BFH Urteil v. - II R 57/14 BStBl 2016 II S. 897

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter einer Auflage

Leitsatz

Grundstücksschenkungen unter einer Auflage unterliegen hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer, wenn die Auflage bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Unerheblich ist, ob die Auflage tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Grundstücksschenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.

Gesetze: GrEStG § 3 Nr. 2 Satz 2; ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b;

Instanzenzug: (EFG 2015, 317),

Tatbestand

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erlangte er im Wege einer Schenkung den hälftigen Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück. Die im Zeitpunkt der Schenkung fast 90 Jahre alte Schenkerin behielt sich das dingliche Recht zur alleinigen und ausschließlichen Nutzung der Wohnung im Obergeschoss des Hauses sowie zur Mitbenutzung aller Gemeinschaftsräume und Einrichtungen vor.

2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer auf 428 € fest. Als Bemessungsgrundlage legte er den Kapitalwert des Wohnungsrechts in Höhe von 17.128 € (Jahresmietwert 4.200 € x Vervielfältiger 4,078) zugrunde und rechnete diesen hälftig dem Kläger zu.

3 Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist die Grundstücksschenkung zwar grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung ausgenommen. Eine Ausnahme gelte nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG aber bei einer Schenkung unter Auflage. Der Wert der Auflage unterliege der Grunderwerbsteuer, wenn die Auflage bei der Schenkungsteuer abziehbar sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 317, veröffentlicht.

4 Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger rügt eine Verletzung von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Der Wert der Auflage habe nicht bei der Schenkungsteuer abgezogen werden können, da die Zuwendung nach § 13 Nr. 16 Buchst. b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von der Schenkungsteuer befreit gewesen sei.

5 Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

6 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

7 II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Auflage zu bemessen ist, obwohl die Zuwendung des Grundstücks an den Kläger nicht der Schenkungsteuer unterliegt.

8 1. Der Wert des Wohnungsrechts unterliegt der Grunderwerbsteuer.

9 a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der Besteuerung ausgenommen sind nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG. Schenkungen unter einer Auflage unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).

10 b) Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—) in Gestalt einer Nutzungs- oder Duldungsauflage liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 9, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn die Grundstücksschenkung unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des Schenkers oder eines Dritten vorgenommen wird (, BFHE 233, 174, BStBl II 2011, 730, Rz 12, und in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 9).

11 c) Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.). Dies gilt für Besteuerungszeitpunkte nach dem auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Schenker oder dessen Ehegatten zusteht; denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorgesehene Abzugsverbot wurde durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom (BGBl I 2008, 3018) mit Wirkung ab aufgehoben und gilt daher gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem entsteht (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.).

12 d) Im Streitfall liegt eine Grundstücksschenkung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Die Schenkung erfolgte unter dem Vorbehalt eines Wohnungsrechts. Dabei handelt es sich um eine Nutzungs- oder Duldungsauflage, deren Wert bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Die Abziehbarkeit bei der Schenkungsteuer hat nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt.

13 2. Der Wert der Auflage unterliegt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer, obwohl die Grundstücksschenkung im Streitfall insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.

14 a) § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG stellt seinem Wortlaut nach allein darauf ab, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer „abziehbar ist”. Dadurch hat der Gesetzgeber im Anschluss an den u.a. (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.) klargestellt, dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F. führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 13, m.w.N.). Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass eine Schenkung unter einer Auflage nur insoweit der Grunderwerbsteuer unterliegt, als der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer tatsächlich abgezogen wurde, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung regeln können und müssen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 14). Es spielt für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer daher keine Rolle, ob Schenkungsteuer tatsächlich festgesetzt wurde und ggf. mit welchem Wert die Auflage sich dabei bereicherungsmindernd auswirkte (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 12, m.w.N.). Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits haben verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen (Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl., § 3 Rz 100).

15 b) Nach diesen Grundsätzen ist es nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ohne Bedeutung, dass die freigebige Zuwendung des Grundstücks an den Kläger zwar steuerbar ist, aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerfrei bleibt. Ausreichend ist, dass der Wert des Wohnungsrechts dem Grunde nach vom Erwerb im schenkungsteuerrechtlichen Sinn abziehbar ist. Das ist —wie ausgeführt— hier der Fall.

16 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Abs. 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BStBl 2016 II Seite 897
BB 2016 S. 2133 Nr. 36
BFH/NV 2016 S. 1519 Nr. 10
BFH/PR 2016 S. 348 Nr. 11
BStBl II 2016 S. 897 Nr. 20
DB 2016 S. 2097 Nr. 36
DB 2016 S. 6 Nr. 35
DStR 2016 S. 2044 Nr. 35
DStRE 2016 S. 1142 Nr. 18
EStB 2016 S. 367 Nr. 10
ErbBstg 2016 S. 257 Nr. 10
ErbStB 2016 S. 295 Nr. 10
GStB 2016 S. 48 Nr. 12
KÖSDI 2016 S. 20002 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 36/2016 S. 2700
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2016 S. 839
UVR 2016 S. 360 Nr. 12
Ubg 2016 S. 563 Nr. 9
MAAAF-80973