BVerwG Urteil v. - 5 C 57/15

Berücksichtigung von Trennungskindern als Haushaltsmitglied beim umgangsberechtigten Elternteil

Leitsatz

1. Auch die Berücksichtigung des jüngsten Kindes als Haushaltsmitglied nach der bis zum geltenden Vorschrift des § 5 Abs. 6 Satz 2 WoGG 2008 setzt ein gemeinsames Sorgerecht der getrennt lebenden Eltern voraus.

2. Der Ausschluss umgangsberechtigter Eltern von der Begünstigung nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 verletzt weder die Freiheitsgrundrechte des Art. 6 GG noch die Gleichheitssätze des Art. 3 GG.

Gesetze: § 5 Abs 6 S 1 WoGG 2008, § 5 Abs 6 S 2 WoGG 2008, § 1626 Abs 1 BGB, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 2 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 12 A 763/10 Urteilvorgehend VG Gelsenkirchen Az: 3 K 4994/09

Tatbestand

1Der Kläger begehrt für den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2013 die Bewilligung von Wohngeld unter Berücksichtigung seiner damals noch minderjährigen Töchter als Haushaltsmitglieder.

2Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seine Töchter wurden im Mai 1993 und Mai 1995 geboren. Seit dem Jahre 1996 lebte der Kläger von deren Mutter getrennt. Im Jahre 1998 mietete der Kläger eine 64 qm große Drei-Zimmer-Wohnung, in der er ein Kinderzimmer für seine Töchter vorhielt. Die Ehe zwischen ihm und seiner Frau wurde im Jahre 2001 geschieden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens wurde seiner geschiedenen Frau das alleinige Sorgerecht für die Töchter zugesprochen, das sie bis zum jeweiligen Eintritt von deren Volljährigkeit mit Ausnahme einzelner Bereiche, wie z.B. Angelegenheiten der Schule oder der Gesundheit, ausübte. Hinsichtlich der genannten Bereiche wurden dem Kläger nachträglich gleichberechtigte Mitentscheidungsrechte eingeräumt.

3Nach dem Wegfall der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragte der Kläger am die Bewilligung von Wohngeld unter Zurechnung seiner Töchter als Haushaltsmitglieder zu seinem Haushalt. Zu diesem Zeitpunkt besuchten beide Töchter noch die Schule, lebten im Haushalt ihrer Mutter und waren dort mit ihrem ersten Wohnsitz gemeldet. Beim Kläger verbrachten sie entsprechend des ihm eingeräumten Umgangsrechts jedes zweite Wochenende, die Hälfte der Schulferien, die Hälfte der Brücken- und Feiertage sowie seinen Geburtstag. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

4Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Töchter des Klägers könnten seinem Haushalt insbesondere nicht nach § 5 Abs. 6 Satz 1 WoGG 2008 als Haushaltsmitglieder zugerechnet werden. Es fehle bereits an dem danach vorausgesetzten gemeinsamen Sorgerecht. Das Abstellen auf das gemeinsame Sorgerecht sei kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers und verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Grundrechte des Klägers.

5Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt insbesondere die Unvereinbarkeit des § 5 Abs. 6 Satz 1 WoGG mit Art. 3 und Art. 6 GG.

6Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

7Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis ohne Rechtsverstoß einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Wohngeld für den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2013 verneint.

8Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewilligung von Wohngeld für den besagten Zeitraum können sich nur aus dem Wohngeldgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom (BGBl. I S. 1856), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 610), - WoGG 2008 -, ergeben. Auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist die durch das Gesetz vom (BGBl. I S. 1610) vorgenommene Änderung des § 5 des Wohngeldgesetzes, die am in Kraft getreten ist (WoGG 2016). Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangenen, dass sich der streitgegenständliche Bewilligungszeitraum von September 2009 bis einschließlich Mai 2013 erstreckt (1.). Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, steht zwischen den Beteiligten das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen mit Ausnahme der Frage, ob die Töchter des Klägers bis zum Eintritt ihrer jeweiligen Volljährigkeit gemäß § 5 Abs. 6 WoGG 2008 zu den Mitgliedern seines Haushalts zu zählen waren, zu Recht nicht im Streit. Nach dieser Vorschrift ist, wenn nicht nur vorübergehend getrennt lebende Eltern das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind oder mehrere Kinder haben und sie für die Kinderbetreuung zusätzlichen Wohnraum bereithalten, jedes annähernd zu gleichen Teilen betreute Kind bei beiden Elternteilen Haushaltsmitglied (Satz 1). Betreuen die Eltern mindestens zwei dieser Kinder nicht zu annähernd gleichen Teilen, ist bei dem Elternteil mit dem geringeren Betreuungsanteil nur das jüngste dieser nicht zu annähernd gleichen Teilen betreuten Kinder Haushaltsmitglied (Satz 2). Auch im letztgenannten Fall hängt die auf das jüngste Kind beschränkte Zurechnung als Haushaltsmitglied vom Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts ab (2.). Daran fehlte es im streitgegenständlichen Zeitraum (3.). Das Erfordernis eines gemeinsamen Sorgerechts in § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 steht mit höherrangigem Recht in Einklang (4.). Dementsprechend waren die Töchter des Klägers - unabhängig vom Umfang seines Betreuungsaufwandes - weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 des § 5 Abs. 6 WoGG 2008 bei der Berechnung seines Wohngeldanspruchs als Haushaltsmitglieder in Ansatz zu bringen.

91. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf der Grundlage des Antrags vom über die Bewilligung von Wohngeld an den Kläger für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2013 zu entscheiden war.

10Nach den von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Wohngeldrecht entwickelten Grundsätzen ist der Streit über die Versagung von Wohngeld nicht auf den durch den gestellten Antrag bestimmten und nach § 25 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2008 in der Regel zwölf Monate umfassenden Bewilligungszeitraum beschränkt. Vielmehr erfasst der Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage gegen einen ablehnenden Wohngeldbescheid dem Grundsatz nach, ohne dass es nach bestimmten Zeitabschnitten einer erneuten Antragstellung bedarf, alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung entstandenen Ansprüche auf Wohngeld, solange der Antragsteller damit rechnen muss, dass erneuten Anträgen dieselben Ablehnungsgründe entgegengehalten werden. Es ist dem Betroffenen nicht zumutbar, für jeden neuen Bewilligungszeitraum einen neuen Antrag zu stellen, solange der Streit über den unverändert aufrechterhaltenen Versagungsgrund geführt wird. Ebenso ist den zuständigen Behörden nicht zuzumuten, neu eingehende Anträge erneut zu bearbeiten, solange der Streit über den Versagungsgrund nicht zum Abschluss gelangt ist (vgl. 8 C 104.73 - Buchholz 454.71 § 14 II. WoGG Nr. 1 S. 5 f.; vom - 8 C 94.82 - BVerwGE 69, 198 <199> und vom - 8 C 58.89 - BVerwGE 84, 278 <285 f.>). So ist es auch hier.

11Die Beklagte lehnte den Wohngeldantrag des Klägers vom aus grundsätzlichen Erwägungen ab, weil der Kläger und seine geschiedene Frau kein gemeinsames Sorgerecht innehatten. Solange sich daran bis zur Volljährigkeit der jüngsten Tochter im Mai 2013 nichts änderte, was nicht der Fall war, war zu erwarten, dass die Beklagte etwaige Wohngeldanträge des Klägers für weitere Bewilligungszeiträume mit derselben Begründung ablehnen würde.

122. Die Berücksichtigung jedenfalls des jüngsten Kindes als Haushaltsmitglied nach der bis zum geltenden Fassung des § 5 Abs. 6 Satz 2 WoGG 2008 setzt ebenso wie § 5 Abs. 6 Satz 1 WoGG 2008 ein gemeinsames Sorgerecht der getrennt lebenden Eltern voraus.

13Das gemeinsame Sorgerecht wird zwar im Wortlaut des § 5 Abs. 6 Satz 2 WoGG 2008 als Anspruchsvoraussetzung nicht ausdrücklich wiederholt. Allerdings weisen der übrige Wortlaut und der systematische Zusammenhang des Satzes 2 mit Satz 1 sehr deutlich in die Richtung, dass die auf das jüngste Kind beschränkte Hinzurechnung zu zwei Haushalten ein gemeinsames Sorgerecht erfordert und damit die Berücksichtigung von Kindern als Haushaltsmitglieder bei getrennt lebenden Elternteilen ausscheidet, die - wie der Kläger - im Wesentlichen nur über ein Umgangsrecht verfügen. Die Formulierung "dieser Kinder" in Satz 2 knüpft unzweifelhaft an den ersten Halbsatz des Satzes 1 an, der die von der Zurechnungsregelung des Satzes 1 erfassten Kinder als solche kennzeichnet, deren Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind. Zudem greift der Wortlaut des Satzes 2 die weitere Tatbestandsvoraussetzung des Betreuungsaufwandes auf und kleidet sie in eine Negativformulierung ("nicht annähernd zu gleichen Teilen").

14Das von Wortlaut und Binnensystematik gebotene Normverständnis wird durch den Zweck des § 5 Abs. 6 WoGG 2008, der aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/6543 S. 91) und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutlich hervorgeht, gestützt. Danach wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift in Anlehnung an die vorgefundene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Trennungskindern als Haushaltsmitglieder im Falle ihrer Betreuung in Form des sogenannten Wechselmodells eine Ausnahme von dem wohngeldrechtlichen Grundsatz schaffen, dass eine Person, auch wenn sie mehrere Wohnungen bewohnt, lediglich für eine Wohnung Wohngeld erhalten kann, und zwar nur für die Wohnung, in der sie den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat. Denn ihren Lebensmittelpunkt kann jede Person dem Wortsinn nach nur einmal haben. Dementsprechend soll sie grundsätzlich nur in der Wohnung, in der sie diesen Mittelpunkt hat, Haushaltsmitglied im Sinne des Wohngeldrechts sein und einen Wohngeldanspruch begründen oder als zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied erhöhen können (vgl. § 4 Nr. 1 WoGG 2008 und BT-Drs. 16/6543 S. 90). Das gilt in der Regel auch für Kinder von nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern. Diese sollen nach der Intention des Gesetzgebers abweichend vom wohngeldrechtlichen Grundsatz nur ausnahmsweise den Haushalten beider Elternteile wohngelderhöhend zugeordnet werden können, wenn sich die Feststellung ihres Lebensmittelpunktes als besonders schwierig bis unmöglich erweist. Um dies zu gewährleisten, knüpft der Gesetzgeber die doppelte Berücksichtigung von Kindern getrennt lebender Eltern bis zum (auch) an die Inhaberschaft eines gemeinsamen Sorgerechts. Dem liegt die nach (damaliger) Lage der Dinge vertretbare Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass die genannten Feststellungsprobleme typischerweise bei dieser Fallkonstellation zu erwarten sind, weil Kinder in der Regel ihren Lebensmittelpunkt bei dem sorgeberechtigten und damit für ihr Wohl verantwortlichen Elternteil haben. Der Sache nach greift der Gesetzgeber damit die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf, die bei Kindern, die durch ihre getrennt lebenden gemeinsam sorgeberechtigten Eltern im Wechselmodell betreut werden, von dem wohngeldrechtlichen Grundsatz eine Ausnahme gemacht und diese gegebenenfalls den Haushalten beider Eltern zugerechnet und dabei dem Kriterium der elterlichen Sorge entscheidendes Gewicht beigemessen hatten (vgl. - FamRZ 1988, 988 <989 f.>; - NVwZ-RR 1997, 548 <549>; VG Frankfurt a.M., Urteil vom - 6 E 5323/01 - NVwZ-RR 2003, 64). Diese Rechtsprechung hatte zuvor auch schon in der durch Verwaltungsvorschrift (vgl. Teil A Nr. 4.34 WoGVwV 2002) geregelten Praxis Niederschlag gefunden (vgl. BT-Drs. 16/6543 S. 91).

153. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Töchter des Klägers nach § 5 Abs. 6 WoGG 2008 schon mangels eines gemeinsamen Sorgerechts nicht bei ihm als Haushaltsmitglieder zu berücksichtigen waren. Das dem Kläger eingeräumte Umgangsrecht oder die ihm zuerkannten gleichberechtigten Mitentscheidungsbefugnisse in Angelegenheiten der Schule oder der Gesundheit erfüllen diese Voraussetzung - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht.

16Mit Sorgerecht im Sinne der genannten Vorschrift ist die umfassende elterliche Sorge nach § 1626 Abs. 1 BGB gemeint. Der Wortsinn des Begriffs des gemeinsamen Sorgerechts ist nach dem einschlägigen Fachsprachgebrauch eindeutig und lässt keinen Zweifel offen. Er sperrt sich - entgegen der Auffassung des Klägers - einer (erweiternden) Auslegung dahingehend, die tatbestandliche Voraussetzung bei einem Umgangsrecht oder einem Teilsorgerecht als erfüllt anzusehen. Das Sorgerecht und das Umgangsrecht sind selbständig nebeneinander stehende Rechte, die eine unterschiedliche Rechts- und Pflichtenstellung begründen. Das lässt sich den einschlägigen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches entnehmen. Ebenso ist die Rechts- und Pflichtenstellung desjenigen Elternteils, dem lediglich einzelne Teile der elterlichen Sorge übertragen werden, zwangsläufig weniger weitreichend als diejenige des umfassend sorgeberechtigten Elternteils.

17Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 Abs. 1 BGB die Personensorge und die Vermögenssorge. Hinzu kommt die gesetzliche Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zur Personensorge zählen insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Ein Bestandteil der Personensorge in der Gestalt der Pflege ist die Gesundheitssorge. Zur Personensorge in der Gestalt der Erziehung gehören beispielsweise die schulischen Angelegenheiten. Darüber hinaus erstreckt sich die Personensorge auf das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1 BGB), sowie das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB). Die Befugnis zur Bestimmung des Umgangs des allein sorgeberechtigten Elternteils bezieht sich auch auf den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil. Allerdings hat der andere Elternteil nach § 1684 Abs. 1 BGB ein vom Sorgerecht unabhängiges Umgangsrecht, das insbesondere bei einer entsprechenden gerichtlichen Umgangsregelung das Sorgerecht des anderen Elternteils entsprechend einschränkt ( - FamRZ 2016, 1752 Rn. 45 m.w.N.). Die Vermögenssorge umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die der Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindesvermögens dienen. Sie bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Vermögen des Kindes (vgl. §§ 1638 ff. BGB). Im Unterschied dazu berechtigt und verpflichtet das vom Sorgerecht unabhängige Umgangsrecht allein zum Umgang mit dem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB). Es soll dem umgangsberechtigten Elternteil ermöglichen, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen ( - FamRZ 2016, 1917 Rn. 18 m.w.N.; 5 C 15.94 - Buchholz 436.0 § 12 BSHG Nr. 32). Das Umgangsrecht sichert dem Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, sich persönlich dem Kind widmen und an dessen Entwicklung teilhaben zu können sowie seiner Elternverantwortung nicht lediglich durch das Zahlen von Kindesunterhalt nachzukommen ( - BVerfGE 121, 69 <94> und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 2275/08 - FamRZ 2008, 2185 Rn. 18). Der umgangsberechtigte Elternteil ist grundsätzlich nur befugt, während des Umgangs Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung allein zu entscheiden (§§ 1687a, 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB).

184. Die Beschränkung der wohngeldrechtlichen Berücksichtigung von Kindern als Haushaltsmitglieder nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 auf die Fälle eines gemeinsamen Sorgerechts getrennt lebender Eltern ist mit den Freiheitsgrundrechten des Art. 6 GG vereinbar (a). Sie verstößt auch nicht gegen die Gleichheitssätze aus Art. 3 GG (b).

19a) Der generelle Ausschluss umgangsberechtigter Eltern von der Möglichkeit, ihre Kinder nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 als Mitglied ihres Haushaltes wohngelderhöhend in Ansatz zu bringen, ist nicht an dem allgemeinen Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG zu messen (aa). Das Elterngrundrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch den Begünstigungsausschluss nicht verletzt (bb). Der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht eröffnet (cc).

20aa) Der umgangsberechtigte Elternteil, der nicht mit seinem Kind zusammenlebt, bildet mit diesem zwar eine Familie, die vom Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist. Denn Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG ist die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern, die für diese Verantwortung tragen. Lebt das Kind mit beiden Eltern zusammen, bilden sie gemeinsam eine Familie. Ist dies - wie bei den Töchtern des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum - nicht der Fall, tragen aber beide Eltern tatsächlich Verantwortung für das Kind, hat das Kind zwei Familien, die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sind, nämlich die mit der Mutter und die mit dem Vater (, 1 BvR 1724/01 - BVerfGE 108, 82 <112> m.w.N.).

21Liegen die Voraussetzungen des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG vor, verdrängt dieses aber aus Gründen der Spezialität das allgemeine Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 20/63, 1 BvL 31/66, 1 BvL 5/67 - BVerfGE 24, 119 <135 f.> und vom - 1 BvR 88/69, 1 BvR 496/69 - BVerfGE 31, 185 <204>; Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 6 Rn. 3 und 41). So liegt es hier. Das von den Zurechnungsregelungen des § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 berührte Umgangsrecht unterfällt dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Vom Schutz des Elternrechts umfasst ist das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils (vgl. - FamRZ 1995, 86; Beschluss vom - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 - BVerfGE 108, 52 <81>; Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1547/16 - FamRZ 2016, 1917 Rn. 18, jeweils m.w.N.). Dieses ist betroffen, sofern es darum geht, ob und in welchem Umfang in Anwendung des § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 staatliche Unterstützungsleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen, um einem nicht hinreichend leistungsfähigen Elternteil die tatsächliche Inanspruchnahme seines Umgangsrechts zu ermöglichen oder zu erleichtern.

22bb) Die Zurechnungsregelungen des § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 verletzen das Elterngrundrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht, soweit sie die Begünstigung auf solche dauerhaft getrennt lebenden Elternteile beschränken, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht.

23Das Grundrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht in seiner Funktion als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe betroffen. Die Tatbestände des § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 enthalten keine einschränkende Regelung über die Art, die Dauer oder den Umfang des Umgangs eines nichtsorgeberechtigten Elternteils mit seinem Kind bzw. seinen Kindern. Soweit einem umgangsberechtigten Elternteil in Anwendung der Zurechnungsregelungen die Gewährung von Wohngeld versagt wird, stellt dies keinen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts dar. Mit Blick darauf ist Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aber in seiner Schutz- und Förderdimension berührt. Die aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Schutz- und Förderpflicht des Staates zugunsten der Familie erstreckt sich auch auf das speziellere Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Daraus ergibt sich die Aufgabe des Staates, das Elternrecht durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten - wie hier dem Wohngeldrecht - lassen sich aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG jedoch nicht herleiten (vgl. - BVerfGE 130, 240 <251 f. und 256>; s.a. Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1853/11 - FamRZ 2012, 91 Rn. 13). Soweit es um das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils geht, manifestiert sich der staatliche Schutz- und Förderauftrag des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dem Gebot, dessen Ausübung mit den Mitteln der Sozialhilfe zu gewährleisten ( - NJW 1995, 1342 <1343>). Dementsprechend ist zur Erfüllung des Gebots erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Gesetzgeber im Sozialhilferecht eine Regelung vorsieht, die dem Grunde nach den durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts verursachten Mehrbedarf erfasst und nichtsorgeberechtigten Elternteilen im Falle ihrer Sozialhilfebedürftigkeit den Umgang mit ihren Kindern finanziell ermöglicht. Ist das der Fall, ist Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht deshalb verletzt, weil die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht stehenden zusätzlichen oder höheren Wohnkosten nicht auch (zusätzlich) durch wohngeldrechtliche Leistungen abgegolten werden können. Gemessen daran, ist der Begünstigungsausschluss nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 nicht zu beanstanden.

24Dem Anliegen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls schon dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass unbemittelte Elternteile im Rahmen der Sozialhilfe gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (gültig vom bis zum ) bzw. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (gültig ab dem ) die durch die Ausübung des Umgangsrechts entstandenen oder erhöhten Wohnkosten als zusätzlichen Bedarf geltend machen konnten bzw. können. Das folgt aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Berücksichtigung des umgangsrechtlichen Mehrbedarfs im Recht der Grundsicherung für Arbeitslose gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 SGB II. Danach stellen zusätzliche oder höhere Wohnkosten, die dem umgangsberechtigten Elternteil gerade wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehen, einen zusätzlichen Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils dar, der im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 SGB II zu berücksichtigen ist ( - FamRZ 2016, 904 Rn. 21). Diese Rechtsprechung zu § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 SGB II ist auf die genannten sozialhilferechtlichen Vorschriften zu übertragen. Denn § 29 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII enthalten eine inhaltsgleiche Regelung. Sie ordnen - ebenso wie § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II - an, dass die Aufwendungen für die Unterkunft, die den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als (zusätzlicher) Bedarf anzuerkennen sind.

25cc) Der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht eröffnet.

26Die dem Staat danach zugewiesene Aufgabe, darüber zu wachen und sicherzustellen, dass die Wahrnehmung des Elternrechts sich am Kindeswohl ausrichtet und dabei die Rechte des Kindes Beachtung finden, wozu als gewichtige Voraussetzung der elterliche Kontakt mit dem Kind gehört (vgl. - BVerfGE 121, 69 <94> und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 2275/08 - FamRZ 2008, 2185 Rn. 18), rechtfertigt Maßnahmen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes gegen die Eltern. Aus ihm lässt sich unter dem Aspekt des Anspruchs auf Teilhabe der Eltern an staatlichen Leistungen zur Ausübung ihres Elternrechts nichts herleiten.

27b) Der Ausschluss umgangsberechtigter Elternteile von den Zurechnungsmöglichkeiten nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 verletzt weder den speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (aa) noch das Gleichberechtigungsgebot in Art. 3 Abs. 2 GG (bb) oder den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (cc).

28aa) Das gemeinsame Sorgerecht als Voraussetzung für die Zurechnung eines Kindes als Haushaltsmitglied zu zwei Haushalten verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

29Danach darf niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Vorschrift konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers engere Grenzen setzt. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtliche Ungleichbehandlungen benachteiligender oder bevorzugender Art herangezogen werden. Hierfür ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG bietet vielmehr auch Schutz vor faktischen Benachteiligungen. Dementsprechend kann eine im Sinne dieser Grundrechtsnorm unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht auch vorliegen, wenn ein geschlechtsneutral formulierter sachlicher Anknüpfungspunkt - wie hier der des gemeinsamen Sorgerechts in § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 - in der gesellschaftlichen Wirklichkeit weitgehend nur für ein Geschlecht zutrifft oder die differenzierende Regelung sich weitgehend nur auf ein Geschlecht im Sinne einer faktischen Benachteiligung auswirkt (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 6/07 - BVerfGE 121, 241 <254 f.> und vom - 1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11 - BVerfGE 132, 72 Rn. 57, jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier nicht.

30Das Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Sorgerechts führt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht zu einer faktischen Benachteiligung von Männern gegenüber Frauen. Aus den exemplarischen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu den Jahren 2009 und 2010 ist zu folgern, dass Mütter mit einem alleinigen Sorgerecht zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum in der gesellschaftlichen Wirklichkeit jedenfalls keine überrepräsentierte Gruppe darstellten. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass im Jahre 2009 in 92 v.H. der Scheidungen, bei denen die Familiengerichte eine Sorgerechtsentscheidung hinsichtlich minderjähriger Kinder zu treffen hatten, den Eltern ein gemeinsames Sorgerecht zugesprochen wurde. Im Jahre 2010 waren bei 82 300 Scheidungen minderjährige Kinder betroffen. In (aufgerundet) etwa 95 v.H., d.h. 78 060 dieser Fälle blieb es im Ergebnis zunächst beim gemeinsamen Sorgerecht der Eltern für ihre Kinder. Weil sich das gemeinsame Sorgerecht im Alltag offensichtlich als problematisch erwies, kam es im Jahre 2010 - meist nach einer Scheidung - zudem zu 29 400 eigenständigen Sorgerechtsverfahren. Das alleinige Sorgerecht wurde in 44 v.H., d.h. in 12 936 dieser Verfahren der Mutter und in 15 v.H., d.h. in 4 410 dieser Verfahren dem Vater zugesprochen. In 11 v.H., d.h. in 3 234 der eigenständigen Sorgerechtsverfahren entschieden die Gerichte auf ein gemeinsames Sorgerecht. Insgesamt verblieb es damit im Jahre 2010 bei 51 894 der 82 300 Scheidungen (<abgerundet> etwa 63 v.H.) bei einem gemeinsamen Sorgerecht geschiedener Eltern. Bereits dieser Befund schließt für den hier in Rede stehenden Zeitraum die Annahme aus, dass bei geschiedenen Eltern die Gruppe der alleinsorgeberechtigten Mütter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit in relevantem Umfang überrepräsentiert ist. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass 62 v.H. der nicht miteinander verheirateten Eltern die elterliche Sorge aufgrund von Sorgeerklärungen im Sinne von § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB gemeinsam ausüben. Die genannten Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Unter Zugrundelegung dieser Zahlen ist die Festlegung eines gemeinsamen Sorgerechts als Voraussetzung dafür, dass Kinder getrennt lebender Eltern ausnahmsweise auch dem Haushalt desjenigen Elternteils zugerechnet werden können, in dem sie nicht den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 4 WoGG 2008 haben, jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu beanstanden.

31bb) Entsprechendes gilt im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Verstoß gegen das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG.

32Sofern diese Grundrechtsnorm die Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, die tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 15/11 - FamRZ 2011, 1645 Rn. 17 und 19 und vom - 1 BvL 8/08 - BVerfGE 126, 29 <53>, jeweils m.w.N.), ist eine Verletzung dieser Verpflichtung schon deshalb zu verneinen, weil die Forderung nach einem gemeinsamen Sorgerecht in § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 nach den vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Zahlen - wie dargelegt - nicht zu einer faktischen, typischerweise Männer treffenden Benachteiligung führt.

33cc) Schließlich sind die Regelungen des § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Er gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird ( - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Die genannten wohngeldrechtlichen Bestimmungen bewirken zwar für den Personenkreis der umgangsberechtigten Elternteile, zu dem auch der Kläger gehört, einen rechtfertigungsbedürftigen Begünstigungsausschluss ((1)). Die darin liegende Ungleichbehandlung ist aber durch einen hinreichenden sachlichen Grund gerechtfertigt ((2)).

34(1) § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 führen bei ansonsten dem Grunde nach bestehender Wohngeldberechtigung zu einer Ungleichbehandlung zwischen nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern, die ein gemeinsames Sorgerecht innehaben und für die Kinderbetreuung zusätzlichen Wohnraum bereithalten, und solchen, die nicht über ein gemeinsames Sorgerecht verfügen, aber ebenfalls für die Betreuung ihrer Kinder zusätzlichen Wohnraum vorhalten. Nur bei Erstgenannten können die Kinder nach § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 ausnahmsweise auch bei der Berechnung des Wohngeldanspruchs desjenigen Elternteils als Haushaltsmitglied berücksichtigt werden, bei dem sie nicht den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 WoGG 2008 haben. Mithin liegt eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vor.

35(2) Die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt. Sie muss - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht nur einer Willkürkontrolle standhalten ((a)). Die Regelungen in § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 genügen den hier stattdessen einzuhaltenden (strengeren) Anforderungen ((b)).

36(a) Im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von gemeinsam sorgeberechtigten und umgangsberechtigten Elternteilen ist nicht nur eine Willkürkontrolle, sondern eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten. Die vom Kläger zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom - 1 BvR 1428/88 - BVerfGE 80, 48 <51>; vom - 1 BvR 275/90 - BVerfGE 83, 82 <84>; vom - 1 BvR 1772/91 - BVerfGE 86, 59 <63>; vom - 2 BvR 1781/07 - NJW 2008, 570 und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 964/04 - NJW 2005, 409) ist nicht einschlägig. Sie verhält sich zur Vereinbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und der ihnen zugrundeliegenden Rechtsanwendung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Hier geht es indessen um die Frage, ob die anzuwendende Rechtsnorm als solche mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Dies gilt auch, wenn die Ungleichbehandlung von Personengruppen - wie hier - durch eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar bewirkt wird. In diesen Fällen liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz schon dann vor, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100>; vom - 1 BvR 1164/07 - BVerfGE 124, 199 <220>; vom - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68 f.> und vom - 1 BvR 371/11 - FamRZ 2016, 1839 Rn. 69, jeweils m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf der Gesetzgeber grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (stRspr, vgl. - BVerfGE 87, 234 <255 f.> und - BVerfGE 84, 348 <360> m.w.N.). Des Weiteren ist erforderlich, dass die Härten und Ungerechtigkeiten lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 9/06, 1 BvL 2/08 - BVerfGE 126, 233 <263 f.> und vom - 1 BvL 9/14 - juris Rn. 19 f., jeweils m.w.N.).

37(b) Die Benachteiligung der Elternteile, die kein gemeinsames Sorgerecht innehaben, ist durch hinreichende Gründe gerechtfertigt. Das mit § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 verfolgte Ziel ist einsichtig und legitim ((aa)). Bei dem gewählten Anknüpfungspunkt des gemeinsamen Sorgerechts handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung ((bb)).

38(aa) § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG 2008 soll - wie dargelegt - bei Trennungskindern eine Ausnahme von dem wohngeldrechtlichen Grundsatz, dass eine Person nur hinsichtlich einer Wohnung als Haushaltsmitglied zu berücksichtigen ist, allein in den Fällen ermöglichen, in denen die Feststellung des Lebensmittelpunktes solcher Kinder besonders schwierig bis unmöglich ist. Die Schaffung eines eng geführten Ausnahmetatbestandes bei der Gewährung staatlicher Leistungen zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (vgl. § 1 Abs. 1 WoGG 2008) stellt ein legitimes gesetzgeberisches Anliegen dar.

39(bb) Die Festlegung der von § 5 Abs. 6 Satz 1 und 2 WoGG begünstigten Gruppe durch die Forderung nach einem gemeinsamen Sorgerecht genügt den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung.

40Der Gesetzgeber hat hier insoweit typisiert, als er - wie dargelegt - angenommen hat, die Feststellung eines Lebensmittelpunktes sei typischerweise in den Fällen schwierig bis unmöglich, in denen nicht nur vorübergehend getrennt lebende Eltern das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind oder mehrere Kinder inne hätten und für die Kinderbetreuung zusätzlichen Wohnraum bereithielten. Typisierend hat er nur diese Sachverhaltskonstellation als regelungsbedürftig angesehen und eine Einzelfallprüfung hinsichtlich des Betreuungsumfangs für erforderlich gehalten. Dies ist nicht zu beanstanden.

41Die Bewilligung von Wohngeld gehört zur Massenverwaltung. Zwar stellt die mit der Anknüpfung an das gemeinsame Sorgerecht verbundene Benachteiligung umgangsberechtigter Elternteile für diese eine Härte dar. Diese wäre jedoch nur unter Schwierigkeiten, nämlich einem erheblichen Zuwachs an Verwaltungsaufwand vermeidbar. Das liefe dem erklärten Ziel des Gesetzgebers zuwider, mit dem Gesetz zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom zur Verwaltungsvereinfachung beizutragen (BT-Drs. 16/6543 S. 1, 84, 89 bis 91, 94 bis 99, 104, 110, 112). Der Begünstigungsausschluss umgangsberechtigter Elternteile ließe sich - auch nach Ansicht des Klägers - vor allem dadurch verhindern, dass die wohngelderhöhende Berücksichtigung von Trennungskindern allein vom Umfang der tatsächlichen Betreuung abhängig gemacht wird. Dies würde es allerdings erforderlich machen, dass die Wohngeldbehörden bei jedem Antrag eines dauerhaft getrennt lebenden Elternteils auf Bewilligung von Wohngeld prüfen, in welchem Umfang dieser sein Kind betreut. Der Verwaltungsaufwand würde dadurch beträchtlich zunehmen. So ist den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - wie aufgezeigt - zu entnehmen, dass bei den 82 300 Scheidungen des Jahres 2010 die Eltern im Ergebnis in 37 v.H. der Fälle kein gemeinsames Sorgerecht innehatten. Selbst wenn nicht anzunehmen ist, dass in all diesen Fällen ein Wohngeldantrag gestellt wurde, erlaubt dies den Schluss, dass angesichts der absoluten Zahlen mit einem nicht unbeachtlichen Verwaltungsmehraufwand zu rechnen wäre.

42Es ist nicht ersichtlich, dass die hier vorgenommene Typisierung eine sie ausschließende quantitative Härtefallgrenze überschreitet. Die Überschreitung einer solchen Grenze lässt sich insbesondere nicht aus dem Umstand herleiten, dass bei Scheidungen, bei denen auch minderjährige Kinder betroffen sind, in nicht unerheblichem Umfang kein gemeinsames Sorgerecht besteht. An einem solchen Sorgerecht fehlte es beispielsweise im Jahre 2010 - wie dargestellt - in 37 v.H. der Scheidungsfälle. Dieser Prozentsatz markiert aber nicht die Größe der Gruppe, die durch die Typisierung benachteiligt wird. Der von der Typisierung belastete Personenkreis ist nicht identisch mit der Gruppe der (bloß) umgangsberechtigten Eltern. Eine Härte tritt vielmehr nur für diejenigen Umgangsberechtigten ein, die dem Grunde nach wohngeldberechtigt sind und für ihr Kind oder ihre Kinder zusätzlichen Wohnraum zum Zweck der zeitweiligen Betreuung bereithalten. Es ist schon nicht erkennbar, dass die Anzahl dieser Fälle im Verhältnis zu entsprechenden Fallgestaltungen, bei denen ein gemeinsames Sorgerecht besteht, die Zahl der hinzunehmenden Härtefälle übersteigt. In diesem Zusammenhang ist überdies in Rechnung zu stellen, dass der hier vorgenommenen Typisierung auch die Wertung des Gesetzgebers zugrunde liegt, allein in den Fällen des gemeinsamen Sorgerechts bestehe Handlungsbedarf hinsichtlich der ausnahmsweisen Zuordnung von Kindern zu zwei Haushalten. Für die Frage, ob die eine Typisierung hindernde Härtefallgrenze überschritten ist, können auch Wertungen eine Rolle spielen (vgl. , 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 - BVerfGE 133, 377 Rn. 103; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck'scher Onlinekommentar GG, Art. 3 Rn. 124; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 111). Die hier vorgenommene Wertung ist nicht zu beanstanden.

43Nach der mit Rücksicht auf die damalige gesellschaftliche Wirklichkeit jedenfalls vertretbare Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers wirft die Feststellung des Lebensmittelpunktes typischerweise nur bei Kindern getrennt lebender Eltern mit einem gemeinsamen Sorgerecht besondere Probleme auf, da zwischen dem Sorgerecht und der Wahrnehmung der Betreuung ein innerer Zusammenhang besteht, aufgrund dessen Kinder ihren Lebensmittelpunkt in der Regel bei dem sorgeberechtigten und damit für ihr Wohl verantwortlichen Elternteil haben. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Prämisse des Gesetzgebers unzutreffend ist und das Sorgerecht für die Wahrnehmung der Betreuung zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom keine Bedeutung hatte, sind nicht erkennbar. Abgesehen davon ist die Gestaltung der Betreuung von Trennungskindern ein dynamischer Prozess, der sich insbesondere auch auf die Beantwortung der Frage erstreckt, ob das formale Kriterium der Inhaberschaft der elterlichen Sorge Einfluss auf die hierbei praktizierte Verteilung des Betreuungsumfangs hat. Bei einem sich in der Entwicklung befindlichen Sachverhalt ist dem Gesetzgeber ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, in dem er sich zunächst mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen darf, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen durch eine differenziertere Regelung zu ersetzen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 286/65 u.a. - BVerfGE 33, 171 <189 f.>; vom - 1 BvR 282/73 u.a. - BVerfGE 37, 104 <118> und vom - 1 BvL 18/82 u.a. - BVerfGE 68, 155 <174> sowie Urteil vom - 1 BvF 1/76 u.a. - BVerfGE 43, 291 <321>). Auch aus diesem Grund ist die vom Gesetzgeber im Jahre 2008 vorgenommene Typisierung durch die Anknüpfung an das gemeinsame Sorgerecht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass der Gesetzgeber die mögliche Entwicklung im Blick behalten hat, belegt die am in Kraft getretene Fassung des § 5 Abs. 4 Satz 1 WoGG 2016, wonach nunmehr allein der tatsächliche Betreuungsumfang für die Zurechnung von Trennungskindern als Haushaltsmitglied zu den Haushalten beider Elternteile maßgeblich ist.

44Schließlich bewirkt die Typisierung auch keinen besonders intensiven Gleichheitsverstoß. Sie führt - wie dargelegt - nicht zu einer faktischen Benachteiligung von Männern gegenüber Frauen. Soweit sie das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Umgangsrecht berührt, ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten mit Gewicht einzustellen, dass die Wahrnehmung des Umgangsrechts - wie aufgezeigt - durch Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitslose sichergestellt wird.

455. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:241116U5C57.15.0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 1491 Nr. 20
XAAAG-37896