta sunt servanda. Auch in einer finanziellen Notlage kann der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung nicht einseitig kürzen.

29b) Selbst wenn die Republik Griechenland den Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit erklärt hätte, gibt es keine nach Art. 25 GG als Bundesrecht zu berücksichtigende Regel des Völkerrechts, die sie berechtigte, die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche in Privatrechtsverhältnissen gegenüber privaten Gläubigern (zeitweise) zu verweigern (vgl. ua. - Rn. 29 ff., BVerfGE 118, 124;  - Rn. 17).

30c) Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben entgegen der Auffassung der Revision das Entgelt des Klägers nicht unmittelbar gekürzt. Denn sie gelten auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht, ihre zwingende Wirkung ist grundsätzlich auf das Staatsgebiet der Republik Griechenland beschränkt. Dass ihre Schule in N sich auf griechischem Territorium befände, hat die Beklagte indes nicht behauptet.

31d) Weil die genannten Gesetze weder der Rechtsordnung, die das Vertragsstatut stellt, noch der lex fori angehören, können sie nur als sog. drittstaatliche Eingriffsnormen Beachtung beanspruchen.

32aa) Die Anwendung drittstaatlicher Eingriffsnormen bemisst sich im Streitfall nicht nach Art. 9 Rom I-VO, sondern nach Art. 27 ff. EGBGB aF. Denn die Rom I-VO findet nach ihrem Art. 28 erst auf Verträge Anwendung, die ab dem geschlossen worden sind oder nach diesem Zeitpunkt im gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsparteien in einem solchen Umfang geändert wurden, dass davon auszugehen ist, dass ab diesem Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wurde ( - Rn. 31 ff.). Eine solche wesentliche Vertragsänderung haben die Parteien nach dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht vereinbart.

33bb) Art. 34 EGBGB aF schloss nach Rechtsprechung und Lehre die Anwendung ausländischer Eingriffsnormen nicht gänzlich aus, sie konnten zumindest als tatsächliche Umstände im Rahmen ausfüllungsbedürftiger Rechtsnormen berücksichtigt werden ( (A) - Rn. 5 mwN;  - Rn. 52 ff. mwN; vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht bei Siehr RdA 2014, 206, 209 ff.; zur Rechtslage nach Art. 9 Rom I-VO sh.  - Rn. 50; insoweit kritisch Maultzsch EuZA 2017, 241).

34cc) Als „Einfallstor“ für die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 kommt im Streitfall allenfalls § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Danach ist jeder Teil eines Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Deshalb kann eine Pflicht zu leistungssichernden Maßnahmen - bis hin zur Vertragsanpassung - bestehen, insbesondere, wenn anderenfalls in Dauerschuldverhältnissen Unvermögen des Schuldners droht ( - Rn. 28 mwN; - 2 AZR 3/14 - Rn. 29, BAGE 152, 337). Dabei ist aber keine Vertragspartei verpflichtet, gleich- oder höherrangige Interessen hinter die des anderen Teils zurückzustellen ( - Rn. 45).

35dd) Die Berücksichtigung der Umstände, dass die Griechische Republik zur Vermeidung eines Staatsbankrotts massiv auf Hilfsgelder von außen angewiesen war (und noch immer ist) und sie auf Druck der sog. Troika mit den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 die Entgelte im griechischen öffentlichen Dienst gekürzt hat, führt nicht dazu, dass der Kläger in seinem deutschen Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitsverhältnis nach § 241 Abs. 2 BGB einseitige Gehaltskürzungen ohne entsprechende Änderungskündigung hinnehmen müsste.

36(1) Ob die Rücksichtnahmepflicht so weit gehen kann, dass der Arbeitnehmer gleichsam einen Sanierungsbeitrag für den in der Fortexistenz bedrohten Arbeitgeber leisten muss (zu einem „Bonus Null“ in der Bankenkrise als billigem Ermessen entsprechend vgl.  - Rn. 44 ff.), braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Jedenfalls kennt das deutsche Arbeitsrecht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, aus Rücksicht auf die finanzielle Lage des Arbeitgebers dauerhafte Gehaltskürzungen ohne eine wirksame Vertragsänderung hinzunehmen. Vielmehr stellt es dem Arbeitgeber mit der betriebsbedingten Änderungskündigung ein Mittel zur einseitigen Vertragsänderung zur Verfügung. Zudem dürfte in einer solchen Situation aufgrund der auch den Arbeitgeber treffenden Rücksichtnahmepflicht allenfalls eine in ihrer Höhe dem Arbeitnehmer zumutbare Stundung bis zur Überwindung der Krise, nicht jedoch ein dauerhafter „Gehaltsverzicht“, in Betracht kommen.

37(2) Gemessen daran kann der Kläger nicht über § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet werden, die streitgegenständliche Kürzung seines Entgelts hinzunehmen. Der Beklagten steht die - gegebenenfalls außerordentliche - Änderungskündigung als Mittel zur einseitigen Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. Dieses nimmt mit dem Erfordernis des wichtigen Grundes (§ 626 BGB) bzw. der sozialen Rechtfertigung (§ 2 KSchG) zugleich auf die berechtigten Belange des betroffenen Arbeitnehmers Rücksicht (vgl. zur Änderungskündigung zum Zwecke der Gehaltsreduzierung etwa:  - BAGE 115, 149; - 2 AZR 139/07 -).

38ee) Der in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Dieser Grundsatz gestattet es dem Senat nicht, entgegen Art. 34 EGBGB aF aus interlokaler Sicht „ausländische“, nicht der lex fori angehörende Eingriffsnormen anzuwenden und anders denn als tatsächliche Umstände zu berücksichtigen (zu Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO:  - Rn. 54; Duden EuZW 2016, 943).

39e) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem TV-L in seiner jeweiligen Fassung bestimmt.

40aa) Die Parteien haben arbeitsvertraglich die Geltung des BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge vereinbart und den Kläger in VergGr. IVb eingereiht. Damit haben sie eine dynamische Vergütung auf die Vorschriften des BAT vereinbart (vgl.  - Rn. 13), die nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die den BAT ersetzenden Tarifverträge erfasst (im Einzelnen  -, seither st. Rspr.).

41bb) Dem steht nicht entgegen, dass sich das Arbeitsverhältnis nach § 1 Arbeitsvertrag an den BAT „anlehnen“ soll. Dies stellt keine Einschränkung dar, sondern ist dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur an den genannten Tarifverträgen ausrichtet ( - Rn. 16; - 4 AZR 127/09 - Rn. 38).

42cc) Wegen der Aufspaltung der bis zum gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Ländern ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des Klägers maßgebend sein soll; es ist zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten ( - Rn. 25 f.). Die Nachtragsvereinbarung vom bestätigt, dass dies der TV-L und nicht der TVöD in einer seiner Fassungen ist. Wenn dort im zweiten Absatz von „deklaratorisch“ die Rede ist, bedeutet dies nicht „unverbindlich“, sondern hält in Zusammenschau mit dem ersten Absatz gleichsam als Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung fest, dass das Arbeitsverhältnis - und insbesondere auch das Entgelt - sich nunmehr nach dem TV-L richten soll. Dementsprechend hat die Beklagte den Kläger unstreitig bis zur Entgeltkürzung nach dem TV-L vergütet. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf dem Niveau des (letzten) Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT vom ist weder erfolgt, noch hätte dies dem Interesse der Beklagten entsprochen. Sie hätte befürchten müssen, den Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 GG iVm. Art. 97 BayEUG, wonach die Gehälter und Vergütungen hinter den Gehältern der Lehrkräfte an vergleichbaren öffentlichen Schulen nicht wesentlich zurückbleiben dürfen, nicht mehr gerecht zu werden (zu den Folgen  - BAGE 152, 228).

43dd) Dass dem Berufungsgericht bei der Berechnung der Entgeltdifferenzen Fehler unterlaufen sind, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

44f) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

453. Der Kläger hat für das gezahlte Arbeitsentgelt Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 Abs. 1 GewO.

46a) Der Abrechnungsanspruch ist klagbar. Denn die Beklagte hat im insoweit in die Revisionsinstanz gelangten Streitzeitraum Mai 2010 bis Dezember 2012 Vergütung an den Kläger gezahlt, ihm aber nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Abrechnungen erteilt (vgl.  - Rn. 34 ff., BAGE 154, 8; - 1 AZR 130/14 - Rn. 29).

47b) § 108 GewO ist Bestandteil des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren deutschen Rechts. Die Verpflichtung zur Abrechnung trifft jeden im Inland tätigen Arbeitgeber, unabhängig davon, ob er ein privater oder öffentlicher ist. Die Republik Griechenland ist entgegen der nicht näher begründeten Auffassung der Revision davon nicht ausgenommen.

48c) Der Abrechnungsanspruch besteht für alle Monate, für die die Beklagte Arbeitsentgelt gezahlt hat. Zwar entfällt nach § 108 Abs. 2 GewO die Pflicht des Arbeitgebers zur Abrechnung, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben. Doch begründet die Norm eine Einwendung des Arbeitgebers. Eine solche hat die Beklagte nicht erhoben und nicht dargetan, für welche Monate des Streitzeitraums ihre Verpflichtung zur Abrechnung nach § 108 Abs. 2 GewO entfallen sein könnte.

494. Gegen die auf § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG beruhende Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall, dass sie der Verpflichtung zur Erteilung von Abrechnungen nicht nachkommt, hat die Revision keine Angriffe erhoben. Sie ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG  - zu II 2 a der Gründe, BAGE 111, 302).

50IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:260417.U.5AZR962.13.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1908 Nr. 33
DB 2017 S. 6 Nr. 32
RIW 2017 S. 611 Nr. 9
UAAAG-52295