Betrug: Gefährdungsschaden bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses; Prozessrisiko als schadensgleiche Vermögensgefährdung
Gesetze: § 263 StGB, Art 103 Abs 2 GG, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Meiningen Az: 150 Js 22711/12 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
21. Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten auf folgende Feststellungen gestützt:
3Der Angeklagte, von Beruf Rechtsanwalt, beantragte am bei der zu diesem Zeitpunkt zuständigen Rechtspflegerin beim Amtsgericht Hildburghausen den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die M. GmbH auf Grund eines Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Aschersleben vom . Der Angeklagte verschwieg dabei, dass dieser Vollstreckungsbescheid - was ihm bekannt war - bereits mit Urteil des Landgerichts Bamberg vom aufgehoben worden war, das Amtsgericht Bamberg am beschlossen hatte, die Zwangsvollstreckung aus dem am auf Grundlage des Vollstreckungsbescheides des Amtsgerichts Aschersleben erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die M. GmbH einstweilig einzustellen, und das Amtsgericht Bamberg den vorbezeichneten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am aufgehoben hatte.
4Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Hildburghausen, der die Vorgänge beim Amts- und Landgericht Bamberg nicht bekannt waren und die deshalb davon ausging, dass keine Vollstreckungshindernisse bestünden, erließ am den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über eine Hauptforderung in Höhe von 1.921.451,58 € zuzüglich Zinsen und abzüglich seit März 2012 von einer Drittschuldnerin gezahlter 100.000 €. Am hob das Amtsgericht Hildburghausen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf.
5Das Landgericht ist der Ansicht, dass aufgrund des beim Amtsgericht Hildburghausen erschlichenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses „das Vermögen der M. GmbH in Höhe von 1.921.451,58 € zuzüglich Nebenforderungen gefährdet“ gewesen sei.
62. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (vollendeten) Betrugs nicht.
7a) Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, hat der Angeklagte zwar mit seinem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom die zuständige Rechtspflegerin beim Amtsgericht Hildburghausen über das Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels gegen die M. GmbH getäuscht und dadurch einen entsprechen- den Irrtum bei ihr hervorgerufen. In dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom ist dem Grunde nach auch eine Vermögensverfügung des Vollstreckungsgerichts zum Nachteil der M. GmbH im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB zu sehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19 und vom - 4 StR 292/13, BGHSt 59, 68, 72 f.), weil dem Drittschuldner die Zahlung an den Vollstreckungsschuldner untersagt (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO), letzterem die Verfügungsbefugnis über die gepfändete Forderung entzogen (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und dem Vollstreckungsgläubiger das Recht verliehen wird, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und einzuziehen (§ 835 Abs. 1, § 836 Abs. 1 ZPO).
8b) Die Feststellungen belegen aber bislang nicht hinreichend den Eintritt eines Vermögensschadens. Das Landgericht hat eine schadensgleiche Gefährdung des Vermögens der M. GmbH durch den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe der in dem Vollstreckungsbescheid titulierten 1.921.451,58 € zuzüglich Nebenforderungen angenommen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9aa) Ein tatbestandsmäßiger Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts zur Folge hat (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 159 mwN). Die bloße Möglichkeit des Eintritts eines solchen Schadens genügt nicht. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, etwa bei einem ohne Weiteres greifbaren Mindestschaden, muss der Vermögensschaden der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. u.a., BVerfGE 130, 1, 47).
10bb) Nach diesen Maßstäben ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch die Feststellungen nicht hinreichend belegt.
11(1) Das Landgericht geht bereits im Ansatz unzutreffend davon aus, dass das Vermögen der M. GmbH durch den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe der in dem Vollstreckungsbescheid titulierten 1.921.451,58 € zuzüglich Nebenforderungen gefährdet worden sei. Dabei übersieht es, dass von der titulierten Forderung die zuvor gezahlten 100.000 € in Abzug zu bringen wären.
12(2) Aber auch im Übrigen ist eine hinreichend große Verlustwahrscheinlichkeit, die zu einer gegenwärtigen - bezifferbaren - Minderung des Vermögens der M. GmbH hätte führen können, nicht ausreichend festgestellt. Denn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom entfaltete keinerlei Rechtswirkungen, weil es bereits im Zeitpunkt seines Erlasses an einem vollstreckbaren Titel und damit an einer schlechthin unerlässlichen Voraussetzung der Zwangsvollstreckung mangelte, nachdem der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Aschersleben vom durch das Urteil des Landgerichts Bamberg vom aufgehoben worden war (§ 717 Abs. 1 ZPO). Darin liegt ein besonders schwerwiegender Fehler, der für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich, mithin offenkundig ist und somit zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führt (vgl. , BGHZ 121, 98, 101 ff.; Beschluss vom - VII ZB 9/13, NJW 2014, 2732, 2733; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., Grundzüge § 704 Rn. 57; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl., vor § 704 Rn. 34, Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., Vorbemerkung zu § 704 Rn. 32; Kindl in Saenger, ZPO, 6. Aufl., vor § 704-945 Rn. 21; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Vorbemerkung VIII zu § 704 Rn. 58, jeweils mwN). Die Drittschuldnerin, der nach den Feststellungen zudem bereits vor Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Amtsgericht Hildburghausen bekannt war, dass der diesem Beschluss zugrundeliegende Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Aschersleben aufgehoben worden war, hätte sich demnach durch Zahlungen an den Angeklagten von vornherein nicht von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der M. GmbH befreien können.
13Der Schuldspruch kann auch nicht deswegen bestehen bleiben, weil - wie das Landgericht meint - der M. GmbH die Durchsetzung ihrer Forderun- gen gegenüber der Drittschuldnerin „erheblich erschwert“ worden sei, weil sich diese „auf eine angeblich schuldbefreiende Zahlung an den Angeklagten beruft und die Forderungen wahrscheinlich gerichtlich geltend gemacht werden müssen“. Zwar kann ein nicht unerhebliches Prozessrisiko unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung einen Betrugsschaden begründen (vgl. , BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 24; Beschluss vom - 3 StR 115/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 75 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG aber erforderlich, eigenständige Feststellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betrugs hinreichend deutlich abzugrenzen, mithin den Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. bereits u.a., BVerfGE 126, 170, 211 f.; Beschluss vom - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47).
14Daran fehlt es hier. Weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in dem Bestehen eines - hier zudem nicht ohne Weiteres ersichtlichen, jedenfalls nicht näher festgestellten - zivilrechtlichen Prozessrisikos liegen kann, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines solchen Schadens erkennbar (vgl. auch , BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 75).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:200916B2STR497.15.0
Fundstelle(n):
wistra 2017 S. 146 Nr. 4
HAAAF-86189