OFD Niedersachsen - S 2104-3-St 213

Prüfung der Einkommensgrenzen bei Antrag auf Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG

Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland werden auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, soweit sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielen und ihre Einkünfte mindestens zu 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen. Staatsangehörige eines EU/EWR-Mitgliedstaates können zudem beantragen, ihren in einem im EU/EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz lebenden Ehegatten für die Anwendung des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln und damit die Möglichkeit einer Zusammenveranlagung erwirken.

Mit der o. g. Verfügung hatte ich über die bisher vorzunehmende „zweistufige Prüfung” der Einkommensgrenzen als Voraussetzung für eine Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG hingewiesen. Mit , BStBl 2015 II, S. 957, hat der BFH entschieden, dass bei der Frage, ob Ehegatten die Einkunftsgrenzen (relative oder absolute Wesentlichkeitsgrenze) für das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung in Fällen der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) wahren, lediglich im Rahmen einer einstufigen Prüfung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln ist (vgl. H 1a EStH 2015 – Ehegattensplitting bei fiktiver unbeschränkter Einkommensteuerpflicht).

Sofern die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorliegen, kann bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren die Steuerklasse III berücksichtigt werden (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 38b Abs. 1 S. 3 EStG). In diesen Fällen ist eine Pflichtveranlagung für das Kalenderjahr durchzuführen (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a oder b EStG). Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte sind in diesen Fällen dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG) zu unterwerfen. Wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht tatsächlich nicht vorgelegen haben, ist eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht durchzuführen (§ 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG). Der Progressionsvorbehalt ist in diesen Fällen nicht anzuwenden.

In dem Urteil hat der BFH zusätzlich dargelegt, was unter dem Begriff „der deutschen Einkommensteuer unterliegen” zu verstehen ist:

Für die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG ist zunächst die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. Dabei sind sämtliche Einkünfte, unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden, nach deutschem Recht zu ermitteln (§ 2 Abs. 1 und 2 EStG). Anschließend sind die Welteinkünfte in Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und in Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen. In Deutschland steuerfreie Einnahmen (z. B. nach § 3 EStG) oder Einkünfte, die aufgrund zwischenstaatlicher oder multilateraler Vereinbarungen von nationalen Steuern der jeweiligen Staaten befreit sind, sind nicht in die Prüfung der Einkommensgrenzen einzubeziehen. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare inländische Einkünfte steuerfrei sind. Dagegen sind nicht der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte in die Berechnung einzubeziehen, wenn diese im Ausland besteuert werden, auch wenn vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind ( BStBl 2015 II, 474).

Inländische Einkünfte, die nach einem DBA nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen (z. B. Dividenden, Lizenzgebühren), gelten für die Berechnung der 90 Prozent-Grenze und der betragsmäßigen Grenze als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend (§ 1 Abs. 3 S. 3 EStG). Diese Einkünfte sind jedoch in die inländische Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen.

In den Fällen, in denen alternativ zu prüfen ist, ob die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen, ist dieser zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist.

Haben die Ehegatten neben den jeweiligen Wohnsitzen in den Staaten mit verschiedener Ländergruppeneinteilung einen gemeinsamen (ehelichen) Wohnsitz, so ist der Grundfreibetrag für beide Ehegatten bei Anwendung von § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG nach dem Länderschlüssel des Staates zu bemessen, in dem der gemeinsame Familienwohnsitz begründet ist. Ist ein gemeinsamer (Ehe-)Wohnsitz nicht ermittelbar, so ist jedem Ehegatten der Grundfreibetrag in der Höhe zuzurechnen, wie es nach den Verhältnissen im jeweiligen Ansässigkeitsstaat angemessen ist.

Meine Verfügung vom wird aufgehoben.

OFD Niedersachsen v. - S 2104-3-St 213

Fundstelle(n):
DB 2016 S. 2027 Nr. 35
IStR 2017 S. 44 Nr. 1
IAAAF-81621