BGH Urteil v. - IX ZR 189/16

Insolvenzanfechtung einer unentgeltlichen Leistung des Schuldners: Unentgeltlichkeit der Zahlung einer Kommanditgesellschaft an ihren Kommanditisten auf Grundlage eines gewinnunabhängigen Zahlungsversprechens im Gesellschaftsvertrag

Leitsatz

Die Zahlung einer Kommanditgesellschaft an ihren Kommanditisten, der ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen im Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt, ist nicht schon deswegen unentgeltlich, weil die Zahlung nicht durch Gewinne der Kommanditgesellschaft gedeckt ist.

Gesetze: § 134 Abs 1 InsO, § 169 Abs 1 HGB

Instanzenzug: LG Heilbronn Az: Bö 7 S 21/15vorgehend AG Vaihingen Az: 1 C 517/14nachgehend Az: IX ZR 189/16 Beschluss

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Z. GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG (nachfolgend: Schuldnerin), einer Publikums-KG, an der sich der Beklagte als Kommanditist mit einer in das Handelsregister eingetragenen Hafteinlage von 20.000 € beteiligte.

2§ 18.6 des Gesellschaftsvertrages lautet: "Für die Geschäftsjahre 2004 bis einschließlich 2008 erhalten die Kommanditisten vorab eine garantierte Verzinsung auf die von ihnen geleistete Kommanditeinlage i.H.v. 6 v.H. per anno für den Zeitraum vom Tage der Wertstellung der Einlage auf dem Konto der Gesellschaft bis zum jeweiligen Ende des Geschäftsjahres, zahlbar bis jeweils Ende des 3. Monats des Folgejahres. Es wird auf den Zinsgarantievertrag verwiesen. Die Verzinsung wird auf das Ergebnis angerechnet."

3Im Geschäftsjahr 2007 erzielte die Schuldnerin keine Gewinne. Am zahlte die Schuldnerin an den Beklagten einen als Garantieausschüttung für das Jahr 2007 bezeichneten Betrag von 1.200 €. Die auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

4Die Revision ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil die Zahlung an den Beklagten keine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO sei. Es handele sich nicht um die Zahlung eines Scheingewinns, sondern um eine in § 18.6 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene, gewinnunabhängige Ausschüttung, für die sich die Frage nach einem der Zahlung ausgleichenden Gewinn nicht stelle. Hieran ändere auch die vereinbarte Anrechnung auf etwaige Gewinne nichts, eine Rückzahlung bei ausbleibenden Gewinnen sei gerade nicht vereinbart. Unentgeltlichkeit liege auch nicht deswegen vor, weil die Auszahlung der Sache nach eine Rückgewähr der Einlage bilde; andernfalls würden - jedenfalls wenn ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung bestände - die Regelungen der §§ 171, 172 HGB unterlaufen.

II.

6Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen mit Recht angenommen, dass die Leistung an den Beklagten nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte.

71. Unentgeltlich ist eine Leistung im hier gegebenen Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (vgl. , BGHZ 204, 231; vom - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 20 f). Zahlungen, mit denen eine Kommanditgesellschaft den Anspruch auf Rückgewähr einer Einlage oder auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens erfüllt, sind keine unentgeltlichen Leistungen (vgl. , ZIP 2010, 1455 Rn. 11; vom - IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rn. 9). Auszahlungen von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen können demgegenüber unbeschadet eines ordnungsgemäßen Zustandekommens des Gewinnverwendungsbeschlusses als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden ( aaO; vom , aaO). Erhält ein Anleger in derartigen Fällen Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage erfolgen, so sind diese nur gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um die Auszahlung auf Scheingewinne geht. Die Rückzahlung der Einlage stellt in diesen Fällen regelmäßig den Gegenwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar ( aaO).

82. Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Unentgeltlichkeit der Leistung an den Beklagten verneint.

9a) Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (, NJW 2013, 2278 Rn. 9 mwN). Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne gedeckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierter Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen (BGH aaO). Sie sind entgeltlich, wenn sie die Gegenleistung für die Pflichteinlage darstellen. So verhält es sich hier.

10aa) Der Gesellschaftsvertrag gewährt hier den Kommanditisten für ihre tatsächlich geleistete Einlage einen Anspruch auf eine gewinnunabhängige Ausschüttung. Dies kann der Senat selbst feststellen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund auszulegen sind (st. Rspr.; vgl. nur , NZG 2011, 1142 Rn. 11; vom - II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rn. 13). Zwar ist § 18 des Gesellschaftsvertrags mit "Ergebnisverteilung" überschrieben. Aber nach dem insoweit klaren Wortlaut der Regelung in § 18.6 wird den Kommanditisten eine Verzinsung mit einem festen, gewinnunabhängigen Zinssatz garantiert. Dass diese Zinszahlungen auf etwaige Gewinne angerechnet werden, lässt die Verpflichtung zu deren Zahlung nicht für den Fall entfallen, dass Gewinne tatsächlich nicht erwirtschaftet werden. Entgegen dem Revisionsvorbringen kann sich anderes weder aus dem nur auszugsweise vorgelegten Anlageprospekt (Anlage K 20) noch aus dem sogenannten Ausschüttungsgarantievertrag (Anlage K 7) ergeben. Der Prospekt spricht von "Garantieausschüttungen" und "garantierten Vorabausschüttungen" und stellt diesen "Ausschüttungen, wie in den Planzahlen offeriert", gegenüber, die sich nach dem wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft richten. Nach dem Ausschüttungsgarantievertrag (in § 18.6 des Gesellschaftsvertrags als Zinsgarantievertrag bezeichnet) hat die Juragent AG die "abstrakte Garantieerklärung" abgegeben, der Schuldnerin einen Betrag zur Begleichung der "vertraglich vereinbarten" 6 v.H. p.a. zur Verfügung zu stellen, falls die Ertragslage der Schuldnerin eine solche Zahlung ganz oder teilweise nicht zulässt.

11bb) Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kommanditisten die Auszahlungen gemäß § 18.6 des Gesellschaftsvertrags unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben. Dass der Gesellschaftsvertrag keine dahingehende Regelung enthält, steht zwar der Annahme einer gewinnabhängigen Vorabausschüttung nicht entgegen (vgl. , NJW 2014, 305 Rn. 40). Aus deren Fehlen kann aber nicht geschlossen werden, es müsse sich (deswegen) um gewinnabhängige Vorabausschüttungen handeln. Vielmehr ist ein Kommanditist, wenn an ihn auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag eine Auszahlung geleistet wurde, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert wird oder eine bereits bestehende Belastung vertieft wird, nur dann zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies hinreichend klar vorsieht (vgl. aaO Rn. 8, 10; vom - II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550 Rn. 10, 15; , juris Rn. 58; , juris Rn. 48 ff). Eine solche Regelung wird von der Revision nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

12cc) Die Vorschriften des Handelsgesetzbuches stehen einer derartigen Vertragsgestaltung nicht entgegen. Sie kennen für die Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschafter können ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten ( aaO Rn. 12; vom , aaO Rn. 10). Deswegen kann entgegen der Auffassung der Revision auch der Umstand, dass es sich bei der Zahlung an den Beklagten mangels erwirtschafteter Gewinne um die Rückgewähr von Einlagen handele, keine Unentgeltlichkeit der Leistung im Sinne von § 134 InsO begründen. Solche Zahlungen können zwar zu einer Haftung nach § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB führen. Diese Vorschriften betreffen aber ausschließlich die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis und nicht dessen Verhältnis zur Gesellschaft ( aaO; vom , aaO).

13b) Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Ausübung des Anspruchs auf Auszahlung der garantierten Zinsen zum Zeitpunkt der Zahlung vorliegend nicht durch eine Treuepflicht des Gesellschafters eingeschränkt. Auf die Senatsentscheidung vom (IX ZR 193/10, NJW 2014, 305, 310 Rn. 44) kann sich die Revision insoweit nicht berufen, als diese Vorauszahlungen auf künftig aller Voraussicht nach nicht anfallende Gewinne betrifft, die nur aus Einlagen neu beitretender Gesellschafter finanziert werden können.

143. Ob das Klagebegehren auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 171 ff HGB, § 93 InsO hätte geprüft werden müssen, bedarf keiner Entscheidung. Die Klagebegründung ist ausschließlich auf die Voraussetzungen der §§ 143, 134 InsO ausgerichtet. Das Vorliegen der Voraussetzungen der § 171 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB ist nicht schlüssig dargetan; hinreichend konkreten Vortrag, den die Vordergerichte übergangen haben, behauptet die Revision nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:200417UIXZR189.16.0

Fundstelle(n):
DB 2017 S. 1771 Nr. 31
DStR 2017 S. 1941 Nr. 36
WM 2017 S. 1312 Nr. 27
ZIP 2017 S. 1284 Nr. 27
AAAAG-48937