BAG Urteil v. - 9 AZR 8/15

Zeugnis - Beendigungsdatum - Prozessbeschäftigung

Gesetze: § 109 GewO

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 11 Ca 7016/13 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 17 Sa 406/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.

2Der Kläger war bei der Beklagten seit dem als Flugbegleiter, zuletzt in der Funktion eines Pursers beschäftigt. Mit Schreiben vom , dem Kläger am zugegangen, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom (- 11 Ca 8050/11 -) statt. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch eine in der Folgezeit erklärte weitere Kündigung vom beendet wurde, und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Die Beklagte beschäftigte den Kläger zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen ab dem bis einschließlich weiter. In der Zeit vom bis zum wurde der Kläger nicht beschäftigt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom (- 17 Sa 904/12 -) die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab. Die gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch - 2 AZN 372/13 -), dem Kläger am zugestellt, zurückgewiesen.

3Mit Schreiben vom übersandte die Beklagte dem Kläger ein Arbeitszeugnis. Dort heißt es im ersten Absatz wie folgt:

4Im vorletzten Absatz des erteilten Zeugnisses heißt es:

5Das Zeugnis enthält das Ausstellungdatum .

6Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zeugnis mit teilweise geändertem Text zu erteilen. Er hat dabei den vollständigen Zeugnistext im Klageantrag wiedergegeben. Hinsichtlich des ersten Absatzes („bis zum … als Flugbegleiter und Purser tätig“), des vorletzten Absatzes („Das Arbeitsverhältnis endet am …“) und des Ausstellungsdatums hat der Kläger das Datum im Hauptantrag ersetzt durch das Datum und im Hilfsantrag durch das Datum . Im äußersten Hilfsantrag ist das Datum angegeben. Darüber hinaus hat er hinsichtlich des weiteren Zeugnistextes Änderungen geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am schlossen die Parteien einen Teilvergleich. Dort heißt es, soweit maßgeblich, wie folgt:

7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Aufnahme des als Beendigungs- und Ausstellungsdatum des Arbeitszeugnisses. Das Arbeitsverhältnis habe erst mit der Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts sein Ende gefunden. Durch das Ausstellungsdatum werde er erheblich in seinem beruflichen Fortkommen behindert. Der Zeugnisanspruch schließe auch die Zeiten seiner Prozessbeschäftigung mit ein. Er habe auch in dieser Zeit seine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht. Zumindest habe er Anspruch auf Aufnahme des als Beendigungs- und Ausstellungsdatum. Zu diesem Zeitpunkt habe seine Prozessbeschäftigung geendet.

8Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Datum sei zutreffend im Zeugnis wiedergegeben. Das Arbeitsverhältnis habe rechtlich, wie gerichtlich festgestellt, am geendet. Dies sei auch das für die Ausstellung des Zeugnisses maßgebliche Datum. Die Prozessbeschäftigung über diesen Zeitraum hinaus habe für den Zeugnisanspruch keine Bedeutung.

10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

Gründe

11A. Die zulässige Revision des Klägers ist insgesamt unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

12I. Der Kläger hat nach § 109 Abs. 1 GewO keinen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit den begehrten Daten.

13II. Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung (Verhalten) und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen der Grundsatz der Zeugniswahrheit und der in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Grundsatz der Zeugnisklarheit(vgl.  - Rn. 9 mwN, BAGE 140, 15).

14III. Es kann dahinstehen, ob das dem Kläger von der Beklagten erteilte Zeugnis diesen Anforderungen genügt. Jedenfalls hat dieser keinen Anspruch auf die verlangten Änderungen der im Zeugnis enthaltenen Daten. Dies widerspräche dem Grundsatz der Zeugniswahrheit.

151. Die Klageanträge bedürfen zunächst der Auslegung. Der Kläger begehrt eine Änderung der Daten im ersten und im vorletzten Absatz des erteilten Zeugnisses sowie eine Änderung des Ausstellungsdatums. Die Auslegung ergibt, dass die Beklagte an diesen drei Textstellen des Zeugnisses zwar ein geändertes, aber einheitliches Datum eintragen soll. Denn der Kläger hat vor Abschluss des gerichtlichen Teilvergleichs in seine Klageanträge aus den Schriftsätzen vom , und den vollständigen Text des begehrten Zeugnisses aufgenommen. Dort war an den betreffenden Textstellen jeweils dasselbe Datum wiedergegeben. Auch der im gerichtlichen Teilvergleich vom niedergelegte Zeugnistext enthält an diesen Textstellen jeweils dasselbe Datum (). Nach Ziff. 2 des Teilvergleichs sollten nur Beendigungs- und Ausstellungsdatum weiter streitig sein. Deshalb hat der Kläger zuletzt beantragt, diese Daten auf den , hilfsweise den und äußerst hilfsweise auf den abzuändern. Der Kläger begehrt damit nicht die Erteilung eines Zeugnisses, bei dem an den betreffenden Textstellen unterschiedliche Daten eingetragen werden, etwa die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am (vorletzter Absatz des Zeugnisses) und als Ausstellungsdatum der . Das von der Beklagten an diesen Textstellen eingetragene Datum soll vielmehr insgesamt ersetzt werden durch den , hilfsweise durch den und äußerst hilfsweise durch den . Damit kann die Klage nur Erfolg haben, wenn die Beklagte verpflichtet wäre, die vom Kläger begehrten Daten einheitlich an allen drei Textstellen des Zeugnisses einzutragen. Eine nur teilweise Abänderung von Daten wird nicht beantragt.

162. Das Zeugnis muss in erster Linie wahr sein. Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein. Es darf dessen weiteres Fortkommen nicht unnötig erschweren ( - Rn. 17, BAGE 97, 57). Die Wahrheitspflicht umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts und damit den gesamten Inhalt eines Zeugnisses. Zwar soll ein Zeugnis das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Es kann aber nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein ( - zu III der Gründe).

173. Der Kläger hat schon keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm im vorletzten Absatz des Zeugnisses bescheinigt, das Arbeitsverhältnis habe am , am oder am geendet. Damit verstieße sie gegen ihre Wahrheitspflicht, denn mit der die Kündigungsschutzklage abweisenden, rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang der außerordentlichen Kündigung beim Kläger am endete. Entgegen der Auffassung der Revision ändert sich dies nicht durch die Prozessbeschäftigung des Klägers in der Zeit vom bis zum .

18a) Mit der Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung wird kein Arbeitsverhältnis begründet oder die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Wird dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung gegen seinen Willen und unter Beeinträchtigung seiner Vertragsfreiheit aufgezwungen, schließen die Parteien regelmäßig nicht durch neue Willenserklärungen ein eigenständiges Rechtsgeschäft. Es wird vielmehr ein faktisches Beschäftigungsverhältnis begründet, welches entfällt, sobald das die Weiterbeschäftigungspflicht aussprechende Urteil aufgehoben wird ( - Rn. 28 und 39).

19b) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend angenommen, dass der vorletzte Absatz des Zeugnisses („Das Arbeitsverhältnis endet am “) nicht die tatsächliche Beschäftigung ausdrückt, sondern auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abstellt. Dies zeigt auch der Vergleich zum ersten Absatz des Zeugnisses („war vom bis zum in unserem Unternehmen … tätig“). Dort wird im Unterschied zum vorletzten Absatz der Zeitraum der tatsächlichen Tätigkeit/Beschäftigung beschrieben und nicht zwangsläufig der Zeitraum des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses.

20c) Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte wegen ihrer Wahrheitspflicht auch bei der vom Kläger geforderten Berücksichtigung der Zeiten der Prozessbeschäftigung nicht das Ende des seit dem bestehenden Arbeitsverhältnisses zu einem der vom Kläger begehrten Daten im Jahr 2013 bescheinigen darf. Denn die Prozessbeschäftigung begann erst ab dem . Trotz der Unterbrechung seit dem Zugang der außerordentlichen Kündigung am würde die Beklagte dem Zeugnisleser wahrheitswidrig suggerieren, der Kläger habe seit dem bis zu einem der von ihm begehrten Beendigungsdaten im Jahr 2013 in einem ununterbrochenen Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten gestanden.

21B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:140616.U.9AZR8.15.0

Fundstelle(n):
DB 2017 S. 1334 Nr. 23
OAAAF-83508