BAG Urteil v. - 4 AZR 564/13

Instanzenzug: ArbG Bochum Az: 5 Ca 528/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 3 Sa 1755/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Einstufung der Klägerin und sich hieraus ergebende Entgeltansprüche.

2Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem als Gewerkschaftssekretärin beschäftigt. In der Zeit vom bis zum war sie bereits bei dieser als Jugendsekretärin tätig. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua.:

„§ 3 Allgemeine Arbeitsbedingungen

Auf das Vertragsverhältnis finden die ‚Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der ver.di‘ (AAB ver.di), die Gesamtbetriebsvereinbarungen und Betriebsvereinbarungen … für ver.di in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

...

Die Bezahlung erfolgt nach dem Neuen Vergütungssystem (NVS) für die Beschäftigten der ver.di. Die Eingruppierung erfolgt in die Entgeltgruppe 7.1 Stufe 1.

...

S werden gemäß § 4 AAB ver.di folgende Beschäftigungszeiten angerechnet: vom bis = 1 Jahr 8 Monate“

3Die in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten AAB lauten auszugsweise wie folgt:

4Die seit dem geltende „Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zwischen dem Bundesvorstand der ver.di und dem Gesamtbetriebsrat der ver.di“ (GBV Entgeltsystem 2008) regelt das „neue Entgeltsystem“ und hat ua. folgenden Inhalt:

5Die Klägerin war seit dem erneuten Beginn ihrer Tätigkeit als Gewerkschaftssekretärin mit Betreuungsbereich tätig. Sie erhielt zunächst ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 1 GBV Entgeltsystem 2008 (nachfolgend EG 7 Stufe 1 GBV Entgeltsystem 2008).

6Zum trat die „Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zwischen dem Bundesvorstand der ver.di und dem Gesamtbetriebsrat der ver.di“ (GBV Entgeltsystem 2012) in Kraft. Neben den unverändert gebliebenen Regelungen in § 7 Nr. 2 und den Tätigkeitsbeschreibungen der Entgeltgruppen 6.4, 7.1 und 7.3.2 GBV Entgeltsystem 2008 ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung ua. Folgendes geregelt:

7Die Klägerin wurde seit dem zunächst unverändert vergütet. Ab dem erhielt sie ein Entgelt nach der EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2012.

8Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Vergütung nach EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2008/2012 seit Beginn ihrer Beschäftigung bei der Beklagten geltend gemacht. Neben der Feststellung einer entsprechenden Vergütungspflicht der Beklagten verlangt sie die Zahlung von Differenzentgeltansprüchen für die Zeit von Dezember 2010 bis einschließlich Juli 2012 sowie anteilige Jahressonderzahlungen für die Jahre 2011 und 2012. Sie ist der Auffassung, aufgrund der Übernahme eines Betreuungsbereichs sei von Anfang an die EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2008 maßgebend gewesen. Nach der GBV Entgeltsystem 2008 sollten neu eingestellte Gewerkschaftssekretärinnen zunächst keinen Betreuungsbereich erhalten. Werde ihnen gleichwohl ein solcher übertragen, sei die EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2008 einschlägig. Das entspreche auch § 2 Nr. 1 GBV Entgeltsystem 2008, nach dem allein die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit maßgebend sei. Anderenfalls würden von der Beklagten selbst ausgebildete Gewerkschaftssekretärinnen, die zunächst für achtzehn Monate nach der EG 6 Stufe 4 GBV Entgeltsystem 2008 als „GewerkschaftssekretärInnen in Einarbeitung“ vergütet würden, schon nach zweieinhalb Jahren eine Vergütung nach EG 7 Stufe 3 (Nr. 7.3.3) GBV Entgeltsystem 2008 erhalten. Auch § 4 Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2012 bestätige ihre Rechtsauffassung.

9Die Klägerin hat zuletzt - nach Klagerücknahme im Übrigen - beantragt,

10Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, bei den Tätigkeitsmerkmalen nach § 8 Nr. 7.2.7, 7.3.2 und 7.3.3 GBV Entgeltsystem 2008 handele es sich um reine Zeitaufstiege aus der jeweiligen Entgeltgruppe oder -stufe. Das folge auch aus § 7 Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2008. Die Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten sei für die Eingruppierung ohne Bedeutung. Die GBV Entgeltsystem 2012 komme für die Klägerin nach § 11 Nr. 2 iVm. Satz 3 der Präambel nicht zur Anwendung.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe

12Die zulässige Revision ist ohne Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

13I. Die Klage ist, wie die gebotene Auslegung ergibt, auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig. Die Klägerin begehrt zwar nach dem Wortlaut die Feststellung, dass sie in eine bestimmte Entgeltgruppe „einzugruppieren“ ist9. Das entspricht gerade nicht einer allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. nur  - Rn. 13 mwN). Der Antrag ist jedoch wegen des erkennbaren Ziels der Klägerin dahin auszulegen, dass sie die Feststellung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten im Sinne eines Eingruppierungsfeststellungsantrags begehrt.

14II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zutreffend abgewiesen.

151. Für die Zeit bis zum Inkrafttreten der GBV Entgeltsystem 2012 kann die Klägerin als Gewerkschaftssekretärin mit Betreuungsbereich lediglich eine Vergütung nach der EG 7 Stufe 1 GBV Entgeltsystem 2008 beanspruchen. Ein Entgeltanspruch nach der EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2008 besteht erst nach Ablauf von drei Jahren der Ausübung dieser Tätigkeit. Das ergibt die Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung (zu den Maßstäben etwa  - Rn. 16 mwN).

16a) Nach § 7 Nr. 2 GBV Entgeltsystem 2008 erfolgt ein Aufstieg in die Stufen 2 oder 3 der EG 7 GBV Entgeltsystem 2008 erst „nach drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit“. Zunächst werden „bei der Einstellung“ alle Gewerkschaftssekretärinnen, soweit es sich nicht um solche „in Einarbeitung“ iSd. EG 6.4 GBV Entgeltsystem 2008 handelt, „in die Stufe 1 eingestuft“.

17aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Wortlaut der EG 7.3.2 GBV Entgeltsystem 2008 keine zusätzliche zeitliche Voraussetzung nennt. Das ist entgegen der Auffassung der Klägerin an dieser Stelle auch nicht (nochmals) erforderlich. Dieses Erfordernis ergibt sich bereits aus der eigenständigen Stufenzuordnungsregelung in § 7 Nr. 2 GBV Entgeltsystem 2008, die ausschließlich von dieser Entgeltgruppe handelt. Dort wird eindeutig geregelt, dass ein „Aufstieg“ in die Stufen 2 oder 3 erst „nach drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit“ erfolgt. „Bei der Einstellung“ ist zunächst die Stufe 1 der EG 7 GBV Entgeltsystem 2008 maßgebend. Angesichts dessen ist eine abermalige Nennung der zeitlichen Voraussetzungen in EG 7 Stufe 3 (Nr. 7.3.2) GBV Entgeltsystem 2008 entbehrlich. Soweit in der EG 7.2.7 und 7.3.3 GBV Entgeltsystem 2008 ausdrücklich ein zeitabhängiger Stufenaufstieg vorgesehen ist, handelt es sich um eine Sonderregelung für die Beschäftigtengruppe der „GewerkschaftssekretäreInnen in Einarbeitung“ der EG 6.4 GBV Entgeltsystem 2008. Nur für diese Beschäftigtengruppe - die von § 7 Nr. 2 GBV Entgeltsystem 2008 auch nicht erfasst wird - ist nach einer erfolgreichen Beendigung der Einarbeitung bei Übernahme eines Betreuungsbereichs ein anderer Stufenaufstieg (EG 7.2.7 und EG 7.3.3 GBV Entgeltsystem 2008) festgelegt. Für die anderen Beschäftigten verbleibt es bei den Bestimmungen nach § 7 Nr. 2, § 8 EG 7 GBV Entgeltsystem 2008.

18bb) Das vorstehende Ergebnis wird durch § 7 Nr. 1 und Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2008 bestätigt. Für die EG 3 bis 5 GBV Entgeltsystem 2008 ist ebenfalls ein Aufstieg in die dortige Stufe 2 „nach drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit“ vorgesehen, während für die EG 8 bis 10 GBV Entgeltsystem 2008 gerade „zeitunabhängige Stufen“, und zwar „Funktionsstufen“, vereinbart sind. Lediglich für diese ist allein die „Wahrnehmung bestimmter höherwertiger Aufgaben“ maßgebend.

19cc) Aus der Vereinbarung in § 8 des Arbeitsvertrags ergibt sich kein anderes Ergebnis. Darin werden „Beschäftigungszeiten im Sinne der Allgemeinen Arbeitsbedingungen“ (§ 4 AAB) angerechnet, deren Umfang für einzelne Leistungen nach den AAB von Bedeutung sind (§ 4 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Nr. 7: Sonderzuwendungen für Arbeitsjubiläen, § 15 Abs. 2: Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 Abs. 2: Kündigungsfristen). Eingruppierungs- oder Einstufungsbestimmungen sind in den AAB nicht enthalten, sondern lediglich in den beiden Gesamtbetriebsvereinbarungen über ein Entgeltsystem. Zudem nennt auch der Arbeitsvertrag in § 5 die EG 7 Stufe 1 GBV Entgeltsystem als maßgebend.

20dd) Die „Gemeinsame Information für alle ver.di-Beschäftigten“ des Gesamtbetriebsrats und von „ver.di personal“ vom mit dem darin enthaltenen Hinweis, die „Neufassung enthält einige Klarstellungen im Sinne des ursprünglichen Willens der Vertragsparteien“, die auch die „Eingruppierung von neueingestellten Gewerkschaftssekretären/innen und Sekretären/innen in Einarbeitung“ beträfen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Ein dahingehendes Verständnis von § 7 Nr. 2, § 8 EG 7 GBV Entgeltsystem 2008 hat im Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung keinen Niederschlag gefunden (zu diesem Erfordernis sh. nur  - Rn. 27 mwN, BAGE 135, 13).

21b) Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung nicht auf § 2 Nr. 1 GBV Entgeltsystem 2008 stützen. Die Vorschrift bestimmt lediglich, dass die auszuübende Tätigkeit für die Eingruppierung maßgebend ist (vgl. zu dieser Unterscheidung etwa  - zu I 1.5.1 der Gründe, BAGE 91, 299). Für die maßgebende Stufe sind wiederum allein die spezielleren Regelungen in den §§ 7, 8 GBV Entgeltsystem 2008 heranzuziehen.

22c) Der weitere Einwand der Revision, Gewerkschaftssekretärinnen in Einarbeitung würden „bei Übertragung eines Betreuungsbereichs schon nach zweieinhalb Jahren in Entgeltgruppe 7.3.3 eingruppiert“, verhilft der Klägerin nicht zum Erfolg. Ein Verstoß der Einstufungsregelungen von § 7 Nr. 2, § 8 EG 7 GBV Entgeltsystem 2008 gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG (zu den Maßstäben  - zu 3 a der Gründe mwN, BAGE 114, 179) ist nach ihrem Vorbringen nicht erkennbar. Es fehlt an einem ausreichenden Vortrag, um die angeführte Gruppenbildung am Maßstab des § 75 Abs. 1 BetrVG überprüfen zu können. Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, welche Tätigkeit Gewerkschaftssekretärinnen in Einarbeitung (EG 6.4 GBV Entgeltsystem 2008) in den achtzehn Monaten dieser Beschäftigung auszuüben haben. Deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob und ggf. wie sich deren auszuübende Tätigkeit von Gewerkschaftssekretärinnen der EG 7.1 GBV Entgeltsystem 2008 unterscheidet. Darüber hinaus ist auch nicht dargetan, welche Entgeltunterschiede in den einzelnen Zeitabschnitten (zunächst ein Entgelt nach der EG 6.4, anschließend nach der EG 7.2.7 und schließlich nach der EG 7.3.3 GBV Entgeltsystem 2008) und insgesamt für die Dauer von drei Jahren im Verhältnis zu einer Gewerkschaftssekretärin der EG 7 Stufe 1 GBV Entgeltsystem 2008 bestehen, die nach drei Jahren der Tätigkeit in die Stufe 3 aufrückt.

232. Die Klage ist auch für den weiteren Streitzeitraum vom bis zum unbegründet. Ob die GBV Entgeltsystem 2012 nach deren § 11 Nr. 2 iVm. Satz 3 der Präambel für die Eingruppierung ihrer Tätigkeit keine Anwendung findet, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, kann dahinstehen (dazu  - Rn. 25 ff.). Die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2012, die allein einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach der EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2012 begründen könnten, liegen in ihrer Person nicht vor. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der EG 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem 2012 für die Zeit ab dem bis zum scheidet selbst dann aus, wenn man zu ihren Gunsten von deren Geltung für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ausgeht.

24a) Ein Entgeltanspruch der Klägerin nach der EG 7 Stufe 3 abweichend von § 7 Nr. 2 GBV Entgeltsystem 2012 vor Ablauf von „drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit“ kommt nach § 4 Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2012 nur dann in Betracht, wenn sie vor Beginn ihrer Beschäftigung bei der Beklagten „mindestens 36 Monate“ in einer anderen DGB-Gewerkschaft oder einer gewerkschaftlichen Einrichtung gem. § 4 AAB tätig gewesen war.

25b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin war zuvor - in der Zeit vom bis zum  - lediglich 20 Monate bei einem Arbeitgeber iSd. § 4 AAB tätig. Es kann deshalb dahinstehen, ob es sich dabei überhaupt um eine „vergleichbare Tätigkeit“ iSd. § 4 Nr. 4 GBV Entgeltsystem 2012 gehandelt hat.

26III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:300915.U.4AZR564.13.0

Fundstelle(n):
UAAAF-72490