Online-Nachricht - Donnerstag, 07.04.2016

Erbschaftsteuer | Bewertung der Anteile an einem offenen Immobilienfonds (FG)

Anteile an einem offenen Immobilienfond (Anteilscheine) sind im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung unter bestimmten Voraussetzungen mit dem niedrigeren Kurswert und nicht mit dem höheren Rücknahmepreis zu bewerten (; Revision anhängig).

Hintergrund: Gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BewG ist bei Bewertungen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen. Dieser bestimmt sich durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.

Sachverhalt: Die Klägerin war Alleinerbin ihrer im Januar 2012 verstorbenen Freundin. Bestandteil des Nachlasses waren unter anderem Anteilscheine an einem offenen Immobilienfonds. Das Fondmanagement hatte die Rücknahme der Anteilscheine im Mai 2010 für zwei Jahre ausgesetzt und den Anlegern später mitgeteilt, dass die fehlende Liquidität des Fonds die Kündigung nach § 38 Abs. 1 Investmentgesetz und dessen Auflösung zur Folge habe. Bei der Erbschaftsteuerfestsetzung wehrte sich die Klägerin dagegen, dass das Finanzamt die Anteilscheine mit dem Rücknahmewert angesetzt hatte. Dieser sei - so die Klägerin - infolge der Aussetzung der Rücknahme der Anteilscheine nicht mehr zu realisieren gewesen. Maßgeblicher Wertansatz müsse vielmehr der niedrigere Börsenwert als gemeiner Wert im Sinne des § 9 Abs. 1 BewG sein.

Hierzu führten die Richter weiter aus:

  • Entgegen der Ansicht des FA sind die Anteilscheine nicht mit dem Rücknahmepreis nach § 11 Abs. 4 BewG, sondern mit dem zum Bewertungsstichtag im Rahmen des Freiverkehrs festgestellten niedrigen Börsenkurs zu bewerten.

  • Denn im Streitfall ist die Rücknahme der Anteilscheine zum Besteuerungszeitpunkt ausgesetzt gewesen.

  • Die fehlende Möglichkeit, die Anteilscheine zum Rücknahmepreis zu liquidieren, stellt dabei einen den Preis beeinflussenden Umstand im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG dar.

  • Zudem ist die Möglichkeit, die Anteile an der Börse zu veräußern, kein gleichwertiger Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückzugeben.

  • Es ist demnach im Zuge der Gesetzesauslegung sachgerecht, bei der Erbschaftsteuerfestsetzung eine Bewertung der im Freiverkehr gehandelten Anteilscheine mit ihrem Kurs zum Besteuerungszeitpunkt nach § 11 Abs. 1 BewG vorzunehmen.

  • Somit ist der zum Besteuerungszeitpunkt unstreitige Börsenkurs der Anteilscheine anzusetzen.

Quelle: Hessisches FG, Pressemitteilung v.

Hinweis

Das Hessische FG hat gegen das Urteil die Revision zugelassen, zumal es von einer Entscheidung des FG Münster (Az. 3 K 1997/14 Erb) in einem vergleichbaren Fall abgewichen ist. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. II R 11/16 anhängig.

Fundstelle(n):
NWB PAAAF-70649