Online-Nachricht - Dienstag, 12.07.2016

Kartellrecht | Anforderungen an Nachweis eines Kartellschadens (BGH)

Um zu klären, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Schaden durch eine kartellrechtswidrige Abstimmung entstanden ist, müssen alle erheblichen Umstände berücksichtigt werden ().

Hintergrund: Die Veranstaltung von Lotterien ist in Deutschland grundsätzlich den Lottogesellschaften der Bundesländer vorbehalten, die sich im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) zusammengeschlossen haben.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Klägerin ist eine gewerbliche Spielvermittlerin, die von der Lottogesellschaft des Landes NRW Schadensersatz wegen eines Kartellrechtsverstoßes verlangt. Die Klägerin versuchte, mit Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften eine Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen ("terrestrischer Vertrieb"). Einnahmen wollte die Klägerin aus Gebühren der Spielteilnehmer und Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Der DLTB forderte die Lottogesellschaften auf, Umsätze aus dem terrestrischen Vertrieb gewerblicher Spielvermittler zurückzuweisen. Das Bundeskartellamt verbot daraufhin dem DLTB und den Lottogesellschaften der Länder eine solche Aufforderung und die Umsetzung des Beschlusses. Diese Verfügung wurde durch rechtskräftig bestätigt. Die Klägerin macht geltend, wegen des Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften habe sie das Vermittlungsgeschäft nicht wie geplant aufbauen können und verlangt Ersatz entgangenen Gewinns. Das OLG Düsseldorf verurteilte die Lottogesellschaft des Landes NRW zur Zahlung von Schadensersatz.

Hierzu führten die Richter des BGH weiter aus:

  • Das Urteil des OLG Düsseldorf wird aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

  • Nach § 33 Abs. 4 GWB steht für den Schadensersatzprozess bindend fest, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des DLTB befolgt und durch ihr abgestimmtes Verhalten gegen Kartellrecht verstoßen haben. Anders als vom OLG angenommen, ergibt sich daraus jedoch nicht, wie lange dieses kartellrechtswidrige Verhalten angedauert hat.

  • Allerdings durfte das OLG annehmen, dass sich die Verhaltensabstimmung bis 2008 auf das Marktverhalten der Lottogesellschaften ausgewirkt hat.

  • Damit steht jedoch noch nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist.

  • So erscheint es mangels anderweitiger Feststellungen möglich, dass die Lottogesellschaften trotz bestehender ökonomischer Anreize für eine Kooperation mit der Klägerin auch ohne kartellrechtswidrige Abstimmung nicht oder nur in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten.

  • Dafür könnte ein Wunsch, das bisherige Vertriebssystem für Lotterien zu schützen, und die Unsicherheit über das künftige Glücksspielrecht sprechen, da das BVerfG zum damaligen Zeitpunkt eine Neuausrichtung des Glücksspielrechts für verfassungsrechtlich geboten erklärt hatte. Außerdem hat das OLG einen zwischen 2005 und 2008 bei den Lottogesellschaften eingetretenen Umsatzrückgang sowie die zeitweise in mehreren Bundesländern geltenden gesetzlichen Provisionsverbote bei gewerblicher Spielvermittlung bei der Schadensberechnung nicht ausreichend berücksichtigt.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 117/2016 (Sc)

Fundstelle(n):
NWB KAAAF-77628