BAG Beschluss v. - 9 AZB 49/16

Zwangsvollstreckung - Prozessvergleich - Arbeitszeugnis - vollstreckungsfähiger Inhalt des Vollstreckungstitels

Gesetze: § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO, § 109 GewO

Instanzenzug: ArbG Gießen Az: 1 Ca 300/15 Beschlussvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 10 Ta 337/16 Beschluss

Gründe

1I. Die Schuldnerin, die Beklagte im Ausgangsverfahren, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie beschäftigte den Gläubiger, den Kläger im Ausgangsverfahren, als Mitarbeiter im Innendienst. Mit Schreiben vom erklärte die Schuldnerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum . Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte der Gläubiger Kündigungsschutz. Am schlossen die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, in dem es unter Ziff. 4 heißt:

2Ende Februar 2016 erteilte die Schuldnerin dem Gläubiger ein auf den datiertes Arbeitszeugnis, das auszugsweise wie folgt lautet:

3Mit Schreiben vom 3. März und vom forderte der Gläubiger die Schuldnerin auf, das Zeugnis inhaltlich zu ändern. Dabei rügte der Gläubiger, aus dem Wortlaut des Zeugnisses ergebe sich keine sehr gute Leistungs- und Führungsbeurteilung. Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich große Mängel auf.

4Der Gläubiger beantragte mit Schriftsatz vom eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom , die ihm das Arbeitsgericht am erteilte. Am wurde diese der Schuldnerin zugestellt. Zur Durchsetzung der unter Ziff. 4 des Vergleichs vom geregelten Verpflichtung der Schuldnerin zur Erteilung eines Zeugnisses hat der Gläubiger unter dem beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld festzusetzen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft gegen ihren Geschäftsführer anzuordnen. Zur Begründung hat er ausgeführt, das von der Schuldnerin erteilte Zeugnis entspreche nicht den Vorgaben von Ziff. 4 des Vergleichs vom . Mit Beschluss vom hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen.

5Hiergegen hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung unter Ziff. 4 des Vergleichs vom sei zu unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig.

6Hiergegen wendet sich der Gläubiger mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, hinsichtlich der Durchsetzung eines titulierten Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Führungs- und Leistungsbeurteilung anhand einer dem Notensystem entsprechenden Stufe aus dem Titel ersichtlich ist. Ihn darauf zu verweisen, den Berichtigungsanspruch in einem weiteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, sei mit dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren.

7II. Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zu Recht zurückgewiesen.

81. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ziff. 4 des Vergleichs vom , wonach die Schuldnerin zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer sehr guten Führungs- und Leistungsbeurteilung verpflichtet ist, mangels Bestimmtheit einer Zwangsvollstreckung nicht zugänglich ist.

9Nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus Vergleichen statt, die zwischen den Parteien zur Beilegung eines Rechtsstreits geschlossen worden sind. Ein Prozessvergleich ist jedoch nur dann Vollstreckungstitel, wenn er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 794 Rn. 14). Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung der den Schuldner treffenden Leistungspflicht, scheidet eine Vollstreckung aus (vgl.  - zu II 2 der Gründe, BGHZ 122, 16). Die Vollstreckung aus einem Titel kann daher nur in den Fällen erfolgen, in denen hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird (vgl.  - zu II 2 a der Gründe). Ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen (vgl.  - zu II 3 a der Gründe; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 75. Aufl. Grundz. § 704 Rn. 19 mwN).

10a) Verlangt ein Arbeitnehmer nicht nur ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis, sondern außerdem auch einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er im Klageantrag genau zu bezeichnen, was das Zeugnis in welcher Form enthalten soll ( - zu II 2 der Gründe). Denn nur wenn der Entscheidungsausspruch bereits eine hinreichend klare Zeugnisformulierung enthält, wird verhindert, dass sich der Streit über den Inhalt des Zeugnisses vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert (in diesem Sinne  - aaO). Aufgabe des Vollstreckungsgerichts ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (vgl.  - Rn. 13). Diese Erwägungen fußen letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip. Dieses verlangt, dass für den Schuldner erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl.  - Rn. 14).

11b) In Anwendung dieser Grundsätze geht die herrschende Meinung sowohl in der Rechtsprechung (vgl.  - zu II 2 a der Gründe;  - zu II der Gründe) als auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 109 GewO Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 109 GewO Rn. 76a; sh. ferner Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 13. Aufl. S. 190; in diese Richtung auch Schaub/Linck 16. Aufl. ArbR-HdB § 147 Rn. 34) zu Recht davon aus, dass ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt. Es bleibt Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen, wobei die Formulierung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht (vgl.  - Rn. 11, BAGE 140, 15). Anders als bei der Verpflichtung, ein Zeugnis gemäß einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen (vgl. hierzu  - Rn. 15 ff.;  - zu II 2 b bb der Gründe), lässt die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Arbeitgeber einen derart weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte, des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung, dass von einem konkreten Leistungsbefehl, der die Grundlage einer mit staatlichen Zwangsmitteln zu vollziehenden Vollstreckung bildet, nicht die Rede sein kann. Wollte man anders entscheiden, hätte es der Arbeitnehmer in der Hand, durch die ungenaue Formulierung seines Leistungsbegehrens den Streit in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, in dem sich der Arbeitgeber unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen seitens des Vollstreckungsgerichts unklaren Handlungspflichten ausgesetzt sähe.

12c) Der Hinweis des Gläubigers auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dem zufolge es möglich sein muss, materiell-rechtliche Ansprüche - auch in der Zwangsvollstreckung - effektiv durchzusetzen (vgl.  - Rn. 17, BAGE 130, 195), verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Es obliegt der klagenden Partei eines Rechtsstreits, ihr Leistungsbegehren sprachlich so zu fassen, dass der das Verfahren abschließende Vollstreckungstitel den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen entspricht. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, steht es ihr frei, ihre Ansprüche in einem erneuten Erkenntnisverfahren durch die Gerichte für Arbeitssachen vollstreckungsfähig titulieren zu lassen.

132. Soweit sich der Gläubiger in der Beschwerdeschrift gegen das Ausstellungsdatum des von der Schuldnerin erteilten Zeugnisses gewandt hat, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der zur Vollstreckung anstehende Titel keine Angabe zum Ausstellungsdatum enthält. Der Gläubiger hat hiergegen im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Einwände erhoben.

143. Soweit sich die Schuldnerin im Vergleich verpflichtet hat, das Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der sie dem Gläubiger dankt, sein Ausscheiden bedauert und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht, ist der Anspruch des Gläubigers durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger ist dem weder im Beschwerdeverfahren noch im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegengetreten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:140217.B.9AZB49.16.0

Fundstelle(n):
SAAAG-39684