BFH Beschluss v. - III S 6/99

Gründe

I. Der Antragsteller, Kläger, Revisionskläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) begehrt in der Sache die steuermindernde Berücksichtigung von Prozessaufwendungen bei den Einkommensteuerfestsetzungen für 1989 und 1990 als Betriebsausgaben bei seinen selbständigen Einkünften als Rechtsanwalt oder als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach Abweisung seiner Klage durch das Finanzgericht (FG) hat der Antragsteller im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl zulassungsfreie Revision nach § 116 der FinanzgerichtsordnungFGO— als auch Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG eingelegt. Zugleich beantragte der Antragsteller u.a. Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer für 1989 und 1990 nebst Zinsen.

Der Antragsgegner, Beklagte, Revisionsbeklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte mit Verfügung vom dem Antragsteller mitgeteilt, dass die bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des FG-Urteils am befristete AdV der Einkommensteuer für 1989 nebst Zinsen und der Einkommensteuer für 1990 entsprechend den Änderungsbescheiden vom beendet und die Beträge zum fällig seien. Der Antragsteller wurde gebeten, zur Vermeidung von Säumniszuschlägen zu veranlassen, dass die vorstehend angegebenen fälligen Beträge fristgerecht entrichtet würden. In der formularmäßigen Verfügung wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, erneut AdV zu beantragen, sofern u.a. Revision eingelegt werde.

Der Antragsteller meint, aufgrund der vorgenannten Verfügung des FA ergebe sich, dass es sinnlos und überflüssig wäre, beim FA selbst wieder AdV zu beantragen, nachdem dieses Schreiben bereits zur Zahlung auffordere. Es bestünden, wie sich aus der beigefügten Nichtzulassungsbeschwerde vom ergebe, ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des FG.

Das FA beantragt, den Antrag als unzulässig abzulehnen.

Es meint, der Antrag erfülle nicht die Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO n.F.

Das FA gewährte zugleich mit Verfügung vom die AdV für die Einkommensteuer 1989 und 1990 nebst Zinsen in dem vom Antragsteller begehrten Umfang bis zum Ablauf von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH).

Daraufhin erklärte der Antragsteller seinen Aussetzungsantrag für erledigt.

Das FA hält die Erledigungserklärung für unwirksam, weil der Aussetzungsantrag unzulässig sei.

II. Der Antrag auf AdV ist unzulässig (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO).

1. In einem unzulässigen Antragsverfahren kann die Hauptsache nicht einseitig wirksam für erledigt erklärt werden. Dementsprechend kann die einseitige Erledigungserklärung des Klägers bzw. Antragstellers bei ausdrücklicher Aufrechterhaltung des Abweisungsantrages durch das FA auch nicht zu einer Feststellung der Erledigung der Hauptsache durch das Gericht mit der Folge führen, dass sich die Kostenentscheidung aus § 138 FGO ergäbe. Eine derartige Entscheidung bezüglich der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass der Kläger bzw. Antragsteller berechtigt war, seinen Antrag, den Vollzug der geänderten Einkommensteuerbescheide für 1989 und 1990 im beantragten Umfang auszusetzen, in den Antrag umzuändern, darüber zu entscheiden, ob die Hauptsache erledigt ist. Hierzu ist das angerufene Gericht indes nur befugt, wenn es überhaupt auf den Antrag sachlich eingehen darf. Dies ist indes nur der Fall, wenn die Sache in zulässiger Weise an das Gericht gelangt ist. Bei einem von vornherein unzulässigen Antrag —wie hier (dazu 2.)— sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Vielmehr ist dann allein über die Zulässigkeit des Antrags zu entscheiden (, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697, m.umf.N. zur h.M.; vom VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588; Beschluss vom V S 6/88, BFH/NV 1990, 180; Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 138 Rz. 18, m.w.N.).

2. Der unmittelbar an den BFH gestellte Antrag auf AdV der Einkommensteuer 1989 und 1990 nebst Zinsen war unzulässig.

Gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist ein Antrag an das Gericht der Hauptsache nach Abs. 3, die Vollziehung ganz oder teilweise auszusetzen, nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Es handelt sich insoweit um eine besondere Zugangsvoraussetzung. Liegt sie im Zeitpunkt der Antragstellung (noch) nicht vor, so ist der Antrag unheilbar unzulässig (so bereits zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift in Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit —VGFGEntlG—, dazu , BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49, 50). Dies gilt auch für Anträge auf AdV, die beim BFH als Gericht der Hauptsache gestellt werden (, BFH/NV 1999, 210, m.w.N.).

Die vorgenannten Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Anrufung des BFH durch den Antragsteller nicht erfüllt.

Teilt die Behörde, wie im Streitfall, bei einer bis zum Ablauf des Klageverfahrens bewilligten AdV mit, die AdV sei nach Ergehen des die Klage abweisenden Urteils des FG abgelaufen, so ist diese Mitteilung nicht als Ablehnung einer weiteren AdV zu verstehen (vgl. , BFH/NV 1995, 701).

Im Streitfall sind ebenso wenig Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich, dass das FA seine Ansicht, dass gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide ernstliche Zweifel bestehen, nach Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils geändert hätte (vgl. dazu , BFH/NV 1998, 987). Dies wird zusätzlich durch den Hinweis in der Verfügung des FA vom verdeutlicht, dass es dem Antragsteller freistehe, erneut AdV zu beantragen.

Der Hinweis des FA auf den Ablauf der Frist für die bislang gewährte AdV bedeutet auch nicht, dass dem Antragsteller die Vollstreckung ”drohte” und der Antrag deshalb nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO aus diesem Grunde zulässig wäre. Dies hätte vielmehr konkrete Vorbereitungshandlungen zur Vollstreckung vorausgesetzt (vgl. , BFHE 143, 414, BStBl II 1985, 469, 470).

Der Antragsteller hat dafür weder entsprechende Gesichtspunkte vorgetragen, noch ist aus den Akten ersichtlich, dass derartige Handlungen vom FA im Streitfall getroffen worden wären.

Danach war der unmittelbar beim BFH gestellte Antrag auf AdV als unzulässig abzulehnen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1129 Nr. 9
NAAAA-65576