Eingruppierung einer Erzieherin mit einer Zusatzausbildung als Heilpädagogische Förderlehrerin
Gesetze: VergGr 10 TVöD, Anl 1a VergGr Vb BAT, Anl 1a VergGr IVa BAT, § 293 BGB, § 294 BGB, § 295 BGB, § 296 BGB, § 615 BGB
Instanzenzug: Az: 2 Ca 1252/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 5 Sa 324/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin sowie über die Bezahlung von jeweils 3,22 Wochenarbeitsstunden im Zeitraum März 2007 bis November 2010.
2Die Klägerin ist beim Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom seit September 2001 als Angestellte beschäftigt.
3Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
4Die Klägerin war zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zunächst als Erzieherin tätig. Nachdem sie eine berufsbegleitende staatliche sonderpädagogische Zusatzausbildung zur Heilpädagogischen Förderlehrerin im Sommer 2006 erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde sie fortan im Förderzentrum des Beklagten eingesetzt. Auf den Lohnabrechnungen für die Monate September/Oktober 2007 wurde sie der Personengruppe „Heilp. Förderlehreri“ zugeordnet. Die Klägerin erhielt seit Oktober 2007 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVöD/VKA und seit Oktober 2012 nach Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD/VKA.
5Mit Schreiben vom bot der Beklagte der Klägerin unter Hinweis darauf, dass sie statt der arbeitsvertraglich vereinbarten 29,77 Zeitstunden nur 26,55 Zeitstunden (entsprechend 20 Unterrichtsstunden) im Förderzentrum wöchentlich erbringe, an, entweder die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab März 2007 zu reduzieren oder die Differenz von 3,22 Zeitstunden zukünftig in der heilpädagogischen Tagesstätte abzuleisten. Einen ihr übermittelten und von Arbeitgeberseite bereits unterzeichneten „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ vom , der eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 26,55 Stunden vorsah, unterzeichnete die Klägerin nicht. Sie erbrachte in der Folgezeit weiterhin regelmäßig eine wöchentliche Arbeitszeit im Umfang von 26,55 Zeitstunden. Ab März 2007 reduzierte der Beklagte das monatliche Bruttoentgelt der Klägerin deshalb von 2.190,34 Euro auf 1.953,44 Euro.
6Mit Schreiben vom forderte der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten zur Erläuterung der Diskrepanz zwischen der im schriftlichen Arbeitsvertrag genannten Arbeitszeit von 29,77 Stunden und der tatsächlichen Beschäftigung im Umfang von nur 26,55 Stunden auf. Mit einem weiteren Schreiben von Februar 2011 bat er um Mitteilung, ob eine Abrechnung des Anspruchs auf Nachzahlung des Differenzlohns erfolgen werde.
7Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Auffassung vertreten, ihr stehe für den Zeitraum März 2007 bis November 2010 wegen Annahmeverzugs die Zahlung von je 236,90 Euro brutto für insgesamt 45 Kalendermonate zu. Mit der unterbliebenen Unterzeichnung der Vertragsänderung habe sie ein konkludentes Angebot zur Leistung von weiteren 3,22 Wochenstunden abgegeben, sofern ein Angebot sowieso nicht bereits entbehrlich sei. Zudem sei der Beklagte mindestens ab August 2010 zur Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA verpflichtet. Der Arbeitsvertrag verweise auf den BAT und auf den Nachfolgetarifvertrag TVöD/VKA. Tarifliche Eingruppierungsregelungen für Heilpädagogische Förderlehrer enthielten diese Tarifwerke aber nicht. Die dadurch entstehende Lücke sei mittels einer ergänzenden Vertragsauslegung durch die entsprechende Heranziehung der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrer-RL TdL) in der vor dem geltenden Fassung und nicht durch die Richtlinien der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen (Lehrer-RL VKA) zu schließen. Gemäß B. III. 4. der Lehrer-RL TdL stehe ihr nach vierjähriger Bewährung eine Vergütung nach VergGr. IVa BAT zu, was nach Inkrafttreten des TVöD/VKA der Entgeltgruppe 10 entspreche. Letztlich folge auch aus § 612 BGB ein Anspruch auf Höhergruppierung nach dem Erwerb ihrer Zusatzqualifikation.
8Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt:
9Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass Annahmeverzugsansprüche schon aufgrund der Anfang 2007 einvernehmlich erfolgten Arbeitszeitreduzierung nicht bestünden. Auch habe die Klägerin die Arbeitsleistung im erweiterten Umfang nicht angeboten. Etwaige Ansprüche seien zudem nach § 37 TVöD/VKA verfallen. Die Klägerin sei des Weiteren zutreffend eingruppiert. Sie sei Erzieherin und werde allein aufgrund ihrer Zusatzausbildung nicht zur Lehrkraft. Die Lehrer-RL TdL seien ohnehin nicht einschlägig.
10Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Gründe
11Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts ohne Rechtsfehler zurückgewiesen. Der Beklagte ist weder zur Vergütung der Klägerin nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA ab noch zur Zahlung von 10.660,50 Euro brutto für den Zeitraum von März 2007 bis November 2010 verpflichtet.
12I. Der als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Antrag zu 1. der Klägerin ist unbegründet.
131. Die Klägerin ist nicht seit dem nach der Entgeltgruppe 10 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung seit dem anwendbaren TVöD/VKA in seiner jeweiligen Fassung zu vergüten.
14a) Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie tatsächlich als Heilpädagogische Förderlehrerin und nicht lediglich als Erzieherin eingesetzt wird. Es kann ferner zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit einer Heilpädagogischen Förderlehrerin als diejenige einer Lehrkraft im tariflichen Sinne anzusehen ist (anders als Art. 60 Abs. 2 BayEUG nahelegt; vgl. dazu aber auch - Rn. 35 mwN sowie Anlage D.7 zum TVöD-V Protokollerklärung zu Nr. 1), so dass die Verweisungsklausel auf die tariflichen Bestimmungen hinsichtlich der Eingruppierung „ins Leere“ ginge, da die Anlage 1a zum BAT/VKA nach Nr. 5 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung BAT/VKA bei Lehrkräften keine Anwendung findet. Dann könnte insoweit eine Lücke in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vorliegen, wenn man - wiederum zu Gunsten der Klägerin - angesichts dessen die ausdrückliche Vereinbarung einer Eingruppierung in der VergGr. Vb BAT nicht ausnahmsweise als konstitutive eigenständige Vertragsbestimmung ansehen will.
15b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auch für diesen Fall nicht aus den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung.
16aa) Bei einer lückenhaften vertraglichen Vereinbarung tritt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit bzw. Lückenhaftigkeit bekannt gewesen wäre. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt. Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (vgl. - Rn. 20, BAGE 141, 150). Bei der Lückenfüllung ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden (vgl. - Rn. 31, BAGE 134, 283).
17bb) Auch bei Anwendung dieser Grundsätze hätte die Klägerin keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA. Dabei kann erneut zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass nicht die Lehrer-RL VKA zur Lückenfüllung heranzuziehen wären, obwohl sich die Parteien mit ihrer arbeitsvertraglichen Bezugnahme der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien des BAT/VKA unterstellt haben. Die von ihr angestrebte Rechtsfolge einer entsprechenden Eingruppierung ergibt sich selbst bei einer Anwendung der Lehrer-RL TdL nicht.
18(1) Zunächst führt die Anwendung der Lehrer-RL TdL nicht zu einer Eingruppierung und damit zu einem Entgeltanspruch nach einer Entgeltgruppe des TVöD - und zwar weder in der Fassung für den Bund noch in derjenigen für den Bereich der VKA -, weil die dort benannten Tätigkeiten jeweils einer Entgeltgruppe des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zugeordnet sind.
19(2) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt zudem nicht die entsprechenden Anforderungen derjenigen Vergütungsgruppen, die eine Überleitung in die Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA gem. Anlage 1 zum TVÜ-VKA oder in die Entgeltgruppe 10 TV-L gem. Anlage 2 Teil B zum TVÜ-Länder („Lehrkräfte, für die nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Anlage 1a zum BAT/BAT-O nicht gilt … Überleitung Lehrkräfte ‚Nichterfüller‘“) vorsehen. Hierfür wäre eine Eingruppierung in die VergGr. IVa BAT einerseits oder in die VergGr. IVb BAT mit ausstehendem Aufstieg nach IVa BAT erforderlich. Deren Tätigkeitsmerkmale erfüllt die Klägerin nicht.
20(a) Die am geltenden Lehrer-RL TdL idF vom lauten - soweit von Interesse - auszugsweise wie folgt:
21(b) Die Voraussetzungen der Tätigkeitsmerkmale aus B. III. 4. Lehrer-RL TdL erfüllt die Klägerin nicht, auch wenn sie über eine abgeschlossene zusätzliche Spezialausbildung als Heilpädagogische Förderlehrerin verfügt. Sie ist weder Jugendleiterin mit staatlicher Prüfung noch Sozialpädagogin oder Sozialarbeiterin mit staatlicher Anerkennung. Wenn die Richtlinien Anwendung fänden, wäre sie als ausgebildete Erzieherin nach B. III. 6. Lehrer-RL TdL nicht nach der VergGr. IVa BAT zu vergüten, sondern wohl - ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankäme - nach den VergGr. Vb bzw. IVb BAT. Folglich wäre sie nach Inkrafttreten des TVöD bzw. TV-L jedenfalls nicht in die Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA bzw. TV-L übergeleitet worden (vgl. Anlage 1 zum TVÜ-VKA bzw. Anlage 2 Teil B zum TVÜ-Länder).
22(3) Bei Anwendung der Lehrer-RL TdL in der ab dem geltenden Fassung, die eine unmittelbare Zuordnung der Tätigkeiten zu den neuen Entgeltgruppen vorsieht, ergibt sich nichts anderes. Gem. B. III. 6. bzw. 7. dieser Richtlinien sind Erzieher als pädagogische Unterrichtshilfen ebenfalls lediglich nach Entgeltgruppe 9 TV-L zu vergüten.
232. Auch aus anderen vertraglichen oder tariflichen Rechtsgrundlagen resultiert der begehrte Anspruch der Klägerin nicht.
24a) Aus der Anwendung der Anlage 1a zum BAT/VKA ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA.
25aa) Dies entspräche bei Anwendung der Überleitungsregelungen aus dem TVÜ-VKA im konkreten Fall einer - früheren - Eingruppierung in der VergGr. IVa oder IVb (mit ausstehendem Aufstieg nach IVa) BAT (§ 17 Abs. 7 Satz 1 TVÜ-VKA iVm. Anlage 1). Für die Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zu einer entsprechenden Vergütungsgruppe gibt es keine Anhaltspunkte.
26bb) Unterstellt, die Klägerin wäre als Lehrkraft eingesetzt worden und es fänden, wie der Beklagte gemeint hat, auf ihr Arbeitsverhältnis die Lehrer-RL VKA Anwendung, ergäbe sich auch aus diesen kein Anspruch auf die begehrte Eingruppierung. Hinsichtlich des Wortlauts der Richtlinien kann auf die oben zitierten Lehrer-RL TdL verwiesen werden, die mit einer hier bedeutungslosen sprachlichen Abweichung (B. III. 6.: „nach [statt: ‚mit‘] mindestens vierjähriger Bewährung…“) wortlautidentisch dem der Lehrer-RL VKA sind. Die dazu oben dargelegten Ausführungen gelten deshalb uneingeschränkt auch für die letzteren.
27b) Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf § 612 BGB berufen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten von einer fehlenden Vergütungsvereinbarung iwS (die Tatbestandsvoraussetzung der Norm ist, vgl. dazu ErfK/Preis 16. Aufl. § 612 BGB Rn. 2 mwN) ausgehen würde, hat sie keine Tatsachen dargelegt, aus denen sich als „übliche“ Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB einer Heilpädagogischen Förderlehrerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 10 TVöD/VKA ergebe (vgl. zum Erfordernis der Darlegung von Anknüpfungstatsachen - Rn. 29, BAGE 150, 223). Die Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbegründung, der Beklagte vergüte nach Vergütungsgruppen, weshalb sie wegen der zusätzlich erworbenen Qualifikation „nach dem Wortlaut des § 612 I BGB eine Vergütungsgruppe höhergruppiert werden [müsse], also im Ergebnis in die Vergütungsgruppe 10 TVöD“ sind im Hinblick auf die Bestimmung der üblichen Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB ungeeignet. Der Erwerb einer Zusatzqualifikation muss keineswegs zwangsläufig zu einer höheren Vergütung führen. Auch insoweit bedarf es einer Anspruchsgrundlage, die vorliegend nicht gegeben ist.
28c) Auf eine Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten und daraus resultierende Schadensersatzansprüche stützt die Klägerin ihr Begehren in der Revision nicht mehr. Insoweit handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, der in der Revision nicht zur Entscheidung angefallen ist. Gleiches gilt für die Anspruchsbegründung mit einem vermeintlich treuwidrigen Handeln des Beklagten.
293. Ob die Klägerin ggf. einen Anspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gründen könnte, war nicht zu entscheiden, denn die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen ihren Anspruch gegen den Beklagten hierauf nicht gestützt. Gleichwohl war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aber insoweit rechtsfehlerhaft und wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, als es einen möglichen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes abgelehnt hat.
30a) Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat ( - Rn. 21, BAGE 151, 235).
31b) Die Klägerin hat sich in den Vorinstanzen nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Sie hat zwar ausgeführt, sie könne nicht verstehen, warum andere Kursteilnehmer bei ihren jeweiligen Arbeitgebern im Geltungsbereich des TV-L nach Abschluss der Zusatzausbildung höhergruppiert worden seien und sie nicht. Darin liegt jedoch nur eine bloße Kundgabe einer empfundenen Ungerechtigkeit und noch keine eigenständige Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
32c) Indem das Landesarbeitsgericht einen möglichen Anspruch der Klägerin aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausdrücklich verneint hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte - zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. - Rn. 23 mwN, BAGE 151, 235).
33II. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die begehrten Entgeltdifferenzen für den Zeitraum März 2007 bis November 2010 aus Annahmeverzug zu (§ 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB). Dabei kann dahinstehen, ob der arbeitsvertragliche Arbeitszeitumfang zwischen den Parteien (konkludent) auf 26,55 Wochenstunden herabgesetzt worden ist, wie der Beklagte meint. Auch wenn dies nicht der Fall wäre, fehlte es jedenfalls an dem nach §§ 293 ff. BGB erforderlichen Angebot der Klägerin.
341. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt ein Gläubiger gem. § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Unter den Voraussetzungen des § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber zumindest konkludent erklärt hat, er werde die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (st. Rspr., zuletzt etwa - Rn. 41 mwN, BAGE 151, 45).
352. Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung befand sich der Beklagte im gesamten Zeitraum März 2007 bis November 2010 nicht im Verzug. Die Klägerin hat weder tatsächlich noch wörtlich ihre Arbeitsleistung insoweit angeboten.
36a) Ein wörtliches Angebot genügt, wenn der Arbeitgeber vorher erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn eine erforderliche Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers unterbleibt. Das wörtliche Angebot muss als rechtsgeschäftsähnliche Handlung dem Arbeitgeber zugehen (grdl. - zu B II 1 der Gründe) und es muss sich inhaltlich auf die geschuldete Arbeitsleistung, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise beziehen ( - Rn. 37, BAGE 149, 144).
37b) Ein entsprechendes Angebot der Klägerin liegt nicht vor.
38aa) Entgegen der Revision stellt die fehlende Reaktion der Klägerin auf das Änderungsangebot des Beklagten vom kein „konkludentes“ Angebot dar. Hierbei ging es um eine mögliche Einigung der Parteien über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses. Der Erklärungswert des Schweigens der Klägerin geht jedenfalls nicht über die Ablehnung des Angebots auf eine vertragliche Stundenreduzierung hinaus.
39bb) Auch das Schreiben der Klägervertreter vom an den Beklagten hat diesen nicht in Annahmeverzug gesetzt. Abgesehen davon, dass es nur dann für den letzten Tag des geltend gemachten mehr als dreieinhalbjährigen Annahmeverzugszeitraums Wirkung hätte entfalten können, wenn es noch am selben Tage dem Beklagten zugegangen wäre, wozu die Klägerin im Übrigen nichts vorgetragen hat, wird in dem Schreiben keine Bereitschaft der Klägerin zur Ableistung der weiteren 3,22 Stunden erklärt, sondern „um kurze Erläuterung“ der verminderten Beschäftigung gebeten, weil man „dies mit dem Wortlaut des Arbeitsvertrages nicht ganz in Einklang bringen“ könne. Eine unbedingte Bereitschaft zur erweiterten Leistungserbringung am Folgetag ist darin nicht zu erkennen.
403. Auf die Frage des Verfalls des weitaus größten Teils der Ansprüche gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT kommt es danach nicht mehr an.
41III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:240216.U.4AZR950.13.0
Fundstelle(n):
KAAAF-78036