BGH Beschluss v. - 4 StR 547/16

Beantwortung einer Divergenzvorlage: Zulässigkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

Leitsatz

Im Fall einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht deshalb unwirksam, weil sich die Feststellungen in dem angegriffenen Urteil darin erschöpfen, dass der Angeklagte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit auf einer öffentlichen Straße ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug geführt hat, ohne die erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen und er insoweit wissentlich gehandelt hat.

Gesetze: § 21 Abs 1 Nr 1 StVG, § 316 Abs 1 StPO, § 318 S 1 StPO, § 327 StPO, § 121 Abs 2 Nr 1 GVG

Instanzenzug: Az: 1 OLG 8 Ss 173/16 Beschluss

Gründe

I.

1Das Amtsgericht Schwabach hat den umfassend geständigen Angeklagten am wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt. Die Feststellungen zur Sache lauten wie folgt:

2Der Angeklagte fuhr am gegen 14.21 Uhr mit dem Pkw Opel mit dem amtlichen Kennzeichen       auf der W.       Straße in S.     , obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Dies wusste der Angeklagte.

3Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft eine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung eingelegt. Der Angeklagte hat seine zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

4Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat beide Berufungen als unbegründet verworfen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Beschränkungen auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam und deshalb der Schuldspruch und die ihn tragenden Feststellungen einer Nachprüfung entzogen seien. Der Strafausspruch weise keinen Rechtsfehler auf.

5Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

6Das Oberlandesgericht Nürnberg möchte die Revision des Angeklagten wie beantragt verwerfen, sieht sich daran aber durch Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bamberg (Urteil vom – Az. 3 Ss 36/13) und München (Beschluss vom – 4 StRR 97/12 und Urteil vom – 4 StRR 202/07) gehindert. Beide Oberlandesgerichte meinen, dass nach einer amtsgerichtlichen Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG eine Berufung nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden könne, wenn das Amtsgericht zu der fraglichen Fahrt keine Feststellungen getroffen habe, die über Ort und Zeit der Fahrt, die Identität des Fahrzeugs, das Nichtvorhandensein der benötigten Fahrerlaubnis und ein hierauf bezogenes Wissen des Angeklagten hinausgingen. Der Tatrichter habe wegen der Bedeutung für die Rechtsfolgen grundsätzlich auch Feststellungen zu den Beweggründen der Fahrt und deren Gegebenheiten (Dauer und Länge, beabsichtigte Fahrstrecke, Verkehrsbedeutung der Straße, herbeigeführte Gefahren u.a.) zu treffen, wenn ihm dies – etwa bei einem geständigen Angeklagten – (ohne weiteres) möglich sei. Denn den Schuldspruch beträfen nicht nur die zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale erforderlichen Feststellungen, sondern auch die Tatsachen, die nur den Schuldumfang beschreiben, ohne für die rechtliche Bewertung der Tat selbst unmittelbar von Bedeutung zu sein. Erkenne das Berufungsgericht darin zugleich erhebliche Strafzumessungsgesichtspunkte (sog. doppelrelevante Tatsachen), müsse es nach einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch die dazu getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde legen. Fehlten dahingehende Feststellungen, dürfe der Berufungsrichter die Lücke nicht durch ergänzende Aufklärung schließen. Ihm bleibe nur die Möglichkeit, die Schuldfeststellungen umfassend neu zu treffen.

7Das Oberlandesgericht Nürnberg hält die Rechtsansicht der Oberlandesgerichte Bamberg und München für unzutreffend. Für die Frage, ob eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam sei, komme es nicht darauf an, ob das Erstgericht in Bezug auf die Strafzumessung seiner Aufklärungspflicht nachgekommen sei. Bei einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beträfen Feststellungen, die über Ort und Zeit der Fahrt, Marke und Kennzeichen des Fahrzeugs, das Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und den zugehörigen Vorsatz hinausgehen, nur den Schuldumfang und damit die Strafzumessung. Sie könnten von dem Berufungsgericht auch dann noch nachgeholt werden, wenn die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden sei. Bei Widersprüchen zwischen in erster Instanz getroffenen Feststellungen zur Schuldfrage und denjenigen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Schuldumfang, sei es möglich, den Feststellungen der ersten Instanz den Vorrang zu geben und die widersprechenden Feststellungen für unzulässig zu halten. Auch wäre es möglich, eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch solange für zulässig zu halten, wie keine widersprechenden neuen Feststellungen getroffen worden seien.

8Bei der Frage, ob eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist, wenn keine näheren Umstände zu einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis festgestellt sind, handele es sich um eine Rechtsfrage im Sinne des § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG.

9Das Oberlandesgericht Nürnberg hat daher dem Bundesgerichtshof folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Kann ein Angeklagter seine Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, wenn er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist (§ 21 Absatz 1 Nummer 1 StVG) und sich die Feststellungen darin erschöpfen, dass er wissentlich an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein Fahrzeug bestimmter Marke und mit einem bestimmten Kennzeichen geführt habe, ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis zu besitzen?

10Der Generalbundesanwalt hat beantragt, im Sinne des vorlegenden Oberlandesgerichts Nürnberg zu entscheiden.

II.

11Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG sind gegeben.

121. Die beabsichtigte Abweichung betrifft eine Rechts- und keine Tatfrage.

13Eine Vorlage zum Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG ist nur zulässig, wenn das vorlegende Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung in einer Rechtsfrage (vgl. § 337 StPO) von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will (st. Rspr. seit , BGHSt 1, 358; Nachweise bei Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 121 GVG Rn. 5). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die sich auf die Auslegung einer Rechtsnorm (vgl. , BGHSt 60, 218, 221; Beschluss vom – 4 StR 548/10, BGHSt 56, 289, 292) oder auf die Formulierung von allgemeinen rechtlichen Grundsätzen und Anforderungen bezieht, deren Geltung sich aus einer Rechtsnorm oder einem Normgefüge ableitet und über die im Revisionsrechtszug bei der Nachprüfung des für die Entscheidung maßgebenden Rechts mit zu entscheiden wäre. Ihre Beantwortung ist – anders als bei bloßen Tatfragen – vom Einzelfall unabhängig und fällt nicht in den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum (vgl. , BGHSt 52, 84, 86 ff.; Beschluss vom – 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277, 280 f.).

14Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Vorlegungsfrage erfüllt. Das vorlegende Oberlandesgericht will bei gleicher Sachlage nicht den Grundsätzen folgen, die die Oberlandesgerichte Bamberg und München für die Beurteilung der Wirksamkeit von Berufungsbeschränkungen auf den Rechtsfolgenausspruch in Fällen der Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis entwickelt haben. Dabei geht es um die Frage, welchen sachlich-rechtlichen Anforderungen die Feststellungen zum Tatgeschehen in einem amtsrichterlichen Urteil wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unabhängig vom Einzelfall genügen müssen, damit eine nach § 318 Satz 1 StPO erklärte Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist und gemäß § 316 Abs. 1, § 327 StPO zu der angestrebten Beschränkung der Kognitionspflicht des Berufungsgerichts führt, deren Beachtung das Revisionsgericht auf die – hier erhobene – Sachrüge hin zu überprüfen hat.

152. Die vorgelegte Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich. Das Oberlandesgericht Nürnberg kann die Revision des Angeklagten nicht wie beabsichtigt als unbegründet verwerfen, ohne von der Rechtsansicht der Oberlandesgerichte Bamberg und München abzuweichen.

III.

16Der Senat entscheidet im Sinne des vorlegenden Oberlandesgerichts Nürnberg und hat die Vorlegungsfrage, wie aus der Beschlussformel ersichtlich, beantwortet. Dabei hat der Senat bedacht, dass sich die zu beantwortende Rechtsfrage nicht nur bei Berufungen des Angeklagten stellt. Auch kommt es hinsichtlich der Bezeichnung des verwendeten Kraftfahrzeuges nicht darauf an, dass dies anhand von Marke und Kennzeichen näher beschrieben wird.

171. Wie die Revision (§ 344 Abs. 2 StPO) kann auch die Berufung auf „bestimmte Beschwerdepunkte“ beschränkt werden (§ 318 Satz 1 StPO). Damit hat der Gesetzgeber den Rechtsmittelberechtigten eine prozessuale Gestaltungsmacht eingeräumt, deren Ausübung im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren ist (vgl. , BGHSt 47, 32, 38; Beschluss vom – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 364; Urteil vom – 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 36).

18a) Die Berufungsbeschränkung bewirkt, dass der vom Berufungsangriff ausgenommene Teil des Ersturteils nach § 316 Abs. 1 StPO unabänderlich (teilrechtskräftig) und nur noch der angefochtene Teil dem Berufungsgericht zu erneuter tatrichterlicher Kognition und Entscheidung unterbreitet wird (§ 327 StPO). Über den durch den Eröffnungsbeschluss definierten Prozessgegenstand wird danach nicht mehr in einem, sondern in zwei tatrichterlichen Urteilen entschieden, die stufenweise nacheinander ergehen und sich zu einer einheitlichen, das Verfahren abschließenden Sachentscheidung zusammenfügen (vgl. , BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 187 f.). Da diese aus zwei Erkenntnissen zusammengefügte Entscheidung nur dann als ein einheitliches Ganzes gelten kann, wenn sie keine Widersprüche aufweist, hat das Berufungsgericht bei seiner Neufeststellung und Beurteilung des angefochtenen Teils der Vorentscheidung die für deren nicht angegriffenen Teil bedeutsamen Tatsachen – so wie in der Vorinstanz festgestellt – zugrunde zu legen. Neue Feststellungen darf es nur insoweit treffen, als diese hierzu nicht in Widerspruch treten (vgl. AnwSt (R) 4/12, NStZ-RR 2013, 91; Beschluss vom – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.; Beschluss vom – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 188; Beschluss vom – 4 StR 524/56, BGHSt 10, 71, 72 f.; Urteil vom – 4 StR 68/55, BGHSt 7, 283, 286 f.; RG, Urteil vom – V 79/09, RGSt 42, 241, 242 ff.; vgl. dazu auch , NStZ 2015, 182, 183 mwN [zur Bindungswirkung bei einer Teilaufhebung gemäß § 353 Abs. 2 StPO]; Frisch in: SK-StPO, 5. Aufl., vor §§ 296 ff. Rn. 288 f. mwN).

19Dies zugrunde gelegt, sind Berufungsbeschränkungen nicht uneingeschränkt zulässig. Sie setzen nicht nur voraus, dass der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde Entscheidungsteil losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 24, 185, 187 f.; Beschluss vom – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48; vgl. auch Urteil vom – 5 StR 183/16, Rn. 6; Beschluss vom – 4 StR 334/15, NStZ 2016, 105; und Urteil vom – 2 StR 572/53, BGHSt 5, 252 f. [jeweils zu § 344 Abs. 1 StPO]), sondern erfordern auch, dass der nicht angegriffene Teil der Vorentscheidung so festgestellt und bewertet ist, dass er – unabänderlich und damit bindend geworden – eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts zu bieten vermag (vgl. , BGHR StPO § 318 Strafausspruch 1; Urteil vom – AnwSt (R) 11/84, BGHSt 33, 59; 4 St RR 47/2003, NStZ-RR 2003, 310; vgl. auch , BGHSt 43, 293, 300; Beschluss vom – 3 StR 334/93, NStZ 1994, 130 [jeweils zu § 344 Abs. 1 StPO]). Verbindungen mit dem sachlichen Recht bestehen dabei nur insoweit, als die sich stellenden Fragen (isolierte Überprüfbarkeit des angefochtenen Entscheidungsteils; belastbare Feststellung und Bewertung des nicht angegriffenen Teils der Vorentscheidung) auch in Ansehung der sachlich-rechtlichen Ausgangslage beantwortet werden müssen (vgl. RG, Urteil vom – 4 D 981/34, RGSt 69, 110, 111 f. mwN).

20b) Die Rechtsprechung hält in Anwendung dieser Grundsätze eine Beschränkung von Berufung und Revision auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich für zulässig (st. Rspr.; vgl. , StV 2017, 314, 315; Beschluss vom – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48; RG, Urteil vom – III 151/31, RGSt 65, 296, 297; weitere Nachweise bei Paul in: KK-StPO, 7. Aufl., § 318 Rn. 7 und Hettinger, JZ 1987, 386, 388 ff.). Sie versagt ihr eine Anerkennung nur dann, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen (vgl. , StV 2017, 314, 315; Urteil vom – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293, 300; Beschluss vom – 3 StR 334/93, NStZ 1994, 130 [jeweils zu § 344 Abs. 1 StPO]; Urteil vom – 2 StR 166/88, BGHR StPO § 318 Strafausspruch 1; Urteil vom – AnwSt (R) 11/84, BGHSt 33, 59) oder unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2014, 635; Urteil vom – 1 StR 318/12, wistra 2013, 463, 469 mwN).

212. Daran gemessen kann bei einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung die Wirksamkeit nicht deshalb abgesprochen werden, weil das angegriffene Urteil lediglich Feststellungen zu Tatzeit und Tatort, zu dem verwendeten Kraftfahrzeug sowie zum Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und zu einem wissentlichen Handeln des Angeklagten enthält.

22a) Das Berufungsgericht ist bei dieser Sachlage unter keinem verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt daran gehindert, – soweit erforderlich – eigene Feststellungen zu den Beweggründen der Fahrt und deren Gegebenheiten (Dauer und Länge, beabsichtigte Fahrstrecke, Verkehrsbedeutung der Straße, herbeigeführte Gefahren u.a.) zu treffen und dadurch den für die Rechtsfolgenentscheidung maßgebenden Schuldumfang näher zu bestimmen. Es hat dabei lediglich zu beachten, dass die von ihm getroffenen weiteren Feststellungen nicht in Widerspruch zu den Feststellungen stehen dürfen, die das Erstgericht zum Schuldspruch schon getroffen hat. Dass diese weiteren Feststellungen, wären sie bereits vom Amtsgericht getroffen worden, als sog. umgebende Feststellungen noch zum Unterbau des Schuldspruchs und damit zu dem vom Rechtsmittelangriff ausgenommenen, nach § 316 Abs. 1 StPO unabänderlich (teilrechtskräftig) gewordenen Teil des Ersturteils gezählt hätten (vgl. AnwSt (R) 4/12, NStZ-RR 2013, 91; 4 St RR 118/93, BayObLGSt 1993, 135 f.; Frisch in: SK-StPO, 5. Aufl., vor §§ 296 ff. Rn. 290 mwN; siehe dazu auch , NStZ 2015, 182, 183; Beschluss vom – 3 StR 124/02, bei Becker, NStZ-RR 2003, 97, 101; Beschluss vom – 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260; Beschluss vom – 2 StR 245/87, NStZ 1988, 88; Urteil vom – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 344 f.; Ernemann in: Festschrift für Meyer-Goßner, 2001, S. 619, 620 f., jeweils zum Umfang der Bindungswirkung bei einer Urteilsaufhebung im Strafausspruch gemäß § 353 Abs. 2 StPO), steht ihrer Nachholung nicht entgegen (im Ergebnis ebenso , NZV 2013, 411, 412 mit Anm. Sandherr; König in: Festschrift für von Heintschel-Heinegg, 2015, S. 257, 260 ff.). Maßgeblich ist allein, dass sich der Schuldspruch aus dem insoweit nicht angegriffenen Ersturteil mit den für ihn bedeutsamen Feststellungen und der Rechtsfolgenausspruch des Berufungsgerichts mit den hierzu getroffenen weiteren Feststellungen zu einem einheitlichen (widerspruchsfreien), das Verfahren abschließenden Erkenntnis zusammenfügen. Dafür ist es aber ohne Belang, ob es schon dem Erstrichter möglich gewesen wäre, weitere Feststellungen zum tatsächlichen Unterbau des Schuldspruchs zu treffen und dadurch den das Berufungsgericht bindenden Verfahrensstoff zu vergrößern. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob ihn seine tatrichterliche Kognitionspflicht dazu gedrängt hat.

23b) Die in der Entscheidungsformel bezeichneten Feststellungen zum Schuldspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG bieten eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts. Da alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands mit Tatsachen unterlegt sind, besteht auch keine relevante Lücke. Es besteht auch kein Zweifel daran, welcher geschichtliche Vorgang dem Schuldspruch zugrunde liegt. Soweit das Berufungsgericht für die nähere Bestimmung des Schuldumfangs ergänzende Feststellungen zu einzelnen Tatumständen für erforderlich hält, kann es die Bindungswirkung der bereits getroffenen Feststellungen eindeutig beurteilen und bei seinen ergänzenden Erhebungen das Widerspruchsverbot zuverlässig wahren.

24Im Ergebnis besteht daher kein aus der Verfahrenslage ableitbarer Grund, einer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch die Anerkennung zu verweigern, wenn in dem Ersturteil Feststellungen zum Schuldspruch getroffen sind, die der Beschlussformel entsprechen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:270417B4STR547.16.0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 2482 Nr. 34
JAAAG-48960