Online-Nachricht - Mittwoch, 15.06.2016

Kaufrecht | Sachmangel beim Autokauf (BGH)

Das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie kann einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Käufer zum Rücktritt berechtigen ().

Hintergrund: Gemäß § 433 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Zu der Beschaffenheit gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann.

Sachverhalt: Der Kläger kaufte vom Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler, einen Gebrauchtwagen, den dieser zuvor auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und dort mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben hatte. Kurz nach dem Kauf mussten infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden, die für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei blieben. Später verweigerte der Hersteller mit der Begründung, im Rahmen einer Motoranalyse seien Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes - vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger - festgestellt worden, weitere Garantieleistungen; die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nunmehr teilweise in Rechnung gestellt. Daraufhin trat dieser unter Verweis auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz ihm entstandener Aufwendungen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen (LG Ingolstadt, Urteil vom - 32 O 209/14; ) keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht vertraten die Auffassung, es handelte sich bei der Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Kraftfahrzeugs, sondern lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache, nämlich zwischen Hersteller und Fahrzeughalter. Deshalb konnte das Fehlen einer solchen Garantie, auch wenn sie vom Verkäufer zugesagt oder beworben worden wurde, von vornherein nicht einen für einen Rücktritt erforderlichen Sachmangel im Sinne der § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 434 Abs. 1 BGB begründen. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können.

Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Seit der im Jahre 2001 erfolgten Modernisierung des Schuldrechts gilt ein wesentlich weiterer Beschaffenheitsbegriff und daher stellt das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB dar.

  • Der BGH - so auch der Senat - entschied seit der Schuldrechtsmodernisierung bereits mehrfach, dass als Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache nicht nur die Faktoren anzusehen sind, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.

  • Das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr kommt beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu.

  • Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie deshalb - bei Vorliegen der weiteren, vom Berufungsgericht nicht geprüften Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB - auch im vorliegenden Fall einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Kläger zum Rücktritt berechtigen.

Quelle: BGH, Pressemitteilung vom (Sc)

Fundstelle(n):
NWB NAAAF-75631