Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr Inhaber einer Gaststätte und betrieb daneben ein Gewerbe als Spielautomatenaufsteller. Aufgrund einer im Jahr 1991 durchgeführten Außenprüfung verwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Buchführung und nahm Zuschätzungen vor, da u.a. im Gaststättenbereich die Belege für die getrennt in Listen eingetragenen Kücheneinnahmen vernichtet worden waren, Nachkalkulationen bei der Zugrundelegung der gebuchten Kücheneinnahmen zu gravierenden Fehlbeträgen führten und die Rohgewinnaufschlagssätze unterhalb der Richtsatzwerte und unterhalb der Aufschlagssätze des Vorprüfungszeitraumes lagen. Der Umsatz aus dem Gaststättenbetrieb erhöhte sich deshalb netto um 8 000 DM, der Gewinn entsprechend auf insgesamt 38 201 DM.
Bei der Spielautomatenaufstellung beanstandete der Prüfer, dass die ”Einnahmeuraufzeichnungen” nicht aufbewahrt worden seien und die Ermittlung der Einnahmen nicht nachvollziehbar sei. Ein drohender Minusbestand der Kasse sei jeweils durch Verrechnungsbuchungen mit den anderen Betrieben (Gaststätte bzw. Spielhallenbetrieb der Ehefrau) ausgeglichen worden. Eine zeitnahe Überprüfung der Kassenführung und des vorhandenen Bestandes durch einen Kassensturz sei nicht möglich gewesen, da bei einer Kassenprüfung trotz Aufforderung keinerlei Aufzeichnungen für das Automatenaufstellergewerbe vorgelegt worden seien. Geldspielgeräte seien bilanziert worden, obgleich sie zum Teil bereits aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden und den Angaben des Klägers zufolge privat veräußert worden seien. Die insoweit unterbliebene Verbuchung spreche gegen eine vollständige Erfassung der Einnahmen und manifestiere zugleich, dass die jährliche Bestandsermittlung nicht in der vorgeschriebenen Form durchgeführt worden sei. Auch wegen ungeklärter Einlagen in das Betriebsvermögen sah sich das FA zu Gewinn- und Umsatzschätzungen veranlasst. Insgesamt erhöhte es —anknüpfend an die ungeklärten Geldzuflüsse— die Automatenumsätze um netto 25 000 DM und nahm entsprechende Gewinnzuschätzungen vor.
Die gegen die geänderten Steuerbescheide eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Im Klageverfahren trug der Kläger u.a. vor, dass die angefochtenen Steuerbescheide grobe Schätzungsfehler enthielten, auf Willkür beruhten und daher nichtig seien. Das FA habe bewusst zum Nachteil des Klägers geschätzt und betriebsinterne Verhältnisse, insbesondere angebotene Nachkalkulationen, unberücksichtigt gelassen. Es treffe nicht zu, dass ein Kassensturz nicht habe durchgeführt werden können. Vielmehr seien für die Gaststätte des Klägers Kassenaufzeichnungen herbeigeschafft und vom Außenprüfer eingesehen worden. Auch das Kassenbuch der Spielhallenbetriebe sei vorgelegt worden. Die Buchführung der Betriebe sei formell ordnungsgemäß gewesen und sämtliche Vermögenszuwächse seien geklärt. Der Prüfer habe weder eine Vermögenszuwachs- noch eine Geldverkehrsrechnung durchgeführt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Beweisaufnahme als unbegründet ab. Das FA habe zutreffend sowohl formelle als auch materielle Mängel der Buchführung aufgezeigt, die Zuschätzungen zu den erklärten Betriebsergebnissen unabhängig von den ungeklärten Darlehensverhältnissen rechtfertigten. Der mehrfachen Aufforderung des Gerichts, die Kassenkonten, Kassenaufzeichnungen nebst Ursprungsbelegen und Journalen vorzulegen, um dem Gericht eine eigene Überprüfung der Buchführung zu ermöglichen, sei der Kläger —ohne Glaubhaftmachung triftiger Hinderungsgründe— nicht nachgekommen. Auch dem Umstand, dass eine unangekündigte Kassenprüfung nicht möglich war, hat das FG Bedeutung beigemessen. Gründe, die sachliche Richtigkeit der Einnahmeaufzeichnungen für das Automatenaufstellergewerbe zu verwerfen, ergaben sich nach Auffassung des FG auch aus dem Umstand, dass Erlöse aus dem Verkauf der Geldspielgeräte nicht vollständig erfasst worden sind. Insgesamt war das FG der Auffassung, dass sich die Umsatzzuschätzungen im Bereich des Automatenaufstellergewerbes und im Gaststättenbereich am unteren Schätzungsrahmen bewegten. Hinsichtlich der Einzelheiten in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Berechtigung zu Zuschätzungen wurde auf die Entscheidungsgründe des Urteils 3 K 1744/93 Bezug genommen.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag unter dem Az. X B 160/00 (nicht veröffentlicht) als unzulässig verworfen.
Mit der außerdem eingelegten, auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO), in der bis zum geltenden Fassung, gestützten Revision rügt der Kläger, in dem angefochtenen Urteil sei ein selbständiges Angriffs- und Verteidigungsmittel, nämlich seine Einwände gegen die Schätzungsbefugnis, mit Stillschweigen übergangen worden. Insoweit fehlten die Entscheidungsgründe. Komme man entsprechend der Klagebegründung zu der Erkenntnis, das FA sei nicht zur Schätzung befugt gewesen, so hätte der Klage stattgegeben werden müssen. Selbst wenn die Schätzungsbefugnis unterstellt werde, hätte das FA Einzelschätzungen vornehmen müssen. Die durchgeführte Schätzung anhand der Richtsatzsammlung stelle einen groben Schätzungsfehler im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dar, zumal das FA auch den durch die Richtsätze eröffneten Spielraum zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausgenutzt habe. Hinsichtlich der angeblich ungeklärten Geldzuflüsse ergebe sich der grobe Schätzungsfehler bereits daraus, dass keine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung erstellt worden sei. Das FA sei nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) verpflichtet, alle betriebsrelevanten, erkennbaren und ermittelbaren Daten zu berücksichtigen. Da es alle betriebsinternen Daten und Fakten sowie alle Ermittlungsangebote des Klägers zugunsten einer extrem überzogenen Richtsatzschätzung außer Acht gelassen habe, liege Willkür vor. Das FA habe bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt. Dies sei in dem angefochtenen Urteil überhaupt nicht berücksichtigt, sondern mit Stillschweigen übergangen worden. Obwohl dem FA die dem Kläger gewährten Darlehen als Schätzungsgrundlage gedient hätten und in die Schätzung eingeflossen seien, habe das FG den kompletten Sachvortrag zu diesem Punkt einschließlich der intensiven und nachhaltigen Beweisantritte übergangen. Wegen der Nichtigkeit der Schätzungsbescheide könne das Urteil nicht aufrechterhalten werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil, die angefochtenen Änderungsbescheide und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
II. Die Revision ist unzulässig und war daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 FGO).
1. Da das finanzgerichtliche Urteil vor dem zugestellt worden ist, richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach den Vorschriften der FGO i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757). Danach ist die zulassungsfreie Revision nur statthaft, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. von § 116 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 FGO a.F. —schlüssig— gerügt werden. Eine schlüssige Rüge setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (z.B. , BFH/NV 2000, 464). Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht.
2. Der Kläger rügt, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F.). Ein Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. ist nach der Rechtsprechung jedoch nur gegeben, wenn die Begründung überhaupt fehlt oder das FG einen wesentlichen Streitpunkt mit Stillschweigen übergangen hat. Eine lediglich unvollständige Würdigung des Vortrags der Beteiligten ist hingegen kein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. Wird geltend gemacht, das FG habe bei seiner Würdigung des Sachverhalts rechtliche Gesichtspunkte übergangen oder das rechtliche Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen nicht erschöpfend abgehandelt, handelt es sich nicht um eine Verfahrensrüge, sondern um die Rüge unrichtiger Anwendung sachlichen Rechts, die eine zulassungsfreie Revision nicht begründen kann (z.B. BFH-Beschlüsse vom X R 67/89, BFH/NV 1991, 546, und vom VIII R 9/99, BFH/NV 2000, 209, jeweils m.w.N.).
3. Ein solcher Verfahrensmangel wird mit der Revisionsbegründung nicht geltend gemacht. Unabhängig davon, ob die Frage der Schätzungsbefugnis und der Nichtigkeit der Schätzungsbescheide als wesentliche Streitpunkte zu werten sind und eine etwaige Lückenhaftigkeit der Entscheidungsgründe insoweit überhaupt geeignet ist, einen Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. zu begründen, weist das angefochtene Urteil nach dem eigenen Vorbringen des Klägers einen solchen Mangel nicht auf. Das FG hat die Schätzungsbescheide und damit die Schätzungsbefugnis bestätigt. Es hat somit entschieden, dass keine Nichtigkeit der Änderungsbescheide gegeben ist. Der Kern der Vorwürfe des Klägers geht dahin, das FG hätte, wenn es seinem Vorbringen gefolgt wäre, die Schätzungen nicht bestätigen und die Klage nicht abweisen dürfen. Ihrem objektiven Inhalt nach betreffen die Einwände des Klägers damit die Richtigkeit des angefochtenen Urteils (die Bejahung der Schätzungsbefugnis überhaupt sowie vor allem die Bestätigung der Schätzungen der Höhe nach), nicht die Vollständigkeit der hierfür gegebenen Begründung: Der Kläger bemängelt nicht das vollständige oder teilweise Fehlen der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen, sondern deren Inhalt und Ergebnis. Das aber ergibt, die Richtigkeit solchen Vorbringens unterstellt, keinen Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO a.F. (s. , BFH/NV 2000, 325).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1578 Nr. 12
OAAAA-66497