BFH Beschluss v. - I R 24/00

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Benennung eines Zahlungsempfängers gemäß § 160 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1977 gegründete GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer in den Streitjahren (1982 bis 1990) G war. Ihr Unternehmensgegenstand war der ”Import und Export, Kauf und Vertrieb sowie Vermietung und Leasing von ...”. Die Geschäftsleitung der Klägerin befand sich zunächst in A; seit 1990 befindet sie sich in Z.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hielt der Geschäftsführer G seit der Gründung der Klägerin zugleich die Mehrheit der Gesellschaftsanteile, zeitweilig allerdings über eine zwischengeschaltete Organträgerin, die D-GmbH, sowie über die C-GmbH. Außerdem war G von 1973 bis zum Alleingesellschafter der D-GmbH, wobei er von dem Gesamtkapital in Höhe von 3 Mio. DM einen Anteil von 2,9 Mio. DM zeitweise als Treuhänder eines anderen Unternehmens hielt. Mit Wirkung zum veräußerte er den Gesellschaftsanteil von 2,9 Mio. DM an die liechtensteinische F-AG.

Durch eine Mitteilung der Oberfinanzdirektion erhielt das seinerzeit zuständige Finanzamt A Kenntnis von folgenden Vorgängen:

Im Jahr 1973 hatte die GM-KG von der GC-KG einen Möbel- und Requisitenfundus (nachfolgend: TV-Fundus) zum Preis von 1,4 Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer erworben. Der Fundus wurde im Jahr 1974 an die D-GmbH vermietet. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GM-KG stellte das zuständige Finanzamt FA B fest, dass auf den Kaufpreis für den TV-Fundus keine Zahlungen geleistet worden waren und dass die GM-KG diesen Kaufpreis nicht hätte finanzieren können. Es nahm deshalb an, dass der Kaufpreis überhöht gewesen und durch gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen den Vertragsparteien beeinflusst sei. Demgemäß schätzte es den steuerlich anzusetzenden Preis im Einvernehmen mit der GC-KG auf 500 000 DM.

Die GM-KG wurde am im Handelsregister gelöscht. Ihre Aktiva und Passiva wurden von der G-GbR übernommen. Diese setzte den Wert des übernommenen TV-Fundus mit 98 878 DM an; dabei handelte es sich um denjenigen Wert, den das FA B im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GM-KG zum geschätzt hatte. Die G-GbR vermietete den TV-Fundus am an die Klägerin und schrieb im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für 1978 den Wert des Fundus auf 1 DM ab.

Ebenfalls am veräußerte die G-GbR ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Preis von 70 000 DM an die liechtensteinische F-AG. Bei der F-AG handelte es sich nach Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen (BfF) um eine Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. In der Zeit vom bis zum war die F-AG Mehrheitsgesellschafterin (2,9 Mio. DM von 3,0 Mio. DM) der D-GmbH gewesen, nachdem sie die Gesellschaftsanteile von G erworben hatte.

Mit Wirkung vom trat die F-AG als Erwerberin des TV-Fundus in den mit der Klägerin geschlossenen Mietvertrag ein. Der Mietzins wurde auf 69 960 DM festgesetzt, die Laufzeit des Mietvertrags auf den befristet. Nach Ablauf des Mietvertrags veräußerte die F-AG durch privatschriftlichen Vertrag vom den TV-Fundus an die Klägerin. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 1,2 Mio. DM und sollte im Wesentlichen in Raten beglichen werden, wobei die letzte Ratenzahlung nach ca. 10 Jahren zu leisten war. Im Jahr 1990 soll die Klägerin den Fundus zu einem nicht bekannten Preis an eine andere GmbH verkauft haben.

Die Klägerin machte in ihren Steuererklärungen für 1982 bis 1989 Abschreibungen für Abnutzung (AfA) auf den TV-Fundus geltend. In ihrer Gewinnermittlung für 1990 buchte sie den noch vorhandenen Restbuchwert in Höhe von 617 399 DM gewinnmindernd aus.

Im Rahmen von bei der Klägerin und der D-GmbH durchgeführten Betriebsprüfungen forderten die zuständigen Finanzämter beide Gesellschaften auf, die Geschäftsverhältnisse der F-AG offen zu legen. Nachdem diese Aufforderungen erfolglos geblieben waren, gingen das FA A und das zwischenzeitlich zuständig gewordene Finanzamt B davon aus, dass die Anteile an der F-AG von G gehalten würden und dass es sich bei den Geschäften zwischen der F-AG und der Klägerin um Scheingeschäfte handelte. Sie behandelten deshalb die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem TV-Fundus als gemäß § 160 AO 1977 nicht abziehbare Betriebsausgaben. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin wies der nunmehr zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) mit der Begründung zurück, die Klägerin sei den Nachweis schuldig geblieben, dass es sich bei der F-AG um ein real existierendes Unternehmen gehandelt habe.

Die daraufhin erhobene Klage hat das FG abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das erstinstanzliche Urteil nicht mit Gründen versehen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

II. Die Zulässigkeit der Revision richtet sich, da die angefochtene Entscheidung vor dem zugestellt worden ist, nach den bis zum geltenden Bestimmungen (Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567). Sie ist zu verneinen, da die Klägerin den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt hat.

1. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der hier maßgeblichen Fassung (FGO a.F.) ist die —zulassungsfreie— Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil gegeben, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Diesen Revisionsgrund macht die Klägerin im Streitfall geltend.

2. Eine auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. gestützte Revision ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann zulässig, wenn der geltend gemachte Mangel in der Revisionsbegründungsschrift schlüssig gerügt wird (, BFH/NV 1999, 1106; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 116 Rz. 3, m.w.N.). Hierzu ist der Vortrag von Tatsachen erforderlich, die —ihre Richtigkeit unterstellt— den Mangel ergeben (, BFH/NV 2000, 464).

3. Im Streitfall fehlt es an einer solchen schlüssigen Rüge. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich kein Fehlen von Gründen i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F., sondern allenfalls, dass das FG aufgrund inhaltlich unzureichender oder unrichtiger Erwägungen entschieden hat.

a) Nach der Rechtsprechung sowohl des BFH als auch der übrigen obersten Bundesgerichte ist eine Entscheidung nicht mit Gründen versehen, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für sie maßgeblich waren (, BFH/NV 1997, 296; BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1106, m.w.N.). Das ergibt sich aus dem Zweck des Begründungszwangs, der gewährleisten soll, dass die Prozessbeteiligten über die das Urteil tragenden Erkenntnisse und Überlegungen des Gerichts unterrichtet werden (, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885; vom VIII R 70/93, BFH/NV 1997, 31; , BFH/NV 2000, 591). Die hiernach maßgebliche Erkennbarkeit der vom Gericht angestellten Überlegungen ist zum einen dann nicht gegeben, wenn entweder Entscheidungsgründe überhaupt fehlen (Senatsurteil vom I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417) oder die im Urteil niedergelegten Erwägungen inhaltslos und floskelhaft oder schlechterdings unverständlich sind (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 296; vom VII R 58/99, BFH/NV 2000, 966; vom IV R 76/99, BFH/NV 2000, 1486) sind. Zum anderen liegt ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. in denjenigen Fällen vor, in denen das FG ein selbstständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel eines Beteiligten mit Stillschweigen übergangen hat. Nicht von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. erfasst werden hingegen eine unzulängliche, rechtsfehlerhafte oder widersprüchliche Begründung (Gräber/Ruban, a.a.O.) sowie der Umstand, dass das FG nicht auf alle Erwägungen der Beteiligten ausdrücklich eingegangen ist (BFH-Beschlüsse vom VIII R 27/99, BFH/NV 2000, 968; vom VII R 60/99, BFH/NV 2000, 1121; vom I R 83/99, BFH/NV 2000, 1475).

b) Im Streitfall ist das FG ausweislich der Urteilsgründe davon ausgegangen, dass es sich bei der F-AG um eine Domizilgesellschaft gehandelt habe. Hierzu hat es sich auf Feststellungen des BfF berufen. Einer weiteren Begründung des Urteils bedurfte es in diesem Punkt nicht, zumal die Klägerin die Domizileigenschaft der F-AG nicht angezweifelt hatte.

Sodann hat das FG angenommen, dass bei einer Domizilgesellschaft im Zusammenhang mit § 160 AO 1977 die hinter der Gesellschaft stehenden Personen benannt werden müssten. Es ist dabei zwar nicht auf den Einwand der Klägerin eingegangen, dass dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung des BFH nur dann gelte, wenn die Domizilgesellschaft die entgoltenen Leistungen nicht selbst erbringen könne. Daraus kann sich aber allenfalls eine unrichtige Rechtsanwendung oder eine Verletzung des Rechts auf Gehör, nicht jedoch das Fehlen von Entscheidungsgründen ergeben. Denn jedenfalls zeigen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, dass das FG den genannten Grundsatz für im Streitfall einschlägig und deshalb die Benennung der F-AG als Zahlungsempfängerin nicht für ausreichend gehalten hat.

Schließlich ist das FG ausweislich der Urteilsgründe davon ausgegangen, dass die hiernach gebotene Benennung der hinter der F-AG stehenden Personen der Klägerin möglich und zumutbar gewesen sei. Hierzu hat es darauf abgestellt, dass G sich rechtzeitig über die internen Verhältnisse der F-AG hätte unterrichten können. Damit lagen nach Ansicht des FG alle Voraussetzungen für eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs vor. Alles in allem lässt das Urteil mithin den Gedankengang, der die Entscheidung des FG trägt, hinlänglich erkennen. Weitere Anforderungen stellt § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. nicht.

c) Mit ihrer Rüge, das FG habe sich mit den anzustellenden Ermessenserwägungen nicht hinreichend auseinandergesetzt, kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Es ist zwar richtig, dass über die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 AO 1977 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 160 Rz. 22, m.w.N.). Auch mag es zutreffen, dass im Rahmen dieser Ermessensentscheidung zu beachten ist, ob die Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben die Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet (, BFHE 77, 70, BStBl III 1963, 342, 343). Jedenfalls aber ergibt sich aus der Revisionsbegründung nicht, dass in der ersten Instanz die —im Revisionsverfahren behauptete— Existenzgefährdung angesprochen worden wäre. Angesichts dessen bestand für das FG kein Anlass, auf diesen Punkt ausdrücklich einzugehen.

4. Soweit die Klägerin die Nichtberücksichtigung bestimmter —in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgelegter— Unterlagen rügt, kann sich hieraus ebenfalls kein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. ergeben. Hierin könnte wiederum nur eine Verletzung des Rechts auf Gehör liegen, die indessen nicht mit der zulassungsfreien Revision (§ 116 FGO a.F.), sondern nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde hätte geltend gemacht werden können. Im Ergebnis ist die Revision mithin unzulässig, so dass sie durch Beschluss zurückgewiesen werden muss (§ 126 Abs. 1 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1585 Nr. 12
DAAAA-66722