Online-Nachricht - Mittwoch, 09.11.2016

Verfahrensrecht | Grenzen der Pflicht zur Vorlage an den EuGH (BFH)

Ein Senat des BFH kann ungeachtet früherer abweichender Entscheidung eines anderen Senats zu einer bestimmten Rechtsfrage ohne Anfrage bei diesem Senat oder Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO und damit ohne Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters in der Sache abweichend entscheiden, wenn dieselbe Rechtsfrage zwischenzeitlich durch den EuGH entschieden worden ist und sich der später erkennende Senat dieser Rechtsansicht anschließt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Das FA setzte im Streitjahr 2002 für schwarze Fonds der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Die Revision der Kläger ist vom VIII. Senat als unbegründet zurückgewiesen worden, da die streitentscheidende Norm des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nach dem (Wagner-Raith) im Verhältnis zu Drittländern nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen und auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Hiergegen richtet sich die Nichtigkeitsklage der Kläger, nach deren Auffassung der VIII. Senat vor Erlass seiner Entscheidung beim I. Senat hätte anfragen müssen, ob dieser an seiner im vertretenen Auffassung festhalte und ggf. die Frage dem Großen Senat vorlegen müssen.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Eine Abweichung der Entscheidung des erkennenden Senats vom Urteil des I. Senats des BFH ist nicht gegeben.

  • Der Senat war entgegen der Auffassung der Kläger weder verpflichtet, den Großen Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO anzurufen, noch bestand eine Verpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit dem Unionsrecht (erneut) den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen.

  • Einer Anfrage bei dem anderen Senat und damit auch einer Entscheidung des Großen Senats des BFH bedarf es nicht, wenn dieselbe Rechtsfrage zwischenzeitlich durch den EuGH entschieden worden ist und sich der später erkennende Senat wie im Streitfall der erkennende VIII. Senat dieser Rechtsansicht anschließen will.

  • Der Senat durfte vielmehr davon ausgehen, dass mit dem Urteil Wagner-Raith die Rechtslage in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt.

Quelle: ; NWB Datenbank (Sc)

Fundstelle(n):
NWB GAAAF-85965