BGH Urteil v. - II ZR 74/14

Rechtanwaltssozietät in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft: Anspruchsgegner für einen Abfindungsanspruch eines durch Kündigung ausgeschiedenen Gesellschafters

Leitsatz

Der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen richtet sich umfassend gegen die Gesellschaft. Für einen von dem Abfindungsanspruch zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter ist kein Raum.

Gesetze: § 738 Abs 1 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: 23 U 86/13vorgehend Az: 10 O 320/12

Tatbestand

1Der Kläger war Gesellschafter der Beklagten, einer in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät. Er schied durch ordentliche Kündigung zum aus der Gesellschaft aus, die gemäß § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags von den beiden verbliebenen Gesellschaftern F.    und K.       fortgesetzt wird. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Regelung zur Abfindung eines durch Kündigung ausgeschiedenen Gesellschafters.

2Der Kläger macht nach einvernehmlicher Aufteilung des Inventars und der Mandate unter anderem geltend, dass noch die Kapitalkonten der Gesellschafter auszugleichen seien, was insbesondere deshalb erforderlich sei, weil der Gesellschafter K.       in der Vergangenheit übermäßig hohe Beträge entnommen habe. Mit der von ihm erhobenen Stufenklage begehrt der Kläger die Errechnung und Auszahlung seiner (weitergehenden) Abfindung, wobei er die Erstellung einer Abfindungsbilanz in erster Linie unter Aussparung des bereits aufgeteilten Mandantenstamms und Inventars beansprucht, hilfsweise unter umfassender Berücksichtigung der gesellschaftlichen Vermögenswerte.

3Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil auf der ersten Stufe unter Abweisung des Hauptantrags gemäß dem Hilfsantrag zur Erstellung einer Abfindungsbilanz zum verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Gründe

4Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6Die Stufenklage sei insgesamt abzuweisen, weil die beklagte Gesellschaft nicht Schuldnerin der geltend gemachten Ausgleichsansprüche sei. Ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft bestehe nur, solange noch Gesellschaftsvermögen zu verteilen sei. Nach Beendigung der Liquidation finde der interne Ausgleich, jedenfalls sofern es sich wie hier um eine überschaubare Gesellschaft mit nur drei Gesellschaftern handele, ausschließlich zwischen den Gesellschaftern statt. Im Streitfall sei die Liquidation der Beklagten mit der einvernehmlichen Aufteilung des Inventars und der Mandate beendet. Für eine zusätzliche Bewertung der verbleibenden und der mitgenommenen Mandate und daraus folgende Ausgleichsansprüche sei nach der einvernehmlich vollzogenen Realteilung kein Raum. Ein offener Dissens bestehe nur noch hinsichtlich der Frage, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien. Der Streit hierüber sei aber zwischen den Gesellschaftern auszutragen.

7Soweit die Beklagte, wie in der Berufungsverhandlung vorgetragen, Zahlungen einbehalten habe, die Mandanten auf vom Kläger mitgenommene Mandate geleistet hätten, werde sie zwar die zu Unrecht einbehaltenen Beträge noch an den Kläger auszahlen müssen. Der insoweit bestehende Anspruch des Klägers sei aber kein Abfindungsanspruch, sondern ein der beendeten Auseinandersetzung nachfolgender, hier nicht streitgegenständlicher Bereicherungsanspruch.

8II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der hier geltend gemachte, mit dem unterschiedlichen Stand der geführten Gesellschafterkonten und übermäßigen Entnahmen eines Mitgesellschafters begründete Zahlungsanspruch des Klägers ist Teil des gegen die Beklagte bestehenden Abfindungsanspruchs; die Beklagte trifft auch die Verpflichtung zur Aufstellung einer Abfindungsbilanz.

91. Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt noch zutreffend davon aus, dass sich der Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen die Gesellschaft richtet, unbeschadet der daneben entsprechend § 128 HGB für diese Verbindlichkeit der Gesellschaft bestehenden persönlichen Haftung der Gesellschafter (, ZIP 2011, 1359 Rn. 11 f. mwN). Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bei der Anwendung von § 738 BGB zwischen einer Liquidation und einem nachfolgenden internen Ausgleich zu unterscheiden, der ausschließlich zwischen den Gesellschaftern stattzufinden habe.

10a) Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, dass keine Liquidation der beklagten Gesellschaft stattgefunden hat. Die Beklagte ist vielmehr von den beiden in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt worden und besteht als werbende Gesellschaft mit entsprechendem Gesellschaftsvermögen weiter. Die durch das Ausscheiden eines Gesellschafters bedingte Auseinandersetzung ist zwischen dem Ausscheidenden und der Gesellschaft vorzunehmen. Für einen hiervon zu trennenden internen Gesellschafterausgleich ist jedenfalls während des Fortbestands der Gesellschaft vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen kein Raum.

11b) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Gesellschaft dem Ausscheidenden dasjenige zu zahlen hat, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Ausrichtung des Abfindungsanspruchs auf ein fiktives Auseinandersetzungsguthaben bedingt nicht die Übernahme der im Fall der Auseinandersetzung in Betracht zu ziehenden Trennung zwischen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens (§ 730 Abs. 1 BGB) und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern (vgl. hierzu , BGHZ 191, 293 Rn. 34; Urteil vom - II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 15 f. mwN). Weder kommt es beim Ausscheiden eines Gesellschafters zu einer mit der vollständigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens verbundenen Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl. MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 730 Rn. 2 f.; Kilian in Henssler/Strohn, GesR, 2. Aufl., § 730 BGB Rn. 12, jew. mwN; vgl. aber auch Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 149 Rn. 24 und § 155 Rn. 9 zur Berücksichtigung fortbestehender Ansprüche aus § 735 BGB), noch hätte eine entsprechende Differenzierung praktische Erleichterungen zur Folge (vgl. hierzu , ZIP 2016, 216 Rn. 15 f.).

12Das dem ausgeschiedenen Gesellschafter als Abfindung zustehende Auseinandersetzungsguthaben ist zwar auf der Grundlage des anteiligen Unternehmenswerts zu berechnen, die Abrechnung ist aber nicht auf die Erfassung des anteiligen Unternehmenswerts beschränkt. Vielmehr sind, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis in die Berechnung einzustellen (, ZIP 2011, 1359 Rn. 17 mwN); dabei ist auch ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung von Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Im Übrigen können zu dem Vermögen der Gesellschaft, das der Berechnung des Abfindungsanspruchs zugrunde zu legen ist, auch Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen gehören.

132. Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufstellung einer Abfindungsbilanz.

14Dem Ausgeschiedenen steht zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs ein Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz zu, der sich - jedenfalls auch - gegen die Gesellschaft richtet (vgl. , ZIP 2008, 2359 Rn. 11). Er kann mit dem noch zu beziffernden Zahlungsanspruch in einer Stufenklage verbunden werden(MünchKommBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 738 Rn. 30; Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 131 Rn. 153; MünchKommHGB/K. Schmidt, 4. Aufl., § 131 Rn. 136; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 131 Rn. 57; Oetker/Kamanabrou, HGB, 4. Aufl., § 131 Rn. 65).

15III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Auffassung der Revisionserwiderung, der Kläger sei von der Beklagten bereits vollständig abgefunden worden, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden.

16Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung (vgl. , ZIP 2010, 1594 Rn. 2 mwN; Beschluss vom - II ZR 94/10 juris).

17Eine vollständige „Realteilung“ in diesem Sinne, die eine weitergehende Abfindung vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung ausschließt, ist im Streitfall indessen nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, dass sich die Gesellschafter auf eine Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht beschränkte Mitnahme von Mandaten geeinigt hätten, ohne einen weiteren Wertausgleich der Mandate vereinbart zu haben. Es hat in diesem Zusammenhang die aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Feststellung getroffen, dass die Parteien sich hinsichtlich der Mandate darauf verständigt hätten, statt einer aufwendigen, mit Hilfe eines Sachverständigen durchzuführenden Abschichtung der Forderungen gegen die Mandanten eine schlichte Realteilung vorzunehmen.

18Das Berufungsgericht hat aber auch festgehalten, dass zwischen den Gesellschaftern ein offener Dissens hinsichtlich der Frage bestanden habe, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien. Bestehen insoweit noch auszugleichende Ansprüche, so schließt dies die Annahme einer vollständigen Aufteilung der in der Rechtsprechung des Senats so bezeichneten Sachwerte aus, zu denen neben körperlichen Gegenständen wie dem Büroinventar jedenfalls auch solche Forderungen gehören, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen sind und damit in die „Realteilung“ fallen. Im Streitfall sind insbesondere ein möglicher Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von Einlagen bzw. stehen gelassenen Gewinnen sowie ggf. Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung überhöhter Entnahmen anderer Gesellschafter in Betracht zu ziehen.

19IV. Die Berufungsentscheidung ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie nicht endentscheidungsreif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).

20Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

211. Das Berufungsgericht wird sich hinsichtlich der Frage, ob der Kläger bereits vollständig abgefunden wurde, wie die Beklagte geltend macht, auch mit der Funktion der von den Parteien so bezeichneten Kapitalkonten zu befassen haben. Es ist nach den bisher getroffenen Feststellungen in Betracht zu ziehen, dass die erwähnten Gesellschafterkonten nicht, wie die Revisionserwiderung annimmt, (nur) den jeweiligen Kapitalanteil ausweisen, sondern (auch) der Erfassung wechselseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten dienen.

222. Hinsichtlich der von der Beklagten vereinnahmten Zahlungen aus Mandatsverhältnissen, die der Kläger „mitgenommen“ hat, ist zu berücksichtigen, dass die Abfindungsbilanz auf den Stichtag des Ausscheidens zu erstellen ist (vgl. , ZIP 1993, 195, 196 zum Anspruch auf Beteiligung am Ergebnis schwebender Geschäfte).

Strohn                       Caliebe                       Wöstmann

                 Born                         Sunder

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:120716UIIZR74.14.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1985 Nr. 34
BB 2016 S. 2122 Nr. 36
DB 2016 S. 1985 Nr. 34
DB 2016 S. 6 Nr. 34
DNotZ 2017 S. 141 Nr. 2
DStR 2016 S. 2118 Nr. 36
DStR 2016 S. 2607 Nr. 44
NJW 2016 S. 3597 Nr. 49
NJW 2016 S. 9 Nr. 36
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2016 S. 2928
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2016 S. 879
WM 2016 S. 1639 Nr. 34
ZIP 2016 S. 1627 Nr. 34
MAAAF-80396