BGH Beschluss v. - VII ZB 3/17

Gehörsverletzung: Nichtberücksichtigung der in der Berufungsschrift enthaltenen Berufungsbegründung

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 511 ZPO, §§ 511ff ZPO, § 520 ZPO

Instanzenzug: LG Stade Az: 4 S 72/16vorgehend AG Stade Az: 66 C 934/15

Gründe

I.

1Die Klägerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung mangels Begründung.

2Die Klägerin begehrt Werklohn für Reparaturarbeiten. Das Urteil des Amtsgerichts, mit dem ihre Klage (teilweise) in der Hauptsache in Höhe von 666,40 € abgewiesen worden ist, ist ihr am zugestellt worden. Mit am beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Berufung eingelegt, die Berufungsanträge, mit der sie ihre erst-instanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt, angekündigt sowie diese begründet.

3Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit dem angefochtenen Beschluss am als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel bis zum Ablauf des nicht begründet und damit nicht in zulässiger Weise eingelegt worden sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses begehrt.

II.

4Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

51. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und wirkungsvollen Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt.

6Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zutreffend rügt, einen wesentlichen Teil des Inhalts des Schriftsatzes der Klägerin vom , nämlich die Begründung ihrer Berufung, nicht zur Kenntnis genommen und deshalb übersehen, dass die Klägerin mit diesem Schriftsatz die Berufung nicht nur eingelegt, sondern zugleich begründet hatte. Damit hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG wesentlichen entscheidungserheblichen Vortrag übergangen. Ein weiterer Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt darin, dass das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss verworfen hat, ohne dass es der Klägerin zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dies hätte der Klägerin ermöglicht, auf den Inhalt ihrer Berufungsschrift hinzuweisen.

72. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der Berufungsschrift hat die Klägerin ihre Berufung ausreichend begründet.

III.

8Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. Das Berufungsgericht wird sich - vorbehaltlich der Prüfung weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen - mit der Begründetheit der Berufung zu beschäftigen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:290317BVIIZB3.17.0

Fundstelle(n):
FAAAG-49715