BGH Beschluss v. - IX ZA 9/17

(Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Insolvenzverwalter: Prozesskostenhilfeantrag ohne Darlegung der unzumutbaren Prozessfinanzierung durch Insolvenzgläubiger)

Leitsatz

Ein Insolvenzverwalter hat die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde in der Regel nicht unverschuldet versäumt, wenn er innerhalb der Frist einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, jedoch nicht dargelegt hat, aus welchen tatsächlichen Gründen den wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubigern eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist.

Gesetze: § 116 S 1 Nr 1 ZPO, § 233 ZPO, § 544 Abs 1 S 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 19/16vorgehend LG Frankfurt Az: 2-14 O 168/15

Gründe

I.

1Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der R.                          GmbH. Er hat die Beklagte zunächst auf Rückabtretung einer Grundschuld, dann - nachdem das belastete Wohnungseigentum versteigert worden war - auf Zahlung von 243.751,12 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klage ist abgewiesen worden. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsurteil ist dem Kläger zu Händen seines Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden.

2Am hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Dem Antrag war ein ausgefüllter und unterschriebener Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" beigefügt, aus welchem sich der Stand eines bei der D.               AG geführten Kontos, die voraussichtlichen Prozesskosten der Gegenseite, die Gerichtskosten des vorliegenden Rechtsstreits, die Verwaltervergütung, die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens und die Gutachterkosten ergaben; beigefügt waren weiter die Kopie eines Kontoauszuges und ein Schreiben des Insolvenzgerichts vom hinsichtlich der Veröffentlichung der Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Nach gerichtlichem Hinweis auf die weiteren Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, zu denen nicht vorgetragen worden sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom eine Gläubigertabelle vorgelegt und erläutert, warum seiner Ansicht nach keinem Insolvenzgläubiger zugemutet werden kann, die Kosten einer Nichtzulassungsbeschwerde vorzufinanzieren.

II.

3Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor Versäumung der Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 233 ZPO) wird dem Kläger nicht bewilligt werden können, weil er nicht unverschuldet gehindert war, die genannte Frist zu wahren.

41. Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, muss ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen. Ist dies nicht geschehen, war die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten (, NJW 2017, 735 Rn. 7 mwN; vom - VIII ZB 15/16, MDR 2017, 419 Rn. 12; Reichling, NJW 2017, 736). Für eine Partei kraft Amtes, deren Antrag nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu beurteilen ist, gilt der Formularzwang des § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ZPO nicht (OLG Koblenz ZVI 2013, 149; Zempel/Völker in Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., § 117 Rn. 19; MünchKomm-ZPO/Wache, 5. Aufl., § 117 Rn. 22). Dies entbindet die Partei kraft Amtes jedoch nicht von der Pflicht, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO fristgerecht darzulegen und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Dies gilt auch für die Umstände, derentwegen den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (, NZI 2013, 82 Rn. 3 mwN). Die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO soll sicherstellen, dass Prozesskostenhilfe nur gewährt wird, wenn die Kosten nicht von den Vermögensträgern aufgebracht werden können, denen ein Erfolg des beabsichtigten Rechtsstreits zugutekommt. Bei einem vom Insolvenzverwalter zugunsten der Insolvenzmasse geführten Rechtsstreit sind dies bei unzulänglicher Masse vor allem die Insolvenzgläubiger, die bei einem erfolgreichen Ausgang des Rechtsstreits mit einer verbesserten Befriedigung ihrer Ansprüche aus der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse rechnen und deshalb als wirtschaftlich Beteiligte gelten können (, WM 2016, 425 Rn. 14).

52. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist innerhalb der Monatsfrist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO nach Zustellung des Berufungsurteils beim Bundesgerichtshof eingegangen. Entgegen § 114 Abs. 1 Satz 1, § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat der Kläger jedoch innerhalb dieser Frist nichts dazu vorgetragen, dass den Insolvenzgläubigern nicht zuzumuten sei, die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde aufzubringen.

63. Ein Hinweis auf das Fehlen dieser Angaben konnte im normalen Geschäftsgang nicht vor Fristablauf am , einem Freitag, erfolgen. Dass er unverschuldet gehindert war, innerhalb der Frist vollständig zu den Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorzutragen, hat der Kläger auch auf den gerichtlichen Hinweis vom hin nicht vorgetragen. Eine Frist zur Nachholung der erforderlichen Angaben (vgl. dazu , FamRZ 2008, 871 Rn. 12; vom - VIII ZB 15/16, MDR 2017, 419 Rn. 16; Reichling, NJW 2017, 736) hat der Senat dem Kläger nicht gesetzt. Der Kläger ist lediglich darauf hingewiesen worden, dass sein Antrag unvollständig sei. Die Gerichtsakten sind erst nach Fristablauf, nämlich am , beim Bundesgerichtshof eingegangen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:180517BIXZA9.17.0

Fundstelle(n):
ZIP 2017 S. 1344 Nr. 28
AAAAG-48279