BFH Urteil v. - I R 81/15 BStBl 2017 II S. 1071

Gewerbesteuerpflicht einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft vor ihrer Eintragung ins Handelsregister

Leitsatz

Eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft unterliegt vor ihrer Eintragung in das Handelsregister (sog. Vorgesellschaft) der Gewerbesteuer, wenn sie in dem Zeitraum zwischen Gründung und Handelsregistereintragung (vermögensverwaltende) Tätigkeiten entfaltet, die über den Kreis bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgehen.

Gesetze: § 2 Abs 1 GewStG 2002, § 2 Abs 2 S 1 GewStG 2002, § 15 Abs 2 EStG 2009, § 11 Abs 1 GmbHG, GewStG VZ 2010, EStG VZ 2010

Instanzenzug: Az: 10 K 2178/12 Urteil,

Tatbestand

I.

1Streitig ist der Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht im Jahre 2010 (Streitjahr).

2Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, die eigenes Vermögen (auch Immobilien) verwaltet, wurde mit notariellem Vertrag vom Dezember 2010 errichtet (Sachgründung) und am XX. Januar 2011 im Handelsregister eingetragen. Die beiden zu jeweils 50 % beteiligten Gesellschafter (AY und ZY) hatten ihre Geschäftsanteile an der M-GmbH, an der sie ebenfalls zu je 50 % beteiligt waren, im Wege des Anteilstauschs zu Buchwerten gemäß § 21 des Umwandlungssteuergesetzes eingebracht. In der Gesellschafterversammlung der M-GmbH vom hat die Klägerin als Gesellschafterin eine Gewinnausschüttung in Höhe von insgesamt ... € beschlossen. Nach Abzug der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags wurde der Klägerin am auf einem Bankkonto ein Betrag in Höhe von ... € gutgeschrieben.

3Die Ausschüttung wurde wie folgt verwendet: Aufgrund mündlicher Vereinbarungen vom (jeweils schriftlich bestätigt am ) gewährte die Klägerin ihren Gesellschaftern Darlehen zur Immobilienfinanzierung (Umschuldung) von ... € (Überweisung am ). Darüber hinaus wurde aufgrund mündlicher Vereinbarung vom (ebenfalls schriftlich bestätigt am ) einer derselben Firmengruppe angehörenden Y GmbH & Co. KG ein Darlehen in Höhe von ... € gewährt (Auszahlung am ). Nach den schriftlichen Verträgen vom werden die Gesellschafterdarlehen mit jeweils 2,75 % p.a. verzinst, das Darlehen an die Y GmbH & Co. KG mit 3,5 % p.a. Die Darlehen können von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Regelmäßige Tilgungsleistungen waren nicht bestimmt, lediglich Sondertilgungen konnten jederzeit geleistet werden. Im Jahr 2011 wurden weitere Gesellschafterdarlehen zur Finanzierung von Immobilien an AY in Höhe von ... € und an ZY in Höhe von ... € sowie an die Mutter der Gesellschafter in Höhe von ... € gewährt. Der Stand der Gesellschafterdarlehen belief sich laut Bilanz zum auf rund ... € und zum auf rund ... €. Im Streitjahr fielen (abgesehen von der Zahlung von Kontoführungsgebühren und Notariatskosten) keine weiteren Geschäftstätigkeiten der Klägerin an.

4Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung der Gewinnausschüttungen fest. Das Finanzgericht (FG) hat die Festsetzung aufgehoben (, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2016, 1184).

5Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6Die Klägerin ist im Verfahren nicht i.S. § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vertreten.

Gründe

II.

7Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin für das Streitjahr zu Unrecht verneint.

81. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Klägerin (§ 2 Abs. 1 Satz 1, 2 und Abs. 2 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) bestand bereits in dem Zeitpunkt, in dem sie die Gewinnausschüttung erzielte, und damit im Streitjahr.

9a) Obwohl eine GmbH "als solche" erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--), unterliegt bereits die Vorgesellschaft, d.h. die Kapitalgesellschaft nach Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages, aber vor Eintragung (z.B. , BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073; vom I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352; , BFHE 228, 519, BStBl II 2010, 991), der Gewerbesteuer, vorausgesetzt, dass die Registereintragung nachfolgt und die Vorgesellschaft eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen hat (so , BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319; dem folgend , BFHE 122, 130, BStBl II 1977, 561; in BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073; s.a. R 2.5 Abs. 2 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 --GewStR--). Die nach außen tätig gewordene Vorgesellschaft bildet mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand (BFH-Urteil in BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319; Senatsurteil in BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073; zustimmend z.B. Blümich/Drüen, § 2 GewStG Rz 241; Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 3084; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 2 Rz 470; Behrens/Braun, Betriebs-Berater --BB-- 2013, 926, 929; s.a. zur Körperschaftsteuer das Senatsurteil in BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352, und z.B. Martini, Der persönliche Körperschaftsteuertatbestand, 2016, S. 120 ff.).

10b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb "stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften". Da die sachliche Steuerpflicht der Klägerin als Kapitalgesellschaft (nach der Handelsregistereintragung) damit die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit umfasst, auch wenn die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) nicht vorliegen, muss dies mit Blick auf den einheitlichen Steuergegenstand auch für eine geschäftliche Tätigkeit der Vorgesellschaft gelten (allgemein auf "Geschäftshandlungen" bzw. "Geschäftstätigkeit" abzielend auch Renner in Bergemann/Wingler, GewStG, § 2 Rz 183; Deloitte/Schumann, GewStG, § 2 Rz 323; Pohl in Hidien/Pohl/Schnitter, Gewerbesteuer, 15. Aufl., S. 416; wohl auch Behrens/Braun, BB 2013, 926, 929 [mit Verweis auf R 2.5 Abs. 2 Satz 3 GewStR]). Entgegen der Ansicht des FG müssen die Voraussetzungen einer "originär" gewerblichen Tätigkeit nicht vorliegen. Soweit aus dem Senatsurteil in BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073, nach dem eine Tätigkeit "als geschäftlich anzusehen ist, wenn der Steuerpflichtige ihr nachhaltig, mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nachgeht", abgeleitet worden ist, dass eine Vorgesellschaft stets die Voraussetzungen einer originär gewerblichen Tätigkeit erfüllt, hält der Senat hieran nicht fest. Allerdings liegt eine die sachliche Steuerpflicht auslösende geschäftliche Tätigkeit nicht schon in solchen Tätigkeiten, die von der Vorgesellschaft entfaltet werden, um die in Gang gesetzte Gründung der juristischen Person abzuschließen. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft stehen, sind als Vorbereitungshandlungen anzusehen (s. insoweit die ebenfalls die Entscheidung tragende Überlegung im Senatsurteil in BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073, dort zu Rz 29 des juris-Nachweises), die nach allgemeinen Grundsätzen für den gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstand (s. zuletzt --bezogen auf eine Personengesellschaft-- , BFHE 255, 65) noch nicht relevant sind, sondern vielmehr nur die steuerrelevante Tätigkeit ermöglichen (in diese Richtung ebenfalls Keß in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 3083; M. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 2 GewStG Rz 140; Pohl in Hidien/Pohl/Schnitter, a.a.O., S. 416). Insoweit hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073 weder in der Einzahlung des Stammkapitals durch die Gründer auf ein für die dortige Klägerin eingerichtetes Bankkonto noch in der verzinslichen Anlage des Stammkapitals bis zu ihrer Eintragung ins Handelsregister eine (nachhaltige) geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft angenommen. Daran ist festzuhalten.

11c) Im Streitfall ging die Tätigkeit der Klägerin über diesen gründungsbezogenen Zusammenhang, der durch die Annahme und --entsprechend der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG)-- die Sicherung bzw. wirtschaftliche Anlage der Gesellschaftereinlage gekennzeichnet ist, hinaus, so dass die Gewerbesteuerpflicht schon vor der Handelsregistereintragung eingesetzt hat.

12aa) Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin als Gesellschafterin der M-GmbH einen Ausschüttungsbeschluss gefasst und anschließend die hierdurch erlangten Mittel im Darlehenswege an ihre Gesellschafter und nahestehende Personen ausgereicht. Indem die Klägerin ihre durch Sachgründung erlangte Gesellschafterstellung bei der M-GmbH zum Zwecke der Ausschüttung und damit zur Liquiditätsverschaffung genutzt hat, hat sie --auch gegenüber Außenstehenden-- eine ihrem Geschäftszweck (dem Halten und Verwalten eigenen Vermögens) entsprechende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen (gl.A. Linkermann, EFG 2016, 1190, 1191). Der Ausschüttungsbeschluss überschreitet das Gründungsstadium der Klägerin und stellt sich auch nicht als einlagesichernde Maßnahme dar; er ist vielmehr Ausgangspunkt für die weitere satzungsmäßige Tätigkeit der Klägerin (Darlehensvergabe), mag sie sich auch tatsächlich auf Gesellschafter und nahestehende Personen beschränkt haben.

13bb) Entgegen der Ansicht des FG wird hierdurch der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer rein vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft nicht generell vorverlagert. Geboten ist allerdings die Unterscheidung, ob die vermögensverwaltenden Tätigkeiten durch die Gesellschaftsgründung veranlasst sind oder mit ihnen geschäftliche Tätigkeiten gegenüber Dritten aufgenommen wurden.

142. Die Höhe der Festsetzung ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit, so dass weitere Ausführungen in diesem Zusammenhang nicht erforderlich sind.

153. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:U.240117.IR81.15.0

Fundstelle(n):
BStBl 2017 II Seite 1071
BB 2017 S. 1685 Nr. 30
BBK-Kurznachricht Nr. 18/2017 S. 849
BFH/NV 2017 S. 1267 Nr. 9
BFH/PR 2017 S. 330 Nr. 10
BStBl II 2017 S. 1071 Nr. 22
DB 2017 S. 1627 Nr. 29
DStR 2017 S. 1591 Nr. 29
EStB 2017 S. 303 Nr. 8
FR 2017 S. 1027 Nr. 21
GmbH-StB 2017 S. 274 Nr. 9
GmbHR 2017 S. 988 Nr. 18
HFR 2017 S. 840 Nr. 9
KSR direkt 2017 S. 7 Nr. 9
KÖSDI 2017 S. 20391 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2017 S. 2245
StB 2017 S. 244 Nr. 9
ZIP 2017 S. 2099 Nr. 44
GAAAG-50619