NWB Nr. 30 vom Seite 2233

„Boni gegen Pendler-Amnesie“

Claudia Kehrein | Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Pendler-Stress, doppelte Haushaltsführung und Gesundheitsvorsorge

Immer häufiger pendeln Arbeitnehmer zwischen Wohnsitz und Arbeitsplatz. Laut aktuellen Schätzungen gibt es in Deutschland ca. 17 Millionen Berufspendler – Tendenz steigend. Insbesondere die Zahl der Fernpendler, die mehr als 150 Kilometer von der Arbeitsstelle entfernt wohnen, nimmt seit einigen Jahren kontinuierlich zu. Studien zufolge gilt Pendeln als einer der größten Stressfaktoren für Berufstätige. Nach Erkenntnissen des britischen Forschers David Lewis steigt bei Pendlern in belastenden Situationen, z. B. im Stau auf der Autobahn oder bei Verspätungen im Bahnverkehr, deren Stresspegel stärker als der von Kampfpiloten. Aber nicht nur das! Sie vergessen häufig sogar Teile ihrer Wegstrecke. Die Strecke wird irgendwann so zur Routine, dass der Pendler geistig nur noch teilweise wirklich „anwesend“ ist – die so genannte Pendler-Amnesie.

Um sich die langen täglichen Fahrtzeiten zu ersparen, entscheiden sich viele Fernpendler daher für einen Zweitwohnsitz am Beschäftigungsort. Die Kosten dieser Unterkunft können im Rahmen der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Betrag von 1.000 € pro Monat abgezogen werden. Unklar ist allerdings der Umfang dieser Abgeltungswirkung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind damit sämtliche entstehenden Aufwendungen, d. h. beispielsweise auch Reinigungskosten sowie die Miete für Stell-/Garagenplätze, abgegolten. Auf liefert Geserich hingegen gute Argumente für eine Beschränkung des Höchstbetrags auf die Bruttokaltmiete. Damit sind die vom Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Nutzung der beruflichen Zweitwohnung neben der Bruttokaltmiete entrichteten Aufwendungen auch jenseits der Grenze von 1.000 € abziehbar.

Pendler-Amnesie, Herzinfarkt, Schlaganfall – die Gesundheitsgefahren durch Stress im Arbeitsalltag sind groß. Die Krankenkassen wollen dem vorbeugen und bieten, um ihre Versicherten zu besonders gesundheitsbewusstem Vorsorgeverhalten zu motivieren, verschiedene Programme an. Als Anreiz für die Teilnahme erhält der Versicherte im Gegenzug Boni in Gestalt von Geld- oder Sachleistungen. Im letzten Jahr hatte das FG Rheinland-Pfalz – gegen die Finanzverwaltung – entschieden, dass diese Bonusleistungen den Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge nicht mindern. Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Nachdem Gerauer in NWB 29/2015 dargelegt hat, dass die Entscheidung des Finanzgerichts auf einer nachvollziehbaren Begründung beruht, überzeugt das Ergebnis Hohlbein/Müller nicht. Die Autoren setzen sich auf nun aus Sicht der Finanzverwaltung mit dem Urteil auseinander. Letztlich wird über die Frage der Behandlung von Bonusleistungen für Zwecke des Sonderausgabenabzugs der BFH im Revisionsverfahren entscheiden.

Beste Grüße

Claudia Kehrein

Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 2233
NWB LAAAF-78202