BGH Urteil v. - VI ZR 541/15

Instanzenzug: KG

Tatbestand

1Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen ihrer Beteiligung an der G. Immobilienfonds 3 GbR (im Folgenden: Fondsgesellschaft) in Anspruch.

2Die Beklagte ist Initiatorin des Fonds und Mitherausgeberin des am emittierten Fondsprospekts. Gegenstand des Fonds waren der Erwerb und die Vermietung von 26 Gebäuden in einer Mehrfamilienhausanlage auf dem Grundstück B. Straße 96-134/ B. Weg 13-29 (im Folgenden: Fondsgrundstück) in Berlin-Reinickendorf/Tegel Süd sowie von weiteren Gebäuden in Berlin-Hohenschönhausen.

3Das Fondsgrundstück ist Teil des Geländes des ehemaligen Gaswerks Tegel. Dieses Gelände wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt seit dem Jahr 1989 wegen zuvor an verschiedenen Stellen des Geländes festgestellter Bodenkontaminationen als "Altlastenverdachtsfläche 13" im sog. Altlastenverdachtsflächenkataster geführt. Das Fondsgrundstück liegt in dem Bereich des vormals auf dem Gaswerkgelände betriebenen Krankenhauses. Die Beklagte ist seit spätestens 1990 Eigentümerin zahlreicher Grundstücke auf diesem Gelände, auch des Fondsgrundstücks, an dem sie der Fondsgesellschaft ein Erbbaurecht eingeräumt hat. Nach § 4 Nr. 4 des Erbbaurechtsvertrages übernimmt die Erbbauberechtigte auf eigene Kosten und Gefahr alle diejenigen Verpflichtungen, die sie treffen würden, wenn sie selbst Eigentümerin des Grundstücks wäre.

41993 wurden im öffentlichen Auftrag Gutachten zur Altlastensituation der "Altlastenverdachtsfläche 13" erstattet, denen zufolge schon in früheren Jahren Bodenkontaminationen im Bereich des ehemaligen Krankenhauses nachgewiesen worden waren und zwei von sieben aktuellen Rammkernsondierungen auf dem Gelände des späteren Fondsgrundstücks erhöhte PAK-Werte ergaben. Dem Gutachten eines von der Beklagten beauftragten Sachverständigen aus dem Jahr 2005 zufolge wurden beim Bau des jetzt bestehenden Gebäudekomplexes auf dem Fondsgrundstück eng begrenzte Bodenbereiche wegen erhöhter PAK-Gehalte ausgehoben und entsorgt. Die Löschung des Fondsgrundstücks aus dem - zwischenzeitlich an die Stelle des Altlastenverdachtskatasters getretenen - Bodenbelastungskataster erfolgte 2006.

5In dem am emittierten Fondsprospekt fand das Thema Altlastenverdacht keine Erwähnung. Die Kläger zu 1, 3 und 4 sowie der inzwischen verstorbene, frühere Kläger zu 2 traten der Fondsgesellschaft zwischen Juni und November 1996 als Gesellschafter bei.

6Die Kläger haben ihre Anträge auf Rückzahlung ihrer Einlagen abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Anteile an der Fondsgesellschaft, sowie auf Zahlung entgangener Zinsvorteile aus dem investierten Betrag und auf Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung von mit der Beteiligung zusammenhängenden Verpflichtungen auf behauptete Fehler des Fondsprospekts gestützt, unter anderem auf das Verschweigen der Altlastensituation.

7Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom ist über den Nachlass des am verstorbenen ursprünglichen Klägers zu 2 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der jetzige Kläger zu 2 hat als Insolvenzverwalter das Verfahren für den Nachlass aufgenommen.

8Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und den - in der Berufungsinstanz erweiterten - Zahlungsanträgen der Kläger zu 1, 3 und 4 überwiegend sowie den Feststellungsanträgen sämtlicher Kläger stattgegeben; hinsichtlich des geltend gemachten entgangenen Zinsgewinns sowie hinsichtlich des Zahlungsantrags des Klägers zu 2 ist die Berufung zurückgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollumfängliche Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe

A.

9Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass den Klägern gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zustehe, weil die Beklagte in dem Fondsprospekt vorsätzlich und sittenwidrig nicht darauf hingewiesen habe, dass das Fondsgrundstück im Zeitpunkt der Prospektherausgabe auch nach Einschätzung der zuständigen Behörden unter konkretem Altlastenverdacht gestanden habe. Dieser Verdacht und damit die konkrete Gefahr einer öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme auf Sanierung sei ein offenbarungspflichtiges Risiko gewesen, zumal aufgrund des Erbbaurechtsvertrages die Fondsgesellschaft im Verhältnis zur Beklagten die Sanierungskosten zu tragen gehabt habe. Die in Unkenntnis des Altlastenverdachts eingegangene und unter den realen Umständen nicht gewollte Beteiligung am streitgegenständlichen Fonds stelle den durch den fehlenden Hinweis im Prospekt verursachten Schaden dar. Die Schädigung der Kläger sei auch sittenwidrig gewesen. Die Anleger seien zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen auf eine wahrheitsgemäße Darstellung der Anlage im Prospekt angewiesen gewesen, da dieser die einzige für sie zugängliche Informationsquelle gewesen sei. Die unterlasse Aufklärung habe objektiv zur Folge gehabt, dass sie getäuscht und infolge der Täuschung zum Nutzen der Beklagten dem Fonds beigetreten seien. Dies sei nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich und damit sittenwidrig. Für den Schädigungsvorsatz könne es dahinstehen, ob der damalige Vorstand der Beklagten von dem konkreten Altlastenverdacht und damit vom Prospektmangel Kenntnis gehabt habe. Denn die Beklagte müsse das jedenfalls bei ihren Sachbearbeitern vorhandene Wissen um die Altlastenproblematik des Fondsgrundstücks über die Grundsätze der Wissenszurechnung bzw. Wissenszusammenrechnung gegen sich gelten lassen. Diese zur Arglisthaftung bei Grundstückskaufverträgen entwickelte Rechtsprechung sei auf die deliktische Vorsatzhaftung wegen Verschweigens entscheidungserheblicher Umstände unmittelbar übertragbar. Rechne man der Beklagten das in ihrem Hause bei - namentlich nicht bekannten - Mitarbeitern und in Form schriftlicher Dokumente vorhandene Wissen um die Altlastensituation des Fondsgrundstücks zusammen mit dem Wissen des damaligen Vorstands zu, so seien in der Person der Beklagten alle für den Vorsatz nach § 826 BGB erforderlichen subjektiven Komponenten erfüllt. Das gelte auch für die offensichtliche Inkaufnahme der negativen Folgen des eigenen Handelns für Dritte; auch insoweit sei die Beklagte einer natürlichen Person gleichzustellen.

10Steuervorteile seien bei den Klägern zu 1, 3 und 4 nicht schadensmindernd in Abzug zu bringen, wohl aber bei dem Kläger zu 2, bei dem sie außergewöhnlich gewesen seien.

B.

11Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dabei ist über die Revision der Beklagten gegen den Kläger zu 2 antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da dieser in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung anwaltlich nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen auch insoweit auf einer Sachprüfung und nicht auf der Säumnis (, BGHZ 37, 79, 81 ff.; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 13. Auflage, § 555 Rn. 6; Krüger in Münchener Kommentar, ZPO, 4. Auflage, § 555 Rn. 17).

I.

12Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei den Klägern wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.

13Zwar kann der Tatbestand des § 826 BGB auch dadurch verwirklicht werden, dass ein Prospektverantwortlicher Anlageinteressenten mittels eines fehlerhaften oder unvollständigen Prospekts zum Abschluss eines Vertrages veranlasst, den sie sonst nicht geschlossen hätten (vgl. , NJW 2014, 1098 Rn. 21 ff.; vom - II ZR 13/03, NJW-RR 2005, 751; vom - XI ZR 279/03, WM 2005, 28, 29; zum Schaden im Sinne des § 826 BGB infolge der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung vgl. , WM 2014, 2318 Rn. 19 mwN; vom - VI ZR 336/12, VersR 2014, 210 Rn. 28; vom - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 367 f.). Erforderlich ist allerdings, dass das Verhalten des Prospektverantwortlichen als sittenwidrig zu werten ist und er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Beides ist getrennt festzustellen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 10 mwN).

14Ist Prospektverantwortliche eine juristische Person, so hat sie gemäß § 31 BGB für den Schaden einzustehen, den ihr "verfassungsmäßig berufener Vertreter" (zur weiten Auslegung dieses Begriffs vgl. , BGHZ 49, 19, 21 mwN) durch eine unerlaubte Handlung einem Dritten zugefügt hat. Im Rahmen des § 826 BGB ist somit Voraussetzung, dass ein solcher Vertreter den objektiven und subjektiven Tatbestand dieser Anspruchsgrundlage verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 8).

151. Die bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen bereits nicht die Annahme, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten habe durch die Herausgabe eines unvollständigen Prospekts sittenwidrig gehandelt.

16a) Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (, aaO Rn. 7; vom - VI ZR 288/12, VersR 2013, 1144 Rn. 14; vom - VI ZR 124/09, VersR 2010, 1659 Rn. 12).

17Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (Senatsurteil vom - VI ZR 124/12, aaO Rn. 8 mwN). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (, aaO Rn. 14; vom - VI ZR 124/09, aaO Rn. 12; vom - VI ZR 160/00, VersR 2001, 1431, 1432). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8 für die Verleitung zum Vertragsbruch; , NJW 1992, 3167, 3174 für die Erteilung einer bewusst unrichtigen Auskunft aus eigennützigen Interessen). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 für das Erschleichen eines Wohnungsbauförderungsdarlehens durch Falschangaben; , aaO Rn. 24; vom - II ZR 13/03, aaO).

18Das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt ist für sich genommen nicht verwerflich. Gegen die guten Sitten verstößt ein Prospektverantwortlicher aber beispielsweise dann, wenn er Anlageinteressenten durch eine bewusste Täuschung zur Beteiligung bewegt, etwa dadurch, dass er einen ihm bekannten Umstand bewusst verschweigt, um unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anlageinteressenten möglichst viele Beitritte zu erreichen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 288/12, aaO Rn. 15, 18).

19b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der von dem damaligen Vorstand der Beklagten in den Verkehr gebrachte Prospekt über einen für die Anlageentscheidung erheblichen Punkt nicht aufklärte und damit fehlerhaft war. Die notwendigen Feststellungen zur Sittenwidrigkeit, etwa zu einer bewussten Täuschung durch den Vorstand, sind indes nicht getroffen.

20(1) Es trifft zu, dass es eines Hinweises in dem Prospekt der Beklagten bedurfte, wenn das Fondsgrundstück im Zeitpunkt der Prospektherausgabe nach Einschätzung der zuständigen Behörden unter Altlastenverdacht stand. Denn gemäß § 4 Nr. 4 des Erbbaurechtsvertrages hatte im Ergebnis die Fondsgesellschaft die Kosten einer etwaigen Altlastensanierung zu tragen, was sich wiederum auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft und damit auf den Wert der Beteiligung der Anleger auswirken konnte. Mit einem bestehenden Altlastenverdacht war somit ein Risiko für die Anleger verbunden, das für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben konnte.

21Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein aufklärungsbedürftiger Altlastenverdacht vorlag, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung auf die behördliche Einstufung des gesamten Areals des ehemaligen Gaswerks als Altlastenverdachtsfläche, auf sowohl vor als auch im Rahmen der Begutachtung im Jahre 1993 gefundene Bodenkontaminationen auf dem (späteren) Fondsgrundstück und darauf, dass, selbst wenn im Zuge der Errichtung der Fondsimmobilie PAKkontaminiertes Erdreich im Bereich der Baugrube ausgetauscht worden sein sollte, der Verdacht bis zur erneuten Begutachtung 2005 für die zuvor nicht untersuchten unversiegelten Freiflächen nicht ausgeräumt gewesen sei. Unzutreffend ist die Behauptung der Revision, das angefochtene Urteil sei mit nach dem Fondsbeitritt in der Bauphase gefundenen Bodenverunreinigungen begründet. Denn die Fondsimmobilien wurden, wie vom Berufungsgericht festgestellt und von der Revision nicht angegriffen, bereits vor Prospektherausgabe errichtet, weshalb Gegenstand des streitgegenständlichen Fonds auch nicht die Errichtung, sondern nur der Erwerb und die Vermietung der Gebäude waren. Für das Bestehen des Altlastenverdachts kann ferner dahinstehen, ob und inwieweit die auf dem Fondsgrundstück gefundenen Kontaminationen mit der früheren Nutzung des Areals als Gaswerk in Verbindung standen, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Denn dies ändert nichts daran, dass auf dem Grundstück sowohl vor der behördlichen Einstufung als Altlastenverdachtsfläche als auch danach im Rahmen der Begutachtung 1993 Kontaminationen gefunden wurden, sich der Altlastenverdacht also bestätigte und er jedenfalls für die unversiegelte Freifläche erst zehn Jahre nach dem Fondsbeitritt der Kläger ausgeräumt wurde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Senatsverwaltung die Untersuchung des Fondsgrundstücks "als ergebnislos abgebrochen" hätte, wie von der Revision behauptet. Vielmehr wurden nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts 1993 Bohrungen auch auf dem Fondsgrundstück vorgenommen, von denen zwei positive Proben erbrachten. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass bei Prospektherausgabe nach wie vor ein begründeter Altlastenverdacht bestand, auf den hätte hingewiesen werden müssen, ist daher aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

22(2) Die objektive Verletzung der Pflicht, die künftigen Anleger über den konkreten Altlastenverdacht aufzuklären, vermag aber die Sittenwidrigkeit des Verhaltens des damaligen Vorstands der Beklagten nicht zu begründen. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit genügt es entgegen der Annahme des Berufungsgerichts insbesondere nicht, dass die Kläger - wie in Kapitalanlagefällen typisch - zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen auf eine wahrheitsgemäße Darstellung der Kapitalanlage im Prospekt als der maßgeblichen Informationsquelle angewiesen waren. Denn dies begründete zwar die Rechtspflicht zur vollständigen und richtigen Aufklärung. Die im Rahmen des § 826 BGB erforderliche Sittenwidrigkeit der unterlassenen Aufklärung folgt daraus jedoch regelmäßig noch nicht. Auch der weitere Umstand, dass sich die Kläger auf der Grundlage unvollständiger Informationen an dem Fonds beteiligten und dass die Beteiligung für die Beklagte als Initiatorin des Fonds von Nutzen war, rechtfertigt noch nicht das Urteil der Verwerflichkeit. Anderenfalls führte die Verwendung eines objektiv unrichtigen Prospekts regelmäßig zu einer sittenwidrigen Schädigung der die Kapitalanlage zeichnenden Anleger, obwohl darin zunächst nicht mehr als eine zu einem möglicherweise ungewollten Vertragsschluss führende Pflichtverletzung zu sehen ist.

23Eine bewusste Täuschung durch den damaligen Vorstand der Beklagten, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen könnte, ist nicht festgestellt. Vielmehr hat das Berufungsgericht - allerdings im Rahmen der Prüfung des Schädigungsvorsatzes - offen gelassen, ob der damalige Vorstand der Beklagten überhaupt Kenntnis vom Altlastenverdacht und vom Prospektmangel hatte. Fehlt es aber, was revisionsrechtlich zugunsten der Beklagten zu unterstellen ist, an einer solchen Kenntnis des Vorstandes, entbehrt der Vorwurf des Verstoßes gegen die guten Sitten jeder Grundlage.

24Ein solcher Vorwurf lässt sich insbesondere nicht dadurch begründen, dass - wie im angefochtenen Urteil geschehen - für die Kenntnis vom Altlastenverdacht auf das Wissen bei namentlich nicht bekannten Mitarbeitern der Beklagten abgestellt und dieses zusammen mit dem Wissen des damaligen Vorstandes der Beklagten zugerechnet wird. Dabei kann die vom Berufungsgericht aufgeworfene und bejahte Frage dahinstehen, ob die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit juristischen Personen entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung (s. hierzu , BGHZ 109, 327, 330 ff.; vom - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35 ff.; vom - V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360; vom - V ZR 203/09, [...] Rn. 16 ff.) im Rahmen der deliktsrechtlichen Haftung überhaupt Anwendung finden können (gegen eine Übertragung jedenfalls im Anwendungsbereich des § 852 Abs. 1 BGB a.F.: Senatsurteil vom - VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789 Rn. 14; vgl. auch Senatsurteil vom - VI ZR 12/00, VersR 2001, 863, 864 f.; für eine Übertragung: Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 826 Rn. 36). Denn über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Arglist entbehrlichen (, aaO 333), für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB aber erforderlichen moralischen Unwerturteil. Insbesondere lässt sich eine die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass die im Hause der Beklagten vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden. Eine solche Konstruktion würde dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB, die sich hierdurch von der vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung deutlich unterscheidet, nicht gerecht.

252. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen ferner nicht die Annahme eines Schädigungsvorsatzes, der in der Person des handelnden verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten hätte erfüllt sein müssen.

26a) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (, aaO Rn. 12; vom - VI ZR 288/12, aaO Rn. 22; vom - VI ZR 309/10, NJW-RR 2012, 404 Rn. 10).

27b) Auch in diesem Zusammenhang ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob der damalige Vorstand der Beklagten bei Herausgabe des Prospekts überhaupt Kenntnis vom Altlastenverdacht und somit vom Prospektmangel hatte, und stattdessen auf das "im Hause der Beklagten" vorhandene Wissen abgestellt hat. Denn selbst wenn zur Begründung des Wissenselements des Schädigungsvorsatzes auch im Recht der unerlaubten Handlung eine Wissenszusammenrechnung zulässig wäre, fehlte es vorliegend jedenfalls am Wollenselement. Die zumindest billigende Inkaufnahme der Schädigung eines anderen setzt damit korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person voraus und kann deshalb nicht losgelöst von diesen beurteilt werden. So mag es durchaus gerechtfertigt sein, im Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person auf deren Willen zu schließen. Sind aber die maßgeblichen Kenntnisse auf mehrere Personen innerhalb einer juristischen Person verteilt und ist nicht festgestellt, wer über welche Kenntnisse verfügt, so kommt die Unterstellung einer der juristischen Person bzw. ihrem Organ zuzurechnenden billigenden Inkaufnahme der Schädigung ohne diesbezügliche Feststellungen einer Fiktion gleich. Hier gibt es keine Lebenserfahrung, wonach von der Kenntnis auf die Billigung geschlossen werden könnte. So ist im Streitfall zwar in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung des Berufungsgerichts nachvollziehbar, dass "im Hause der Beklagten" die Informationen und damit die Kenntnisse über den konkreten Altlastenverdacht vorhanden waren. Dagegen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, welche voluntativen Elemente im Hinblick auf die Schädigung der Anleger "im Hause der Beklagten" vorhanden waren, erst recht ist nicht vorstellbar, wie sich diese in tatsächlicher Hinsicht zu der Tatbestandsvoraussetzung einer billigenden Inkaufnahme zusammenfügen lassen sollen. Im Ergebnis müsste regelmäßig in Fällen, in denen sich das kognitive Element des Vorsatzes nur durch Zusammenrechnung der "im Hause" der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse herstellen lässt, in tatsächlicher Hinsicht auf die positive Feststellung des Wollenselements verzichtet werden. Auch dies würde der Vorschrift des § 826 BGB nicht gerecht.

283. Es kann daher nicht auf die Feststellung verzichtet werden, ob der damalige Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 31 BGB) persönlich die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Insbesondere kommt es darauf an, was er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Prospektherausgabe gewusst und gewollt hat (vgl. , aaO Rn. 23; vom - VI ZR 309/10, aaO Rn. 8).

II.

29Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere fehlt es an den erforderlichen Feststellungen, die eine Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 31 BGB begründen könnten. Voraussetzung wäre, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 264a StGB verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 309/10, aaO Rn. 8; , [...] Rn. 4). Dabei ist nach den im Strafrecht geltenden Maßstäben zu klären, ob der zur Verwirklichung des Straftatbestandes des § 264a StGB erforderliche Vorsatz vorliegt (vgl. , NJW 2012, 3177 Rn. 20, 22; vom - VI ZR 222/82, NJW 1985, 134, 135; , [...] Rn. 12; Urteile vom - II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 14; vom - II ZR 22/61, NJW 1962, 910, 911; Förster in BeckOK BGB, Stand , § 823 Rn. 282). Danach muss der verfassungsmäßige Vertreter (selbst) die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (Senatsurteil vom - VI ZR 309/10, aaO Rn. 10). Eine Wissenszurechnung oder Wissenszusammenrechnung durch Berücksichtigung des Wissens anderer Mitarbeiter der juristischen Person ist dabei ausgeschlossen.

III.

30Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage des Vortrags und der Beweisangebote der Parteien der Frage nachzugehen haben, ob die nach den jeweiligen Haftungstatbeständen erforderlichen Voraussetzungen in der Person des ehemaligen Vorstands (oder eines sonstigen verfassungsmäßigen Vertreters) der Beklagten erfüllt waren. Sollte schon eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 264a StGB, § 31 BGB gegeben sein, käme es auf das Erfordernis der Sittenwidrigkeit für eine Haftung nach § 826 BGB nicht mehr an. Im Rahmen der Kausalität wird das Berufungsgericht allerdings zu berücksichtigen haben, dass die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht für die Feststellung der Voraussetzungen eines Straftatbestandes gelten (vgl. , WM 2015, 1562 Rn. 50; vom - VI ZR 560/13, VersR 2014, 1095 Rn. 46, jeweils mwN). Sollte eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung bezogen auf den Altlastenverdacht nicht feststellbar sein, wird sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag der Kläger zu weiteren Haftungsgründen zu befassen haben (Revisionserwiderung S. 16 f. unter Ziff. III 2., 3. mit Verweisen auf die Berufungsbegründung). Sollten die notwendigen Feststellungen zum Haftungsgrund getroffen werden, wird zudem der Vortrag der Parteien im Revisionsrechtszug zur Frage der Anrechnung von Steuervorteilen zu berücksichtigen sein.

Fundstelle(n):
SAAAF-83524