BFH Urteil v. - VIII R 6/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —eine Einmann-GmbH & Co. KG— hatte im Streitjahr 1991 ihr gehörende Grundstücke an ihre Gesellschafter —die M-GmbH und den Kommanditisten M— veräußert. Die KG wurde zum aufgelöst, am im Handelsregister gelöscht. M hatte dem Amtsgericht mitgeteilt, dass die M-GmbH sämtliche Anteile der Klägerin übernommen habe. Dementsprechend ging auch der Prüfer im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung davon aus, dass in diesem Zeitpunkt kein Betriebsvermögen mehr vorhanden gewesen sei und dass deshalb die im Sonderbetriebsvermögen des M gehaltenen Beteiligungen an der M-GmbH und einer weiteren GmbH mit der Vollbeendigung der KG in das Privatvermögen des M übergegangen seien (Betriebsprüfungsbericht vom Tz. 7, 23).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ am gegenüber der Klägerin einen Feststellungsbescheid. Diesen richtete er, ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom und einen späteren Änderungsbescheid vom , an die Klägerin. Den Feststellungsbescheid gab er M als dem von der Klägerin benannten Empfangsbevollmächtigten bekannt, die Einspruchsentscheidung dem Steuerberater B der Klägerin, der den Einspruch für diese eingelegt hatte, und den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren. In einem Schreiben vom Oktober 1999 teilte das FA dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass es ”die Problematik der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin schlicht übersehen” habe.

Mit der Klage beantragte die Klägerin, unter Abänderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1991 den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 265 931 DM festzustellen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4, 15 des EinkommensteuergesetzesEStG—, §§ 124 Abs. 3, 125 der AbgabenordnungAO 1977—, §§ 96, 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—, § 278 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung —ZPO—).

Sie trägt dazu im Wesentlichen vor, dass die Anmeldung zum Handelsregister nicht richtig gewesen sei; vielmehr sei die KG 1994 nur aufgelöst und die GmbH-Anteile des M in dessen Privatvermögen überführt worden. Die Klägerin habe ausweislich des am ergangenen Gewerbesteuerbescheides in diesem Zeitpunkt noch Aktivvermögen in Form eines Gewerbesteuererstattungsanspruches von 101 008 DM gehabt. Die Klägerin sei zumindest bis zu diesem Zeitpunkt —also noch bei Einlegung des Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid— existent gewesen.

Sie beantragt,

1. das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben,

2. hilfsweise die Feststellung, dass der Feststellungsbescheid vom , die Einspruchsentscheidung vom und der Änderungsbescheid vom unwirksam sind.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Die Revision ist zulässig.

Das gilt unabhängig davon, dass die Klägerin schon im Klageverfahren nicht mehr beteiligten- und prozessfähig war (s. nachfolgend zu 2.). Dies wurde zwar von den Beteiligten im Revisionsverfahren erkannt und ist inzwischen unstreitig. Die Revision darf deshalb aber nicht als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als beteiligten- und prozessfähig zu behandeln (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541, unter 4. der Gründe; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 58 Rz. 5 und vor § 115 Rz. 22, m.w.N.). Die Klägerin muss die Möglichkeit haben, ein zu Unrecht gegen sie ergangenes Urteil zu beseitigen.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abzuweisen war. Das FG durfte über den Klageantrag nicht sachlich entscheiden.

a) Die Klage war unzulässig.

aa) Die Klägerin war im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr beteiligtenfähig (§ 57 FGO). Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob die Klägerin durch Umwandlung auf ihre Komplementär-GmbH voll beendet wurde (so das FA) oder durch Auflösungsbeschluss, nachdem sie ihr ganzes Vermögen in den vorausgehenden Jahren veräußert hatte (so die Klägerin). Die Befugnis der Personengesellschaft, für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, entfällt mit ihrer Vollbeendigung. Nach Vollbeendigung der Personengesellschaft sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter einspruchs- und klagebefugt. Das gilt sowohl für den Fall der Umwandlung der Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft (vgl. u.a. , BFH/NV 1999, 291, unter 1. c der Gründe, m.w.N.) als auch für den Fall ihrer Auflösung wegen Vermögenslosigkeit (vgl. u.a. , BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219, m.w.N.). Von der Vermögenslosigkeit der Klägerin ist spätestens mit Begleichung des Gewerbesteuer-Erstattungsanspruchs durch die Stadt A während des Einspruchsverfahrens auszugehen. Ab diesem Zeitpunkt sind Verfahrensbeteiligte nur noch M und die M-GmbH.

bb) Die Klägerin konnte auch nicht deshalb als Verfahrensbeteiligte behandelt werden, weil sich die Klage gegen eine gegenüber der Klägerin ergangene Einspruchsentscheidung richtet. Der Senat hat zwar eine solche Klage insoweit als zulässig angesehen, als mit ihr —nur— die ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt wird; werden mit ihr aber materiell-rechtliche Mängel geltend gemacht, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (, BFH/NV 1990, 178, und vom VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, a.E.).

cc) Die Klage kann auch nicht als solche der ehemaligen Gesellschafter M und M-GmbH ausgelegt oder in eine solche Klage umgedeutet werden.

Die Einspruchsentscheidung ist an die Klägerin gerichtet, die Klage eindeutig für diese erhoben, die Vollmacht durch M im Namen der Klägerin ausgestellt. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, die Klage als solche der ehemaligen Gesellschafter auszulegen (vgl. u.a. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 291, unter 2. der Gründe). Der BFH hat zwar bei der zulässigen Klage einer Gesellschaft die Möglichkeit bejaht, dass die Klage auch im Namen des prozessführungsbefugten Gesellschafter-Geschäftsführers erhoben wurde, wenn dieser später eine entsprechende Prozesserklärung abgibt (vgl. dazu , BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586; vom VIII R 20/94, BFH/NV 1996, 52, m.w.N.; vgl. auch —für den umgekehrten Fall— , BFH/NV 1993, 476, und Beschluss vom IV B 134/97, BFH/NV 1999, 590). Eine unzulässige Klage kann aber nicht in diesem Sinne ausgelegt werden (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 1990, 178; in BFH/NV 1992, 324, a.E.). Ergebnis der Auslegung könnte zudem nur sein, dass weitere Klägerin die M-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist (, BFHE 154, 201, BStBl II 1988, 1008; vom VIII R 20/86, BFH/NV 1991, 219; vom VIII R 8/94, BFHE 179, 216, BStBl II 1996, 297, unter 2. b bb der Gründe); eine solche Auslegung lässt aber weder die Klageschrift noch die eingereichte Prozessvollmacht zu.

Auch eine Umdeutung der Klage in eine solche der ehemaligen Gesellschafter ist nicht möglich. Der BFH hat eine Umdeutung von Prozesshandlungen steuer- und rechtsberatender Berufe stets abgelehnt (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom II B 28/70, BFHE 100, 83, BStBl II 1970, 813; vom VII B 99/89, BFH/NV 1990, 718; vom I B 156/92, BFH/NV 1994, 180, jeweils m.w.N.).

b) Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Entscheidung des FG stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Die Beteiligtenfähigkeit ist als Sachentscheidungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; steht nach dieser Prüfung fest, dass es zu einer sachlichen Entscheidung nicht mehr kommen kann, ist das Verfahren in der Revisionsinstanz abzuschließen (vgl. u.a. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 178; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 3, m.w.N.).

Da die Klage offensichtlich unzulässig war, entfällt auch eine Zurückverweisung der Sache zur Nachholung einer Beiladung der ehemaligen Gesellschafter (vgl. dazu u.a. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 324, unter 3. der Gründe).

c) War die Klage als unzulässig abzuweisen, kann die Klägerin auch mit ihrem Hilfsantrag auf Aufhebung der Feststellungsbescheide bzw. der Einspruchsentscheidung keinen Erfolg haben. Nach der Feststellung der fehlenden Beteiligtenfähigkeit der Klägerin könnte diesem Begehren selbst dann nicht mehr entsprochen werden, wenn die Bescheide unwirksam wären.

Der Senat weist lediglich ergänzend darauf hin, dass dieser Antrag auch unbegründet wäre. Da sich Feststellungsbescheide nach der Rechtsprechung des BFH auch bei Adressierung an die Gesellschaft an deren Gesellschafter richten, könnten die Bescheide nur unwirksam sein, wenn sie den Betroffenen nicht bekannt gegeben worden wären (vgl. dazu etwa , BFH/NV 1990, 208). Das ist hier aber nicht der Fall. Nach § 366 Satz 2 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 konnte die Einspruchsentscheidung aber auch ohne den Nachweis einer schriftlichen Vollmacht wirksam gegenüber dem Steuerberater B, der den Einspruch für die Klägerin eingelegt hatte, als Bevollmächtigtem bekannt gegeben werden (vgl. u.a. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 122 Anm. 3; Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 80 Rz. 6, § 122 Rz. 22; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 122 AO Tz. 42, 43, § 80 Tz. 4; vgl. auch —für die Zustellung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes, BFHE 146, 206, BStBl II 1986, 547; , BFH/NV 1995, 852). Zumindest in diesem Fall ist der Bevollmächtigte auch Empfangsbevollmächtigter. Für ihn gilt deshalb auch die in § 183 Abs. 3 AO 1977 getroffene besondere —aber § 80 Abs. 3 AO 1977 entsprechende— Regelung für das Weiterbestehen der Empfangsvollmacht. Danach können Feststellungsbescheide ihm gegenüber u.a. auch mit Wirkung für einen ausgeschiedenen Gesellschafter bekannt gegeben werden, soweit und solange dieser nicht widersprochen hat. Dies gilt auch dann, wenn das FA —wovon hier auszugehen ist— Kenntnis von dessen Ausscheiden hatte (, BFHE 177, 22, BStBl II 1995, 357), und auch dann, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht mehr i.S. von § 183 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ”besteht” (Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 183 Anm. 6 a; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., § 183 Anm. 3 a; Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 183 AO Rz. 90; Tipke/Kruse, a.a.O., § 183 AO Tz. 26). Da die Bezeichnung der nicht mehr existenten Klägerin als Inhaltsadressatin unschädlich ist, ist der Feststellungsbescheid mit seiner Bekanntgabe an den Bevollmächtigten sowohl gegenüber der M-GmbH als auch gegenüber M wirksam geworden.

III. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1074 Nr. 9
DStRE 2000 S. 936 Nr. 17
NAAAA-66227