BFH Beschluss v. - I B 51/99

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), mit der dieser die Zulassung der Revision gegen die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 518 veröffentlichte Vorentscheidung hinsichtlich der Haftung wegen Körperschaftsteuer 1984 bis 1986 sowie Gewerbesteuer 1984 und 1985 begehrt, hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

a) Entgegen der Ansicht des Klägers war die Mitgeschäftsführerin nicht notwendig beizuladen. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte lediglich dann notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ob Geschäftsführer für Steuerschulden der von ihnen vertretenen Gesellschaft gemäß den §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) haften, ist jedoch für jeden einzelnen Geschäftsführer gesondert zu beurteilen.

b) Mit seiner Rüge, das Finanzgericht (FG) habe übersehen, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen nach § 173 Abs. 1 AO 1977 geändert werden müssten, macht der Kläger keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler geltend.

c) Eine mangelnde Sachaufklärung (§ 76 FGO) bezüglich der Vermögensverhältnisse der GmbH hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß gerügt. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht darauf gestützt, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind u.a. Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsache aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Antrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG —ohne besonderen Antrag— hätte aufdrängen müssen (, BFH/NV 1995, 238; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 65 i.V.m. § 120 Rz. 40). Der Vortrag des Klägers, das FG gehe auf Seite 21 seiner Entscheidung von der Vermögenslosigkeit der GmbH aus, stütze sein Urteil aber andererseits auf angebliche Gutschriften auf Konten der GmbH im Jahre 1995, genügt insoweit nicht. Das FG hat zwar die Vermögenslosigkeit der GmbH festgestellt, dies jedoch nicht speziell bereits für das Jahr 1995. Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, gegen die Aufzeichnungen der Mitgeschäftsführerin —auf die das FG zuvor hingewiesen hatte— im Klageverfahren substantiierte Einwendungen vorgebracht zu haben, aufgrund derer für das FG Veranlassung bestanden haben könnte, die frühere Mitgeschäftsführerin als Zeugin zu laden.

d) Soweit der Kläger geltend macht, die Körperschaftsteuerbescheide 1985 und 1986 sowie der Gewerbesteuerbescheid 1985 seien erst im Mai/Juli 1992 ergangen und dementsprechend sei der vom FG geforderte Antrag nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO ”spätestens zu Beginn der zweiten Hälfte des Jahres 1992” noch gar nicht möglich gewesen, rügt er im Ergebnis keinen Verfahrensfehler. Das FG hat die Bescheiddaten zutreffend festgestellt. Deshalb liegt allenfalls ein Verstoß gegen Denkgesetze vor, der zu den materiellen Rechtsfehlern zählt (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 29).

2. Der Kläger hat auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargetan (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 FGO). Es fehlt an den erforderlichen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der in Rede stehenden Fragen in einem Revisionsverfahren (vgl. , BFH/NV 1999, 948; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 59, m.w.N.).

a) Der Kläger hat die Frage angesprochen, wie lange und unter welchen konkreten Umständen ein Geschäftsführer seine Zahlungspflicht nicht verletzt, wenn er den zugrunde liegenden Steuerbescheid für die GmbH angefochten und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung desselben gestellt hat. Insbesondere sieht er es als klärungsbedürftig an, ob die Zahlungspflicht von einer umgehenden Anrufung des Gerichts gemäß § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO abhängen darf, wenn die Finanzbehörde über den Antrag nicht in angemessener Frist entscheidet. Diese Rechtsfrage wäre in einem Revisionsverfahren jedoch nicht klärungsfähig, wenn die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner bereits deshalb gerechtfertigt ist, weil er während der Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens bzw. des Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide keine Vorsorge für die rechtzeitige Bezahlung der später möglicherweise fällig werdenden Steuern und der steuerlichen Nebenleistungen getroffen hat (vgl. , BFH/NV 1998, 1460). Substantiierte Ausführungen des Klägers dazu fehlen, obwohl insoweit zu einem Vortrag Veranlassung bestanden hätte.

Wie der Senat in BFH/NV 1998, 1460 entschieden hat, muss ein Steuerpflichtiger trotz einer gewährten Aussetzung der Vollziehung und auch wenn sein Steuerberater einen Erfolg der Rechtsbehelfe vorhergesagt hat, grundsätzlich mit einem negativen Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens rechnen und Vorsorge für eine spätere Steuerzahlung treffen, solange das Finanzamt es ablehnt, die angefochtenen Bescheide antragsgemäß zu ändern bzw. aufzuheben. Selbst wenn ein objektiv erfolgversprechender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die Zahlungspflicht vorläufig entfallen lassen würde oder wenn eine später bewilligte Aussetzung der Vollziehung dazu führen würde, dass die Kausalität zwischen der Verletzung der zunächst bestehenden Zahlungspflicht und dem eingetretenen Schaden verneint werden müsste (vgl. Tendenzen und Konsequenzen zur Rechtsprechung der FG, EFG, Beilage 6/1996 Nr. 2), verbleibt es zumindest bei der Pflicht des Steuerpflichtigen, für die eventuelle spätere Steuerzahlung vorzusorgen. Dies gilt erst Recht im Rahmen der Liquidation einer GmbH. Die Beschwerdeschrift enthält keine substantiierten Angaben dazu, ob und ggf. aus welchen Gründen dem Kläger eine derartige Vorsorge nicht möglich gewesen ist. Allein der Hinweis auf die Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH genügt insoweit nicht. Zwar macht der Kläger außerdem geltend, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, weil die Steuerfestsetzungen rechtswidrig gewesen seien und auch die lange Bearbeitungszeit sowie ”Aussagen von Mitarbeitern des Finanzamts” für einen Erfolg im Rechtsbehelfsverfahren gesprochen hätten. Nach den in der Senatsentscheidung in BFH/NV 1998, 1460 entwickelten Grundsätzen schließt dies die Annahme einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung jedoch nicht aus. Insoweit bedarf es auch keiner Entscheidung, ob bereits eine ”verbindliche Zusage” des FA, die Steuerfestsetzungen zu ändern bzw. aufzuheben, die Zahlungspflicht entfallen lassen könnte. Denn eine solche Zusage hat der Kläger nicht behauptet.

b) An Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage fehlt es auch, soweit der Kläger das Verhältnis von § 166 AO 1977 zu § 173 AO 1977 bzw. zu § 580 Nr. 7 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) für die Fälle anspricht, in denen der in Anspruch genommene Haftungsschuldner zwischenzeitlich nicht mehr Vertreter i.S. des § 34 AO 1977 ist. Der Kläger verweist dazu auf eine erst nachträglich im Klageverfahren betreffend den Haftungsbescheid bekannt gewordene bzw. nachweisbare Unternehmenskonzeption aus dem Jahre 1981 und —sinngemäß— auf die Übertragung der GmbH-Anteile im Jahre 1998 auf einen Dritten. Im Rahmen der Anfechtungsklage gegen einen Haftungsbescheid —und dementsprechend auch für ein nachfolgendes Revisionsverfahren— ist für die Höhe der Haftungsschuld jedoch die Höhe der Erstschuld im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung maßgebend (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 191 AO Rz. 103 ff., m.w.N.). Spätere Zahlungen auf die Erstschuld und Herabsetzungen der Erstschuld bleiben unberücksichtigt (vgl. BFH in BFH/NV 1998, 1460; Boeker, a.a.O., § 191 AO Rz. 106). Der Haftungsschuldner kann insoweit gemäß § 131 AO 1977 den Widerruf des Haftungsbescheids beantragen. Der Kläger hat nicht dargetan, aus welchen Gründen diese Grundsätze dann nicht maßgebend sein sollen, wenn —wie er behauptet— erst nach der Einspruchsentscheidung im Haftungsverfahren Umstände bekannt werden bzw. Urkunden aufgefunden werden, die —nach Ansicht des Klägers— die Höhe der maßgebenden Erstschuld beeinflussen. Wird der Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung stets als zeitliche Zäsur angesehen, können bereits aus diesem Grund die vom Kläger vorgetragenen späteren Vorgänge in einem die Vorentscheidung betreffenden Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.

3. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

a) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe den Begriff der groben Fahrlässigkeit verengt und damit verkannt, fehlt es an der erforderlichen Gegenüberstellung divergierender abstrakter Rechtssätze. Vielmehr rügt der Kläger im Ergebnis eine unzutreffende Sachverhaltswürdigung im Einzelfall. Dies rechtfertigt keine Zulassung der Revision.

b) Zur Frage der Bedeutung eines Mitverschuldens des FA entnimmt der Kläger dem FG-Urteil den abstrakten Rechtssatz, dass ”der Haftungsanspruch des § 69 AO 1977 allein an die Verwirklichung der dort genannten Tatbestandsmerkmale anknüpft, zu denen nicht gehört, dass die Haftung im Falle des Mitverschuldens der Verwaltung ganz oder teilweise entfällt”. Dies ist zwar zutreffend, bedarf aber insoweit einer Ergänzung, als das FG —trotz seiner möglicherweise missverständlichen Wortwahl— erkennbar an die Ausführungen im (BFH/NV 1996, 589) anknüpft. Danach kann ein etwaiges Mitverschulden des FA ”allenfalls im Rahmen der nach § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffenden Ermessensentscheidung Berücksichtigung finden”, d.h. ein eventuelles Mitverschulden des FA wird nicht stets als unerheblich angesehen. Ausgehend von dieser Auslegung der Vorentscheidung benennt die Beschwerdebegründung keinen abweichenden Rechtssatz des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts. Die vom Kläger benannten (BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126) und vom II R 34/81 (BFHE 137, 88, BStBl II 1983, 135) prüfen ein Verschulden des FA ebenfalls nicht im Rahmen des Haftungstatbestands, sondern unter dem Gesichtspunkt einer ”Verwirkung”. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist für den Zulassungsgrund Divergenz unerheblich. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt insoweit bereits deshalb nicht in Betracht, weil die zitierte BGH-Rechtsprechung nicht vergleichbare Sachverhalte und Rechtsnormen betrifft.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

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LAAAA-66686