BFH Beschluss v. - II B 70/99

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten an der A AG, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, wie folgt beteiligt:

: 93,30 v.H.

: 93,81 v.H.

: 94,40 v.H.

: 94,68 v.H.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte diese Beteiligung in seinen Bescheiden über den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf die Stichtage , , und mit den Kurswerten der Aktien zuzüglich eines Paketzuschlags in Höhe von 25 v.H.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, ihre Beteiligung sei nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten, hilfsweise sei der Kurswert der Aktien ohne Paketzuschlag anzusetzen, blieben ohne Erfolg. Die Klägerin verwies insbesondere darauf, dass der gemeine Wert einer Beteiligung über 90 v.H. regelmäßig niedriger sei als die Summe der Kurswerte der einzelnen Aktien. Dies liege daran, dass die wenigen gehandelten Stücke den Kurs der Aktie auch bei geringer, insbesondere eigener Nachfrage überproportional steigen lasse. Es sei deshalb kein Paketzuschlag, sondern ein -abschlag vorzunehmen.

Das Finanzgericht (FG) führt in seinem klageabweisenden Urteil aus, für das Begehren der Klägerin, die Anteile unter dem Kurswert anzusetzen, finde sich im Gesetz keine Stütze. Zu Recht sei auch ein Paketzuschlag erhoben worden. Denn aufgrund der hohen Beteiligung der Klägerin sei davon auszugehen, dass der gemeine Wert der Beteiligung höher gewesen sei als die bloße Summe der Kurswerte.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie mangelnde Sachaufklärung durch das FG geltend macht.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob bei einer Beteiligung von mehr als 25 v.H. regelmäßig angenommen werden könne, der gemeine Wert der Beteiligung sei höher als die Summe der Werte, die sich für die Aktien nach den Kurswerten ergeben, ist nicht klärungsbedürftig. Denn die Rechtslage ist eindeutig.

Nach § 11 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind Wertpapiere, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs anzusetzen. Hält eine Person eine Anzahl von Wertpapieren bzw. Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die es ihr ermöglicht, die Kapitalgesellschaft zu beherrschen, ist nach § 11 Abs. 3 BewG nicht die Summe der Kurswerte der Anteile maßgebend, sondern der gemeine Wert der gesamten Beteiligung. Das Gesetz unterstellt dabei, dass der gemeine Wert einer (aus einer Mehrheit von Anteilen bestehenden) Beteiligung wegen der Möglichkeit, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen, höher ist als die Summe der Kurswerte bzw. der Kaufpreise für den einzelnen Anteil aus stichtagsnahen Verkäufen. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich im Kurswert bzw. im Verkaufspreis der einzelnen Aktie bereits der Beteiligungscharakter widerspiegelt. Dementsprechend ist die Rechtsprechung stets davon ausgegangen, dass der Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG (nur) in den Fällen des § 11 Abs. 1 BewG in Betracht kommt, in denen der nach dieser Vorschrift maßgebliche Wert den Beteiligungscharakter der zu bewertenden Anteile nicht berücksichtigt (so schon Urteile des Reichsfinanzhofs —RFH— vom III 119/42, RStBl 1943, 567, und vom III 139/38, RStBl 1939, 804; , BFHE 132, 479, BStBl II 1981, 351). Ein Paketzuschlag nach § 11 Abs. 3 BewG scheidet in den Fällen aus, in denen der gemeine Wert nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt oder aus Verkäufen abgeleitet wurde, bei denen der Beteiligungscharakter den Preis beeinflusst hat (vgl. Rid in Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 11 Rdnr. 529).

Der im amtlichen Handel notierte Kurswert berücksichtigt regelmäßig nicht, dass eine Person eine aus einer Mehrheit von Anteilen bestehende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft hält. In einem solchen Fall ist deshalb davon auszugehen, dass die Summe der Kurswerte der Anteile niedriger ist als der steuerrechtlich maßgebliche gemeine Wert der aus einer Mehrheit von Anteilen bestehenden Beteiligung (vgl. Rid in Gürsching/ Stenger, a.a.O., § 11 Rdnr. 545). Beim Ansatz der Kurswerte ist deshalb in den Fällen, in denen eine Beteiligung die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermöglicht, ein Zuschlag (Paketzuschlag) auf die Summe der Kurswerte vorzunehmen, um den Kurswert auf den gemeinen Wert der Beteiligung anzuheben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es in diesen Fällen keiner Prüfung, ob der gemeine Wert der Beteiligung auch tatsächlich höher ist als die Summe der Kurswerte. Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BewG ist so zu verstehen, dass bei Kurswerten und Verkaufspreisen für Anteile an Kapitalgesellschaften, die keinen Beteiligungscharakter widerspiegeln, generell von einem über der Summe der Kurswerte bzw. Verkaufspreise liegenden gemeinen Wert der Beteiligung auszugehen und ein Zuschlag zu erheben ist. § 11 Abs. 3 BewG stellt den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Kurswerte börsennotierter Aktien nicht in Frage, sondern sieht lediglich eine Ableitung des maßgeblichen (gesamten) Beteiligungswerts von der Summe der Kurswerte mittels des sog. Paketzuschlags vor. Dieser Systematik widerspräche es, würde man —wie es offensichtlich der Klägerin vorschwebt— in den Fällen des § 11 Abs. 3 BewG die Schätzung des gemeinen Werts der Beteiligung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG (Stuttgarter Verfahren) verlangen, um festzustellen, ob der gemeine Wert der Beteiligung tatsächlich höher ist als die Summe der aus dem Börsenkurs oder aus stichtagsnahen Verkäufen abgeleiteten Werte der einzelnen Aktien bzw. Anteile.

2. Soweit die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde ferner auf die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung durch das FG stützt, genügen ihre Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es fehlen die genaue Bezeichnung des Sitzungsprotokolls oder des Schriftsatzes, in dem die Beweismittel benannt sind (, BFH/NV 1998, 608), ferner der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde (, BFH/NV 1999, 212), und auch Ausführungen, inwiefern das Urteil des FG —ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts— auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann (, BFH/NV 1995, 710) .

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1077 Nr. 9
RAAAA-65433