BAG Urteil v. - 4 AZR 80/14

Instanzenzug: Az: 33 Ca 5277/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 6 Sa 586/13 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 90/17 Beschluss

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf ein höheres Bruttoentgelt und eine weitere Abfindungszahlung.

2Der Kläger war seit dem bei der Beklagten zu 2. und deren Rechtsvorgängerin im Betrieb St.-Martin-Straße in München gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 6.962,00 Euro beschäftigt. Eine durch die Beklagte zu 2. geplante Betriebsschließung konnte durch Verhandlungen mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), deren Mitglied der Kläger nicht war, teilweise abgewendet werden.

3Hierzu schlossen die Beklagte zu 2. und die IG Metall am einen Transfer- und Sozialtarifvertrag (nachfolgend TS-TV), der ua. regelte:

4Ebenfalls am vereinbarten die Beklagte zu 2. und der Betriebsrat für den Betrieb St.-Martin-Straße einen „Interessenausgleich“, der ua. die Gründung von vier neuen Unternehmen als Rechtsnachfolgerinnen einzelner betroffener Unternehmensbereiche, die Überleitung von Arbeitnehmern und eine Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG zum Gegenstand hatte. Weiterhin ist unter der Überschrift „5. Sozialplan“ geregelt:

5Schließlich schlossen die Tarifvertragsparteien des TS-TV am gleichen Tag einen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV), der wie folgt lautet:

6Mit Schreiben vom erhielt der Kläger von den Beklagten einen „Dreiseitigen Vertrag“ (nachfolgend DV), der ua. folgenden Inhalt hat:

7Der Kläger nahm den Antrag fristgemäß an. Er erhielt eine Abfindung nach A 2.1. Abs. 1 DV. Sein BeE-Monatsentgelt berechnete die Beklagte zu 1. als Nettoentgelt auf der Basis von 70 % des letzten Bruttomonatseinkommens des Klägers (errechnet aus dem 13,5-fachen Monatsbetrag) unter Heranziehung der persönlichen Sozialversicherungs- und Steuermerkmale. Von diesem Nettoentgelt wurde das Transferkurzarbeitergeld des Klägers abgezogen, die Differenz zahlte die Beklagte zu 1. als Aufstockungsleistung. Diese Aufstockungsleistung wurde zu einem Bruttobetrag hochgerechnet.

8Die IG Metall rief bezüglich der Berechnung des BeE-Monatsentgelts die Tarifschiedsstelle nach § 8 TS-TV an, um feststellen zu lassen, sowohl der TS-TV als auch der ETS-TV enthielten „eine Regelung, die Beschäftigten auch für die Zeit des Bezuges von KuG eine Bruttomonatsvergütung“ iHv. 70 % (TS-TV) und von 80 % (ETS-TV) „des 13,5-fachen des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf“ zusage. Mit Schiedsspruch vom wurden die Anträge zurückgewiesen.

9Mit seiner Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Differenzierung im ETS-TV sei unwirksam, so dass ihm Leistungen auf Grundlage des ETS-TV zustünden. Er müsse aus Gleichbehandlungsgründen so behandelt werden, wie ein bereits zum tariflich vorgesehenen Stichtag eingetretenes Mitglied der IG Metall. Die in den DV übernommene Unterscheidung verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und gegen die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Der „Interessenausgleich“ vom , bei dem es sich um einen wirksam zustande gekommenen Sozialplan handele, missachte § 75 BetrVG. Rechtsfolge sei eine „Anpassung nach oben“. Im Übrigen sei das Monatsentgelt von der Beklagten zu 1. unrichtig berechnet worden.

10Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, beantragt,

11Die Beklagten haben zur Begründung ihrer Klageabweisungsanträge ausgeführt, aus dem dreiseitigen Vertrag der Parteien ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen. Er unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich des ETS-TV. Die vorgenommene Differenzierung anhand des Stichtags sei zulässig. Auch sei der geleistete Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld zutreffend berechnet. Geschuldet sei eine Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 TS-TV, der von einem „BeE-Monatsentgelt“ handele.

12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

13Die Revision ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet.

14A. Die Revision ist nur hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und 2. zulässig. Bezüglich des Antrags zu 3. ist sie mangels ausreichender Auseinandersetzung mit der Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts unzulässig.

15I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen die Revisionsgründe angegeben werden, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (st. Rspr., etwa  - Rn. 8; - 9 AZR 983/07 - Rn. 16, BAGE 130, 119). Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht ( - Rn. 10 mwN; - 4 AZR 912/07 - Rn. 11 mwN).

16II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nur teilweise gerecht.

171. Der Kläger setzt sich bezüglich der Anträge zu 1. und 2. eingehend mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinander und legt dar, warum das Landesarbeitsgericht nach seiner Auffassung rechtsfehlerhaft einen Anspruch auf eine um 10.000,00 Euro höhere Abfindung und auf ein BeE-Monatsentgelt nach dem ETS-TV iHv. 80 % verneint hat.

182. Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 3. fehlt es dagegen an einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts. Zwar kündigt der Kläger in seiner Revisionsbegründung vom erneut den Feststellungsantrag an, legt sodann aber nicht dar, warum das Landesarbeitsgericht diesem Antrag hätte stattgeben müssen. So gibt er auf Seite 9 der Revisionsbegründung unter I 3 die Berufungsentscheidung nur mit den Worten wieder: „Das LAG hielt, ebenso wie das Arbeitsgericht München, die geltend gemachten Zahlungsansprüche für unbegründet.“ Hieraus könnte geschlossen werden, dass die Revision nur beschränkt auf die Leistungsanträge eingelegt werden sollte. Allerdings heißt es dann auf Seite 10 unter II: „Zu Unrecht hat das LAG nicht ausgeurteilt bzw. festgestellt, dass der Klagepartei eine weitere um 10% erhöhte monatliche Bruttovergütung für die Monate Mai 2012 bis April 2014 in Höhe von jeweils EUR 6.265,80 brutto zusteht.“ In der folgenden Begründung der Revision erläutert der Kläger an keiner Stelle, warum es einen revisiblen Rechtsfehler darstellen soll, dass das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt habe, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet sei, an ihn über die im DV vom vereinbarten Leistungen hinaus gemäß Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag vom monatlich weitere 6.265,80 Euro brutto für den Zeitraum vom bis zum zu bezahlen. Unter III 1, 2 und 3 spricht der Kläger jeweils nur von den mit den „Zahlungsanträgen“ geforderten monatlichen BeE Gehältern von 6.265,80 Euro brutto und der um 10.000,00 Euro brutto erhöhten Abfindung. Auf Seite 21 unter VI der Revisionsbegründung lässt er weiter ausführen: „Die Klagepartei hat Anspruch auf einen Bruttolohn im BeE Zeitraum ( bis ).“ Der Feststellungsantrag bezieht sich dagegen auf einen Zeitraum vom bis zum . Im Übrigen macht der Kläger mit seinen weiteren Ausführungen geltend, das Landesarbeitsgericht habe den DV rechtsfehlerhaft ausgelegt. Mit dem Feststellungsantrag begehrt der Kläger dagegen „über die im Dreiseitigen Vertrag vom (gemeint 2012) vereinbarten Leistungen hinausgehend“ Zahlungen.

19B. Im Umfang ihrer Zulässigkeit ist die Revision des Klägers unbegründet. Er hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf eine weitere Abfindungszahlung iHv. 10.000,00 Euro brutto nach A 2.1. Abs. 2 DV iVm. § 3 ETS-TV (Antrag zu 2.). Weiterhin besteht gegen die Beklagte zu 1. weder ein Anspruch auf ein BeE-Monatsentgelt von 80 % des Bruttomonatseinkommens nach B 4. Abs. 2 DV iVm. § 2 Satz 1 ETS-TV noch ein Anspruch auf eine andere Berechnung von 70 % des vormaligen, nach § 5 Abs. 3 Satz 2 TS-TV berechneten Bruttomonatseinkommens nach B 4. Abs. 1 DV (Antrag zu 1.; vgl. zum Ganzen schon:  - BAGE 151, 235 und - 4 AZR 830/13 -).

20I. Der Kläger kann auf Grundlage der Regelung in A 2.1. Abs. 2 DV iVm. § 3 ETS-TV keine weitere Abfindung iHv. 10.000,00 Euro verlangen (Antrag zu 2.). Er wird nicht vom „Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags“ gemäß A 2.1. Abs. 2 DV erfasst. Die Voraussetzungen nach § 1 Nr. 2 ETS-TV sind nicht erfüllt. Er war zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht zum tariflich wirksam geregelten Stichtag, Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob die Beklagten - wie der Kläger meint - für die Zahlung der Abfindung gesamtschuldnerisch einzustehen haben.

211. Mit der Regelung über den persönlichen Geltungsbereich in § 1 Nr. 2 ETS-TV (zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags etwa  - Rn. 21 mwN) werden nicht nur „deklaratorisch“ die Voraussetzungen für eine normative Wirkung des Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG wiederholt, sondern es wird vielmehr eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung festgelegt (sh. zu dieser Auslegung bereits  - Rn. 26 ff., BAGE 151, 235; - 4 AZR 861/11 - Rn. 19; - 4 AZR 696/10 - Rn. 28 ff.). Anders als § 7 Abs. 1 TS-TV setzt ein Anspruch nach § 3 Satz 1 ETS-TV nicht nur eine Mitgliedschaft in der IG Metall im Sinne einer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG voraus, sondern verlangt für den ergänzenden Abfindungsanspruch nach § 3 ETS-TV eine zum vorgesehenen Stichtag bestehende Gewerkschaftsmitgliedschaft ( - Rn. 15; ausf. - 4 AZR 796/13 - Rn. 26, aaO).

22a) Durch § 1 Nr. 2 ETS-TV und § 1 Nr. 2 TS-TV differenzieren die beiden Tarifverträge nicht zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft einerseits und „Unorganisierten“ oder „Außenseitern“ andererseits, sondern unterscheiden zwischen verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern, also denjenigen, für die ein Tarifvertrag ohnehin nur Rechtsnormen über Abschluss, Inhalt und Beendigung von Arbeitsverhältnissen nach § 1 Abs. 1 TVG setzen kann ( - Rn. 16 unter Hinweis auf - 4 AZR 796/13 - Rn. 26 mwN, BAGE 151, 235 zur Rechtsprechung des Senats).

23b) Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich nicht um eine sog. einfache Differenzierungsklausel (zum Begriff  - Rn. 31 ff., BAGE 130, 43). Wie der Senat bereits ausgeführt hat ( - Rn. 17; - 4 AZR 796/13 - Rn. 42, BAGE 151, 235) entsteht ein Anspruch auf eine Abfindungszahlung nach § 5 TS-TV iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 TS-TV erst „mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages (Zustimmung zum Eintritt in die beE)“, der nach C 5. DV bis zum , 12:00 Uhr angenommen werden konnte. Deshalb sind von der Stichtagsregelung auch neben den nach Abschluss der Tarifverträge beitretenden Arbeitnehmern bereits alle diejenigen Gewerkschaftsmitglieder betroffen, die zwischen dem Stichtag bis zur Unterzeichnung der beiden Tarifverträge in die IG Metall eingetreten sind. Der Kläger verkennt, dass sich ohne eine solche Stichtagsregelung der Regelungszweck, allein einem bestimmten „berechenbaren“ Kreis von Mitgliedern einen Anspruch auf die Ergänzungsleistungen mit ihrer Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu vermitteln, nicht erreichen lässt, wenn er meint, hier werde Außenseitern die Möglichkeit genommen, an den tariflich geregelten Ansprüchen zu partizipieren. Es wäre sonst nicht verlässlich zu bestimmen und planbar gewesen, wie viele Mitglieder einen Anspruch auf ergänzende Leistungen in den nachfolgenden beiden Jahren - erhöhte Abfindungszahlung zum einen sowie ein höheres BeE-Monatsentgelt zum anderen - tatsächlich haben könnten und nach welchen abstrakten Kriterien das ausgehandelte Tarifvertragsvolumen des ETS-TV bei den ergänzenden Leistungen zu ermitteln gewesen wäre bzw. in welchem Umfang das Volumen („der Topf“) hätte erweitert werden müssen. Insofern wären die Beklagte zu 2. und die Beklagte zu 1. als abhängiges Unternehmen sehr wohl von nachfolgenden Beitritten zur IG Metall bzw. von einer umfassenden Ausdehnung des Kreises der Bezugsberechtigten betroffen gewesen.

24Im Übrigen hat jede Stichtagsregelung für eine tarifliche Leistung zur Folge, dass bei einem erst zeitlich danach erfolgenden Gewerkschaftsbeitritt ein Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit grundsätzlich nicht mehr entstehen kann. Weiterhin ist in Anbetracht der Höhe der im TS-TV geregelten Leistungen entgegen der Auffassung der Revision auch nicht ersichtlich, dass vorliegend der Arbeitgeber „als Sachwalter der Außenseiterinteressen“ ausfällt und die sog. Außenseiter „billig abgespeist“ wurden ( - Rn. 18; vgl. auch bereits - 4 AZR 796/13 - Rn. 40, 67, BAGE 151, 235).

252. Diese von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern orientiert sich an einem Stichtag, der im Rahmen der vorliegenden Tarifverträge mit sozialplanähnlichen Inhalten wirksam ist. Die Regelung des ETS-TV verletzt weder die negative Koalitionsfreiheit noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ( - Rn. 19).

26a) Die Stichtagsregelung verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG (ausf. bereits  - Rn. 29 ff., 37 ff., BAGE 151, 235).

27aa) Die Revision kann sich nicht darauf stützen, Tarifvertragsregelungen nach § 1 Abs. 1 TVG müssten geeignet sein, an die Stelle einer staatlichen Regelung über Arbeitsbedingungen zu treten, und daher angemessene und ausgewogene Regelungen für seinen Geltungsbereich enthalten, die Rücksicht auf die Interessen von Außenseitern nehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Erwägungen des Senats in der Entscheidung vom (- 4 AZR 64/08 - Rn. 60 ff., BAGE 130, 43; sh. auch - 4 AZR 366/09 - Rn. 22, BAGE 137, 231). Insoweit handelte es sich um nicht tragende, nicht entscheidungserhebliche Erwägungen. Sie standen zur tragenden Begründung in einem rechtlichen Alternativverhältnis. An ihnen hat der Senat, wie in der Entscheidung vom bereits ausführlich begründet (- 4 AZR 796/13 - Rn. 50 ff., BAGE 151, 235), - klarstellend - nicht mehr festgehalten. Auch die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt ( - Rn. 21; ausf. - 4 AZR 549/08 - Rn. 68, BAGE 135, 80).

28bb) Es ist rechtlich ohne Belang, einerseits zusätzliche Leistungen nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder vorzusehen, die zum Stichtag der IG Metall bereits beigetreten waren, andererseits aber nicht zu berücksichtigen, dass der Sonderkündigungsschutz auch bei gewerkschaftlich nicht organisierten Arbeitnehmern aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahmen entfallen ist. Ebenso wie sich die Unzulässigkeit einer Tarifnorm nur aus übergeordnetem Recht, nicht aber aus einer vertraglichen Bezugnahmeregelung der Individualvertragsparteien ergeben kann ( - Rn. 49 mwN, BAGE 151, 235), sind die Tarifvertragsparteien rechtlich grundsätzlich nicht gehalten, die Ziele des tarifautonomen Verhandlungsprozesses und den Inhalt des gefundenen Verhandlungskompromisses an bestehenden individuellen Arbeitsvertragsvereinbarungen zu orientieren ( - Rn. 24).

29b) Die Stichtagsregelung in § 1 Nr. 2 ETS-TV verletzt weiterhin nicht die sog. negative Koalitionsfreiheit des Klägers bzw. das von ihm so bezeichnete „Fernbleiberecht“ ( - Rn. 25; ausf. - 4 AZR 796/13 - Rn. 45 ff., BAGE 151, 235). In den hier maßgebenden Regelungen liegen keine nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtigen Abreden. Die mit ihnen erfolgte „Binnendifferenzierung“ zwischen Gewerkschaftsmitgliedern schränkt weder die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der sog. Außenseiter ein. Kann der Arbeitnehmer in Ausübung der individuellen Privatautonomie aufgrund der strukturellen Unterlegenheit seine Interessen nicht durchsetzen, ist von Verfassungs wegen die Tarifautonomie darauf angelegt, diese Unterlegenheit durch kollektives Handeln auszugleichen und ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu erzielen ( - zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212). Mögliche rechtliche Auswirkungen für die „Unorganisierten“ beruhen nicht auf der normativen Wirkung der Tarifverträge, sondern auf der für das Arbeitsverhältnis privatautonom getroffenen Vereinbarung. Will ein Arbeitnehmer am Inhalt eines Kollektivvertrags partizipieren, muss er, wenn er in den individuellen Vertragsverhandlungen seine Interessen nicht durchsetzen kann, in die tarifschließende Gewerkschaft eintreten ( - Rn. 49, aaO mit umfangr. Nachw. aus der Literatur).

303. Schließlich ergibt sich der begehrte Anspruch auf eine höhere Abfindung auch nicht bei Berücksichtigung der Argumentation des Klägers, die differenzierende vertragliche Regelung in A 2.1. Abs. 2 DV verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. sei überraschend und intransparent.

31a) Entgegen der Auffassung der Revision sind die vertraglichen Regelungen in A 2.1. Abs. 1 und Abs. 2 DV nicht am Maßstab des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu messen (ausf. zu dessen Inhalt  - Rn. 19 ff., BAGE 148, 139). Sie unterliegen als Teil der vertraglich erforderlichen Umsetzung der Abfindungs- und Mindestbedingungsregelungen des TS-TV und des ETS-TV durch den tariflich vorgegebenen dreiseitigen Vertrag keiner Kontrolle anhand der Kriterien des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sie dienen allein der vertraglichen Umsetzung der im TS-TV und im ETS-TV genannten Bestimmungen über die Abfindungszahlung (vgl.  - Rn. 54 ff., BAGE 151, 235). Auch kommt den hinsichtlich der Abfindung differenzierenden tariflichen Regelungen entgegen der Ansicht der Revision die Vermutung der Angemessenheit zu. Insbesondere regelt der TS-TV keine Außenseiter-Arbeitsbedingungen, denen eine von dem Kläger so bezeichnete „Unangemessenheitsvermutung“ zukommen soll. Nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG konnte die IG Metall auch mit dem TS-TV nur Regelungen für ihre Mitglieder treffen, in der Sache also für solche Arbeitnehmer, die ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft nach dem , 12:00 Uhr, begründeten. Damit kommt auch dem TS-TV die Vermutung der Angemessenheit zu.

32b) Die vertragliche Regelung im DV, dass nur solche Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des ETS-TV fallen, eine höhere Abfindung nach § 3 ETS-TV erhalten, ist entgegen der Ansicht des Klägers weder überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Revision behauptet insoweit nur pauschal die Unvereinbarkeit mit dem AGB-Recht. Sie legt weder dar, von welchen Erwartungen der Arbeitnehmer die Regelung deutlich abweicht und warum diese mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchten, noch zeigt die Revision auf, welche vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume die Regelung enthält. Entsprechende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

33c) Im Übrigen ist der weitere Hinweis der Revision auf die Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (, 1 BvR 1044/89 - BVerfGE 89, 214) fernliegend. Sie betrifft Fälle, in denen „der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen“ ist (, 1 BvR 1044/89 - zu B II 2 c der Gründe, aaO). Die Regelung in A 2.1. DV begründet keine Pflichten der vertragschließenden Arbeitnehmer, sondern betrifft einen Anspruch auf Abfindungszahlung. Allein der Umstand, dass nach A 2.1. Abs. 2 DV die Zahlung einer erhöhten Abfindung von einer Bedingung abhängig gemacht wird, die der Kläger nicht erfüllt, macht die Klausel nicht zu einer ungewöhnlich belastenden Regelung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

34II. Weiterhin kann sich der Kläger nicht auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen (ausf.  - Rn. 59 bis 68, BAGE 151, 235). Die Betriebsparteien haben gerade davon abgesehen, die Bestimmungen des ETS-TV - mit denen zwischen bestimmten Mitgliedern der IG Metall differenziert wird - zu übernehmen. Damit haben sie den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der darauf abzielt, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen, beachtet. Die von Greiner (NZA 2016, 10, 14) zu der hier streitigen Vereinbarung vertretene Auffassung, die betriebsverfassungsrechtlichen Kontrollmechanismen, insbesondere § 75 BetrVG würden ausgeschaltet, indem das „durch § 112 BetrVG eigentlich den Betriebsparteien anvertraute Regelungsgeschehen auf die tarifvertragliche Ebene verlagert“ werde und dies ein „klassischer Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, der Gesetzesumgehung“ sei, trifft nicht zu. Sie verkennt das grundsätzlich mögliche „Nebeneinander“ von Tarifverträgen mit sozialplanähnlichem Inhalt und Sozialplänen nach § 112 BetrVG sowie den Umstand, dass für beide unterschiedliche Akteure verantwortlich sind und unterschiedliche rechtliche Maßstäbe gelten ( - Rn. 26; vgl. bereits - 4 AZR 796/13 - Rn. 64 ff. mwN, aaO).

35In der Sache rügt der Kläger, dass der Betriebsrat eine zu geringe Abfindungszahlung verhandelt habe, indem „nur“ die Regelungen des TS-TV und nicht die des ETS-TV übernommen wurden. Das BetrVG schreibt jedoch lediglich vor, dass durch die Regelungen des Sozialplans die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgeglichen oder gemildert werden (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Eine Mindesthöhe der Sozialplanleistungen ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben. Die Vorgaben des § 112 Abs. 5 BetrVG gelten nur für die Aufstellung eines Sozialplans durch die Entscheidung der Einigungsstelle. Über die Vereinbarung vom haben sich die Betriebsparteien ohne die Anrufung der Einigungsstelle geeinigt. Dass die Leistungen nach dem TS-TV nicht genügten, um die wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsänderung zumindest zu mildern, macht der Kläger - zu Recht - nicht geltend.

36III. Der Klageantrag zu 1. ist ebenfalls ohne Erfolg (vgl.  - Rn. 27 ff.). Der Antrag ist zwar unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in den Vorinstanzen hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, obwohl weder dem Urteil des Landesarbeitsgerichts selbst noch der Revisionsbegründung die Angabe zu entnehmen ist, für welche Zeitabschnitte Vergütung in welcher bestimmten Höhe verlangt wird. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch in seinem Tatbestand ergänzend ua. auf die Berufungsbegründung des Klägers vom Bezug genommen. Nach dieser umfasst der Klageantrag zu 1. „die Monate Mai 2012 bis Februar 2013, d.h. 10 Monate á EUR 6.265,80 = EUR 62.658,00 brutto abzgl. gezahlter EUR 35.658,60 netto.“ Den Abzugsbetrag hat der Kläger erstinstanzlich mit Schriftsatz vom erläutert. Danach hat die Beklagte zu 1. monatlich 3.565,86 Euro netto geleistet, für zehn Monate mithin 35.658,60 Euro. Der Klageantrag ist jedoch unbegründet.

371. Der Kläger hat aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsregelung in B 4. Abs. 2 DV keinen Anspruch auf eine Ergänzung der monatlichen Zahlungen zu den Mindestbedingungen seines Transferarbeitsverhältnisses nach § 2 Satz 1 ETS-TV („monatlich 80 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens“). Die Tarifvertragsparteien haben in § 1 Nr. 2 ETS-TV eine wirksame Geltungsbereichsbestimmung vereinbart ( - Rn. 72 f. iVm. Rn. 25 bis 53, BAGE 151, 235), die den Kläger nicht erfasst. Weiterhin kann sich der Kläger auch insoweit weder auf den arbeitsrechtlichen noch auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG stützen ( - Rn. 74 bis 77, aaO).

382. Der Kläger kann auch nicht die Zahlung der monatlichen Vergütung nach B 4. Abs. 1 DV auf der Basis seines (bisherigen) Bruttomonatseinkommens iHv. 70 % unter Heranziehung des Berechnungsfaktors in § 5 Abs. 3 Satz 2 TS-TV („13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf“) beanspruchen, auf das erst dann etwaige Nettoleistungen der Agentur für Arbeit anzurechnen sind (dazu bereits  - Rn. 78 bis 82, BAGE 151, 235; sowie weiterhin ausf. - 5 AZR 567/14 - Rn. 14 ff. mwN). Die Parteien haben in B 4. Abs. 1 Satz 1 DV nicht lediglich ein Bruttomonatseinkommen iHv. 70 % der nach Satz 2 maßgebenden Bezugsgröße vereinbart. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 TS-TV bringt hinreichend klar zum Ausdruck, dass die dort von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung maßgebend sein soll. Damit wird zur Berechnung der Höhe des monatlichen Entgelts ein „Referenz“-Bruttoeinkommen benannt, welches sich aus den Entgeltzahlungen der Arbeitgeberin und - sofern eine Zahlung erfolgt - aus den netto gewährten Leistungen der Agentur für Arbeit nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 TS-TV zusammensetzt.

39IV. Schließlich bedurfte es in dieser Sache auch keiner Vorlage gemäß § 45 ArbGG an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts (sh. auch  - Rn. 30; - 4 AZR 796/13 - Rn. 70, BAGE 151, 235).

401. Es liegt keine Abweichung in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung des Großen Senats vor.

41a) Eine Vorlagepflicht nach § 45 Abs. 2 ArbGG besteht nur, wenn eine entscheidungserhebliche Abweichung zu der identischen Rechtsfrage vorliegt. Diese Voraussetzung betrifft die zu treffende Entscheidung wie die vorhergehende Entscheidung, von der abgewichen werden soll ( - Rn. 45 mwN, BAGE 149, 343; GK-ArbGG/Dörner Stand Juni 2016 § 45 Rn. 26).

42b) Dies berücksichtigend ist eine Divergenz nicht gegeben. Bei der vom Großen Senat in der Entscheidung vom behandelten Rechtsfrage (- GS 1/67 - BAGE 20, 175) handelt es sich um eine andere als die hier infrage stehende nach der Zulässigkeit einer tarifvertraglichen Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern (oben B I 2 a; ausf. zu den behandelten Rechtsfragen  - BAGE 130, 43). Dem Großen Senat waren seinerzeit vom Ersten Senat sechs Fragen vorgelegt worden ( -), von denen er nur die Fragen 1, 2 und 4 beantwortet hat. Unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Ersten Senats und des ihm zugrunde liegenden Sachverhalts wird die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage von keiner der damals gestellten Fragen erfasst. Im Übrigen befasst sich auch die Antwort des Großen Senats jedenfalls nicht mit einer der hier vorliegenden Klausel vergleichbaren Regelung, bei der lediglich die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem bestimmten Stichtag als eigenständige Tatbestandsvoraussetzung für einen tariflichen Anspruch ausdrücklich aufgeführt ist, ohne eine Regelung für nicht oder anders gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer zu treffen.

432. Entgegen der Ansicht der Revision liegen auch die Voraussetzungen einer Vorlagepflicht an den Großen Senat des BAG nach § 45 Abs. 4 ArbGG nicht vor (zu den Anforderungen vgl.  - Rn. 105 mwN, BAGE 135, 80). Das Erfordernis der Gewerkschaftszugehörigkeit als Voraussetzung der unmittelbaren und zwingenden Geltung der Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Stichtags für bestimmte Leistungen hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Revision meint zwar, eine Vorlage an den Großen Senat nach § 45 Abs. 4 ArbGG sei geboten, vermag es aber schon nicht, eine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu formulieren. Der bloße Hinweis des Klägers (Seite 24 des Schriftsatzes vom ), „das vorliegende Verfahren“ sei dem Großen Senat zur Entscheidung vorzulegen, um den Vorwurf der Willkür zu entkräften, verkennt den Regelungszweck und -gegenstand dieses Vorlageverfahrens.

44V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:060716.U.4AZR80.14.0

Fundstelle(n):
GAAAF-89302