BGH Beschluss v. - 4 StR 405/16

Strafverfahren: Besetzung der großen Strafkammer bei Eröffnungsentscheidung während der Hauptverhandlung

Gesetze: Art 101 Abs 1 GG, § 199 Abs 1 StPO, § 206a StPO, § 266 StPO, § 76 Abs 1 S 2 GVG, § 76 Abs 2 S 3 GVG, § 76 Abs 2 S 4 GVG

Instanzenzug: LG Zweibrücken Az: 4162 Js 11099/14 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Für die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:

„Soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom , die dieser Verurteilung zugrunde liegt, an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. Die in der Hauptverhandlung am getroffene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ebenso unwirksam wie der zugleich ergangene Einziehungsbeschluss der Strafkammer (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschluss vom , 4 StR 598/14).

Entgegen der Bezeichnung im Eröffnungs- und Verbindungsbeschluss vom handelt es sich nicht um eine Nachtragsanklage im Sinne des § 266 StPO. Die Staatsanwaltschaft hatte unter dem Aktenzeichen 4169 Js 11623/14 am eine - weitere - Anklage gegen den Angeklagten beim Landgericht Zweibrücken eingereicht, die am den Verteidigern zugestellt wurde.

Da es sich um eine 'normale' Anklage handelte, war für die Entscheidung über die Zulassung der Anklage die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung - drei Berufsrichter unter Ausschluss der Schöffen - zuständig. Der in der Hauptverhandlung am - entsprechend dem Eröffnungs- und Besetzungsbeschluss vom (Sachakte SA Bd. I, Bl. 125) - in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und den Schöffen ergangene 'Kammerbeschluss' war daher unwirksam.

Da keine 'Nachtragsanklage' im Sinne des § 266 StPO vorlag, konnte auch kein - den Eröffnungsbeschluss ersetzender - Einbeziehungsbeschluss ergehen.“

3Dem tritt der Senat bei.

4Das Fehlen der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II.1 der Urteilsgründe. Hierdurch entfällt die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe. Da hierdurch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage entzogen ist, hat der Senat diese aufgehoben.

52. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Angeklagte ist damit rechtskräftig wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:010317B4STR405.16.0

Fundstelle(n):
BAAAG-46945