Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
Kontierungslexikon vom

Betriebsstätte

Karl-Hermann Eckert

Eine Übersichtsseite zu den Stichwörtern des Kontierungslexikons finden Sie hier: NWB LAAAE-91155.

Zusammenfassung

Die Betriebsstätte im Umsatzsteuerrecht hat erhebliche Bedeutung für das Besteuerungsverfahren, insbesondere für die Bestimmung des Leistungsortes bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Der Beitrag beschreibt die Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte und die sich daraus ergebenen Rechtsfolgen. Ein Buchungsbeispiel zu einer vermeintlichen Betriebsstätte rundet den Beitrag ab.

1. Welche Konten werden im SKR 03 oder 04 benötigt?

1.1 SKR 03


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1400
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
1776
Umsatzsteuer 19 %
8336
Erlöse aus im anderen EU-Land steuerpflichtigen sonstigen, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet
8400
Erlöse 19 % USt

1.2 SKR 04


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1200
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
3806
Umsatzsteuer 19 %
4336
Erlöse aus im anderen EU-Land steuerpflichtigen sonstigen, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet
4400
Erlöse 19 % USt

2. Rechtsgrundlagen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

3. Wie wird kontiert?

3.1 Allgemeine Grundsätze

Im nationalen Umsatzsteuergesetz wird an vielen Stellen der Begriff der Betriebsstätte verwendet, der für bestimmte Besteuerungskriterien heranzuziehen ist. Zu beachten ist, dass der umsatzsteuerliche Begriff der Betriebsstätte nicht mit dem Begriff in § 12 AO identisch ist, sondern eigenständig auszulegen ist. Die Definition entspricht dem in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) verwendeten Begriff der festen Niederlassung.

Als feste Niederlassung gilt jede Niederlassung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden. Eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie stellt keine feste Niederlassung dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt.

Hinweis:

Nach dem unterhält der Unternehmer jedenfalls dann eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung, wenn er umfassenden Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermöglicht. Bei der Prüfung der Frage, ob eine feste Niederlassung i. S. von Art. 44 Satz 2 MwStSystRL vorliegt, ist nicht auf den steuerpflichtigen Dienstleistungserbringer, sondern auf den steuerpflichtigen Empfänger der Dienstleistungen abzustellen. Die Einstufung als "feste Niederlassung" ist anhand der wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten zu beurteilen. Sie darf nicht allein von der Rechtsform der betreffenden Einrichtung abhängen.

Im nationalen Umsatzsteuerrecht definiert sich die Betriebsstätte wie folgt:

Definition:

Betriebsstätte im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmers dient. Eine solche Einrichtung oder Anlage kann aber nur dann als Betriebsstätte angesehen werden, wenn sie über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt, der für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich ist. Außerdem muss die Einrichtung oder Anlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweisen, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen ermöglicht. Eine solche beständige Struktur liegt z. B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von dort aus Verträge abgeschlossen werden können und Rechnungslegung und Aufzeichnungen von dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden, z. B. über den Wareneinkauf. Zur Begründung einer festen Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat mithilfe einer hinreichend gefestigten personellen und technischen Ausstattung muss ein leistungsempfangender Steuerpflichtiger diese zwar nicht selbst besitzen, jedoch muss er über die Ausstattung eines anderen Unternehmens (hier: einen leistungserbringenden Lohnfertiger im Konzern) so verfügen können, als wäre sie seine eigene.

Eine Betriebsstätte

  • kann auch eine Organgesellschaft i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein,

  • kann sich auch an Bord eines Schiffes befinden,

  • kann ein Warenlager mit Dispositionsbefugnis sein,

  • kann eine Windkraftanlage oder ein Windrad sein. Diese Finanzgerichtsurteile dürften aufgrund der EuGH-Entscheidung vom (vgl. Fn. 4) überholt sein.

Keine Betriebsstätte ist z. B. eine Briefkastenfirma oder ein Internet-Server.

Der EuGH hat entschieden, dass das Vorliegen einer festen Niederlassung einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats nicht aus dem bloßen Umstand hergeleitet werden kann, dass diese Gesellschaft dort eine Tochtergesellschaft besitzt. Auch die Erbringung konzerninterner Dienstleistungen begründet noch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte.

Hinweis:

Einen Vorrang der Besteuerung am Sitz des leistenden Unternehmers gibt es grundsätzlich nicht. Wird die Leistung von einer Betriebsstätte aus erbracht, ist der Sitz des leistenden Unternehmers für die Ortsbestimmung der erbrachten Leistung unbeachtlich. Zu den Ausnahmen in Zweifelsfällen vgl. Abschnitt 3.2.1.

3.2 Hinweise zu einzelnen Besteuerungskriterien

3.2.1 Ort der sonstigen Leistung

Nach § 3a UStG bestimmt sich u. a. der Ort der sonstigen Leistung nach dem Ort, an dem der leistende Unternehmer oder der Leistungsempfänger seinen Sitz hat. Dieser Grundsatz wird dann durchbrochen, wenn der leistende Unternehmer oder der Leistungsempfänger über eine Betriebsstätte verfügt und die Leistung von diesem Ort aus erbracht oder empfangen wird.

Fall 1 Ausgangsleistungen:

Entscheidend für die Ortsbestimmung ist, dass die Dienstleistung tatsächlich der Betriebsstätte zuzurechnen ist. Die für die sonstige Leistung erforderlichen einzelnen Arbeiten müssen ganz oder überwiegend durch Angehörige oder Einrichtungen der Betriebsstätte ausgeführt werden.

Nicht erforderlich ist, dass das Umsatzgeschäft von der Betriebsstätte aus abgeschlossen wurde oder Zahlungen an die Betriebsstätte geleistet werden.

Hinweis:

Wird ein Umsatz sowohl an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, als auch von einer Betriebsstätte ausgeführt, ist der Leistungsort nach dem Ort zu bestimmen, an dem die sonstige Leistung überwiegend erbracht wird.

Für Eingangsleistungen gilt:

Die Betriebsstätte ist dann maßgeblich, wenn die Dienstleistung ausschließlich oder überwiegend für die Betriebsstätte bestimmt ist, also dort verwendet werden soll. Ebenso wie bei Ausgangsleistungen braucht der Auftrag nicht von der Betriebsstätte aus ausgelöst zu werden oder die Zahlung von dort geleistet zu werden.

Hinweis:

Vielfach ist es für den leistenden Unternehmer schwierig festzustellen, ob die sonstige Leistung für die Betriebsstätte des Leistungsempfängers bestimmt ist. Insoweit müssen andere Kriterien herangezogen werden. Ein wesentliches Element für die Bestimmung des Status des Leistungsempfängers ist die verwendete USt-IdNr. sowie die Umstände der Geschäftsanbahnung.

Bestehen dann noch Zweifel, kann der leistende Unternehmer davon ausgehen, dass der Leistungsort dort ist, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz hat.

3.2.2 Reverse-Charge-Verfahren

Wenn ein ausländischer Unternehmer eine sonstige Leistung oder eine Werklieferung im Inland an einen Unternehmer oder an eine juristische Person ausführt, schuldet nicht der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer, sondern der Leistungsempfänger (Reverse-Charge-Verfahren). Entsprechendes gilt für die Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte unter den Bedingungen des § 3g UStG, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist.

Hat der ausländische Unternehmer eine Betriebsstätte im Inland, gilt das Reverse-Charge-Verfahren dann nicht, wenn die Leistung tatsächlich von der Betriebsstätte unter Nutzung der vorhandenen technischen und personellen Ausstattung ausgeführt wurde.

War die Betriebsstätte am Umsatz nicht beteiligt, gilt die Leistung als von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Leistungsausführung.

Als Abgrenzungskriterien dienen die Regelungen in Art. 53 und 54 MwStVO: Wird die Ausstattung der Betriebsstätte nur für unterstützende verwaltungstechnische Aufgaben genutzt, z. B. Buchhaltung, Rechnungsstellung und Einziehung von Forderungen, so gilt dies nicht als Nutzung bei der Ausführung der Lieferung oder der Dienstleistung.

Beispiel 1

Unternehmer U betreibt in Warschau ein Bauunternehmen. U erhält den Auftrag, für den Auftraggeber A mit Sitz in Berlin, eine Ladenzeile in Berlin zu errichten. Die Baumaßnahme umfasst einen Zeitraum von 18 Monaten. Die zu den Bauarbeiten notwendigen technischen Mittel werden von U zur Baustelle gebracht. U hat auf der Baustelle einen Bauwagen als Büro aufgestellt, in dem sämtliche kaufmännischen Arbeiten wie Materialbestellungen, Aufmaße, Stundenlohnabrechnungen, Rechnungen oder Gespräche mit dem Auftraggeber erledigt werden und die Arbeitnehmer vom Bauleiter die täglichen Arbeitseinsätze erhalten. Darüber hinaus hat U mehrere Schlafcontainer zur Übernachtung der Arbeitnehmer bereitgestellt.

An dem Stammsitz in Warschau wird nur noch die Schlussrechnung erstellt und die Zahlung entgegengenommen.

Lösung

U hat eine Betriebsstätte im Inland. Von der Baustelle wird unter Nutzung der vorhandenen technischen und personellen Ausstattung die Leistung ausgeführt. Die Baustelle ist auch eine Einrichtung, die eine beständige Struktur hat. Eine solche beständige Struktur liegt z. B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von der Betriebsstätte Verträge abgeschlossen werden können und Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden. Dies kann auch eine Baustelle sein.

Hinweis:

Die ertragsteuerliche Beurteilung für das Vorliegen einer Betriebsstätte anhand der Sechs-Monatsfrist ist für die Umsatzsteuer unerheblich.

Wird eine Rechnung unter der USt-IdNr. der Betriebsstätte ausgestellt, so gilt diese Betriebsstätte bis zum Beweis des Gegenteils als an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt. Hat der leistende Unternehmer seinen Sitz im Inland, findet das Reverse-Charge-Verfahren auch keine Anwendung, wenn er eine Betriebsstätte im Ausland hat und der Sitz des Unternehmens an dem Umsatz nicht beteiligt ist.

Ist es aus Sicht des Leistungsempfängers zweifelhaft, ob der leistende Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte hat, kann sich der Leistungsempfänger durch Vorlage einer Bescheinigung des leistenden Unternehmers vergewissern, ob er das Reverse-Charge-Verfahren anwenden muss oder nicht.

Hinweis:

Die Finanzverwaltung hat die Bescheinigung zuletzt mit bekanntgegeben.

Abb. 1: Auszug aus dem Vordruck USt 1 TS

3.2.3 Vergütung von Vorsteuern

Im Ausland ansässige Unternehmer können sich Vorsteuern im Vergütungsverfahren erstatten lassen, wenn sie im Inland keine oder nur bestimmte Umsätze ausgeführt haben. Diese Regelung gilt nur dann, wenn der Unternehmer keine Betriebsstätte im Inland hat. Entsprechendes gilt, wenn der im Ausland ansässige Unternehmer zwar eine inländische Betriebsstätte hat, von der aber keine steuerbaren inländischen Umsätze ausgeführt werden.

Beispiel 2

Unternehmer U mit Sitz in Polen hat zu Repräsentations- und Geschäftsanbahnungszwecken ein Büro in Frankfurt/Oder, das mit einem Mitarbeiter besetzt ist. Von diesem Büro aus werden keine Umsätze ausgeführt. U kann Vorsteuern aus Mietrechnungen und aus Stromkosten in Abzug bringen.

Lösung

U kann die Vorsteuern nur im Vergütungswege nach § 59 ff. UStDV beanspruchen. U hat zwar eine Betriebsstätte im Inland, jedoch werden von dieser keine Umsätze ausgeführt. U kann die Vorsteuer nicht im Regelbesteuerungsverfahren nach § 18 UStG durch Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. Umsatzsteuer-Jahreserklärungen geltend machen.

3.2.4 Sonstige Hinweise

Weitere Rechtsfolgen im Zusammenhang mit einer Betriebsstätte gelten für:

3.3 Praxisbeispiel: Dienstleistung und vermeintliche Betriebsstätte

U betreibt in Frankfurt/Oder ein Übersetzungsbüro für polnisch/deutsch. Die Übersetzungen werden teilweise durch polnische Arbeitnehmer vorgenommen, die die Übersetzungen in Polen an ihrem Wohnort fertigen. Hierfür wird den Arbeitnehmern entsprechende Technik (Computer, Monitor) zur Verfügung gestellt. Die fertigen Manuskripte werden dann an U per E-Mail zur weiteren Verwendung übersandt. Die Manuskripte werden in Frankfurt/Oder einer Endprüfung unterzogen und dann an die jeweiligen Kunden mit Rechnung übersandt. U wirbt ständig in polnischen Zeitungen für seinen Übersetzungsdienst und gibt als Ansprechpartner die jeweiligen polnischen Arbeitnehmer mit Adresse an.

  1. U erstellt für den polnischen Unternehmer W mit Sitz in Warschau und der USt-IdNr. PL1234567890 eine Übersetzung für eine Betriebsanleitung. Der Rechnungsbetrag beträgt lt. Rechnung vom 1.000 € netto.

  2. U erstellt für die polnische Privatperson mit Wohnort Breslau eine Übersetzung für ein Testament. Der Rechnungsbetrag beträgt lt. Rechnung vom 500 €.

U hat keine Betriebsstätte(n) in Polen: Die Wohnungen der Arbeitnehmer gelten nicht als Betriebsstätten. Die personelle und technische Ausstattung erlaubt keine autonome Erbringung der Übersetzungsdienstleistungen an den jeweiligen Kunden. Die Tätigkeiten der Arbeitnehmer sind als Zuarbeiten an U anzusehen, der dann ausschließlich die Übersetzungen vom Stammsitz in Frankfurt/Oder ausführt.

Testen Sie kostenfrei eines der folgenden Produkte, die das Dokument enthalten:

NWB MAX
NWB PLUS
NWB Lohn, Deklaration & Buchhaltung
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen