Online-Nachricht - Mittwoch, 07.06.2017

Kernbrennstoffsteuer | KernbrStG verfassungswidrig und nichtig (BVerfG)

Da sich die Kernbrennstoffsteuer nicht dem Typus der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen lässt, fehlte dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes. Dies hat der Zweite Senat des BVerfG entschieden und das Kernbrennstoffsteuergesetz rückwirkend für nichtig erklärt (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, unterlag nach dem Kernbrennstoffsteuergesetz vom der Besteuerung. Das Kernbrennstoffsteuergesetz sollte Besteuerungsvorgänge erfassen, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem ausgelöst wurde. Bei der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine „Verbrauchsteuer im Sinn der AO“. Steuerschuldner waren die Betreiber von Kernkraftwerken.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Klägerin des Ausgangsverfahrens setzte im Jahr 2011 in den Reaktor eines von ihr betriebenen Kernkraftwerks neue Brennelemente ein, löste eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus und führte nach entsprechender Steueranmeldung einen Steuerbetrag in Höhe von rund 96 Millionen € ab. Daraufhin erhob sie Klage gegen die Steueranmeldung. Das FG Hamburg hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz vom mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Hierzu führte das BVerfG weiter aus:

  • Das Kernbrennstoffsteuergesetz ist mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und nichtig. Dem Bundesgesetzgeber fehlte die Gesetzgebungskompetenz zu seinem Erlass.

  • Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Der einfache Gesetzgeber darf nur solche Steuern einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemeinschaftlich zugewiesen wird. Ein freies Steuererfindungsrecht kommt weder dem Bund noch den Ländern zu.

  • Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne, denn sie ist ohne individuelle Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben worden. Sie entspricht aber nicht dem Typus der Verbrauchsteuer gemäß Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG. Die Verbrauchsteuern sind von den Unternehmensteuern abzugrenzen.

  • Die Kernbrennstoffsteuer ist keine Verbrauchsteuer. Die gebotene Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass sie bereits das zentrale Typusmerkmal einer Besteuerung der privaten Einkommensverwendung nicht erfüllt und aufgrund der Besteuerung eines reinen Produktionsmittels typusfremd ist.

  • Die Gesetzesmaterialien über die Einführung der Kernbrennstoffsteuer sprechen gegen eine Zielsetzung des Gesetzgebers, für die Besteuerung an die Einkommensverwendung der privaten Verbraucher anzuknüpfen. Er geht in der Gesetzesbegründung nicht von einer Steigerung der Stromkosten aus, da nach seiner Auffassung eine „Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden zusätzlichen Kosten nur in geringem Umfang möglich sein wird“.

  • Der Verstoß des Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG führt vorliegend zur Nichtigerklärung des Gesetzes. Zwar kann die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung es gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung kann allerdings nur Geltung beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushaltsplanung verlassen durfte. Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen finanzverfassungsrechtlichen Unsicherheiten belastete Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung Nr. 42/2017 vom 07.06.2017 (Sc)

Fundstelle(n):
NWB SAAAG-46893