BFH Beschluss v. - X B 159/00

Gründe

Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nach den bis zum geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung —wie im Streitfall— vor dem zugestellt worden ist.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Teils haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ihre auf § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. gestützte Beschwerde nicht ausreichend begründet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.), teils betreffen ihre Einwände keine Verfahrensmängel.

1. Von vornherein in diesem Verfahren nicht gehört werden können die Kläger mit Einwänden, die allein gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils gerichtet sind (s. z.B. , BFH/NV 1999, 651; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 58 und 62, m.w.N.). Das gilt vor allem für die Fragen, ob und inwieweit das Finanzgericht (FG) durch das klageabweisende Urteil die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) vorgenommenen Schätzungen dem Grunde wie der Höhe nach zu Recht bestätigt, ob es im diesbezüglichen prozessualen Verhalten der Kläger zutreffend eine Verletzung von Mitwirkungspflichten gesehen und ob das FG die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt hat.

2. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. ist nicht bezeichnet worden bzw. nicht gegeben. Denn Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des FG sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Nachprüfung durch den BFH im Rahmen eines Verfahrensmangels entzogen (Senats-Beschluss vom X B 95/98, BFH/NV 1999, 811; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28, m.w.N.). Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze gehören ebenfalls zum materiellen Recht und zwar auch dann, wenn der behauptete Verstoß sich nicht auf die rechtliche Subsumtion, sondern auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt (z.B. , BFH/NV 1999, 510; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 29).

Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt oder seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht nachkommt (Senats-Beschluss in BFH/NV 1999, 811). Zwar rügen die Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Eine schlüssige Aufklärungsrüge setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass nicht nur die ermittlungsbedürftigen Tatsachen und die angebotenen Beweismittel genau bezeichnet werden, sondern auch dargelegt wird, inwiefern das Urteil des FG —ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts— auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 40, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht.

Zudem wird die Ermittlungspflicht des FG durch Mitwirkungspflichten der Beteiligten eingeschränkt (§ 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO). Das FG kann davon ausgehen, dass die Beteiligten selbst auf die Wahrung ihrer Interessen bedacht sind (s. z.B. , BFH/NV 1987, 419).

Im Streitfall waren die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und verschiedene Darlehen von Verwandten bzw. Bekannten der Kläger streitig. Dennoch verweigerten die Kläger die Vorlage der vom FG angeforderten Kassen- und Einnahmeursprungsaufzeichnungen ihrer Betriebe und belegten nicht die Rückzahlung der streitgegenständlichen betrieblichen Darlehen sowie des auf den Namen der Tochter erworbenen und zu Gunsten der Klägerin verpfändeten Sparbriefs über 60 000 DM. Auch teilten sie dem Gericht nicht die ladungsfähigen Anschriften der Darlehensgeber und ihrer Tochter mit. Stattdessen erklärten sie aufgrund der zweiten, nun mit Fristsetzung gemäß § 79b FGO verbundenen Aufforderung, diese Vorschrift trage die gesetzte Ausschlussfrist und das Vorlageverlangen nicht. Das Druckmittel des § 79b FGO könne nur bei Urkunden eingesetzt werden, zu deren Vorlage eine gesetzliche Pflicht bestehe. Eine solche bestehe nicht. Es sei davon auszugehen, dass das Gericht keine umfassende Beleg- und Buchprüfung vornehmen werde, da ansonsten das Amtsermittlungsprinzip extrem überfordert würde. Statt die ladungsfähigen Anschriften der Tochter und der Darlehensgeber mitzuteilen, listeten die Kläger diese nur namentlich auf, wiesen aber gleichzeitig darauf hin, dass ein Übergehen dieser Beweisantritte einen Verfahrensmangel darstellen würde, der ausdrücklich gerügt wurde. Angesichts dessen musste das FG die angebotenen Beweise nicht erheben. Wird ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift des Weiteren voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe. Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. , BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; , BFH/NV 1992, 397). Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom lässt sich nicht entnehmen, dass die Kläger die unterlassene Zeugeneinvernahme gerügt hätten. Dies gilt auch hinsichtlich ihres Antrags, Beweis zu erheben über die Aufnahme von Darlehen.

Hinzu kommt, dass der ehemalige Steuerberater auf Antrag der Kläger als Zeuge nur zur Kassenprüfung, nicht aber zur Qualität der Buchführung der Betriebe und zur Ermittlung der Schätzungsgrundlagen durch das FA vernommenen werden sollte. Anträge auf eine Erweiterung des Vernehmungsthemas haben die Kläger nicht gestellt. Bei dieser Sachlage —wie in der Beschwerdeschrift geschehen— die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG zu rügen, verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (Verbot des ”venire contra factum proprium”).

Die in der Beschwerdebegründung gerügte fehlerhafte Handhabung der prozessualen Präklusionsvorschrift des § 79b Abs. 3 FGO kann eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. nur begründen, wenn das angefochtene Urteil hierauf beruhen kann. Das ist hier jedoch ausgeschlossen. Es wurde den Klägern zwar eine Ausschlussfrist gesetzt, ihre Versäumung hat das FG aber nicht zum Erlass eines Prozessurteils veranlasst. Es hat lediglich die zu Grund und Höhe der Schätzungen ausgesprochenen Klageabweisungen auch auf die in der Nichtbeachtung der gesetzlichen Erklärungspflichten liegende unzureichende Mitwirkung der Kläger bei der Sachaufklärung gestützt.

3. Die Darlegung der Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. verlangt vom Rechtsuchenden, dass er in der Beschwerdeschrift (bzw. sonst innerhalb der Beschwerdefrist) einen das angefochtene Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der zu einem ebensolchen Rechtssatz einer Entscheidung des BFH in Widerspruch steht (s. z.B. Senats-Beschluss vom X B 89/96, BFH/NV 1998, 473; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63, m.w.N.). Die Bezeichnung einer BFH-Entscheidung, verbunden mit der Behauptung, von ihr divergiere das Urteil des FG, genügt diesen Anforderungen nicht.

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1577 Nr. 12
UAAAA-66430