BVerwG Beschluss v. - 4 BN 25/16

Anforderungen an die Abwägungsentscheidung eines Bebauungsplans; Baulandeigenschaft eines Grundstücks

Gesetze: § 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 2 K 116/14 Urteil

Gründe

1Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier.

3Die Beschwerde wendet sich im Stile einer Berufungsbegründung gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der angefochtene Bebauungsplan sei insgesamt abwägungsfehlerfrei erlassen worden.

4Soweit sich den Fragen,

welche Anforderungen (der Substantiierung) an prinzipiell abwägungsbeachtliche private Belange bzw. Interessen zu stellen sind, um eine Abgrenzung von den Interessen und privaten Belangen zu ermöglichen, die von vornherein schon als geringwertig und zu vernachlässigen außen vor zu bleiben haben, etwa weil sie vorgeschoben sind oder im konkreten Fall lediglich abstrakt angeführt werden können, ohne dass ihre Betroffenheit irgendwelche praktisch konkreten Beeinträchtigungen hervorbringen könnte,

unter welchen Bedingungen ein als privater Belang städtebaulich prinzipiell zu berücksichtigendes Interesse des Grundstücksnachbarn und -eigentümers beispielsweise an Sicht- und Lärmschutz nicht schutzwürdig ist, weil die Eigentümer auf seinen Fortbestand nicht vertrauen durften,

ob bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB die Beeinträchtigung des (einheitlichen) Eigentumsrechts an einem Grundstück durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (hier: Gemeinbedarfsfläche Geh- und Radweg) mit der Erwägung gerechtfertigt werden darf, dass das Grundstück aus isoliert zu betrachtenden unterschiedlich nutzbaren oder bebaubaren oder unbebaubaren Teilflächen besteht, die isoliert und unabhängig von dem Rest des Grundstücks (hier: Wohn- und Baugrundstück) als betroffener privater Belang bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, weil allein dort örtlich der unmittelbare Bereich der planerischen Festsetzung zu verorten ist, und

ob bei der Abwägung privater Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB (z.B. subjektiv öffentliche Rechte wie das Grundstückseigentum oder Interessen wie das Interesse an Sicht- und Lärmschutz) die jeweils faktische Nutzung zum Zeitpunkt des Bebauungsplanerlasses maßgeblich ist, obwohl die Grundstücke in rechtlich zulässiger Weise anders genutzt werden könnten,

ein in Bezug auf das Abwägungsgebot (§ 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB) verallgemeinerungsfähiger Inhalt entnehmen lässt, zeigt die Beschwerde rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Die Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (stRspr seit 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <309>). Nicht abwägungsbeachtlich sind dagegen geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (stRspr, z.B. 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <219>). Ob ein privater Belang schutzwürdig ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

5Geklärt ist ferner, dass ein (wirksamer) Bebauungsplan Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen ( 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <305>). Diese Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen ( - NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 15; 4 C 66.67 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90). Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes ( a.a.O.; 4 CN 5.08 - BVerwGE 134, 355 Rn. 16 und Beschluss vom - 4 BN 40.10 - BRS 76 Nr. 28 = juris Rn. 4). Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden ( 4 NB 1.96 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 88 = juris Rn. 4). Im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB hat die Gemeinde folglich die Nachteile einer Planung für Planunterworfene zu berücksichtigen.

6Besteht ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Die Frage, ob das betreffende Grundstück insgesamt Baulandqualität besitzt, darf deshalb nicht offen bleiben ( - NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 18).

7Von diesen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen. Ob es dabei zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Grundstück der Erbengemeinschaft aus isoliert zu betrachtenden, unterschiedlich nutzbaren oder bebaubaren Teilflächen besteht, ist wiederum eine rechtsgrundsätzlich nicht klärungsfähige Frage des Einzelfalls.

8Gleiches gilt grundsätzlich auch für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob bei der Abwägung die jeweils faktische Nutzung zum Zeitpunkt des Bebauungsplan-Erlasses maßgeblich ist, obwohl die Grundstücke in rechtlich zulässiger Weise anders genutzt werden könnten, wobei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - wie dargelegt - grundsätzlich geklärt ist, dass es im Rahmen der planerischen Abwägung auf bauliche Nutzungsrechte ankommt ( - a.a.O.)

9Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und die über die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:130317B4BN25.16.0

Fundstelle(n):
UAAAG-42951