OFD Niedersachsen - S 0550 - 1909 - St 151

§ 143 Rechtsfolgen

Allgemeines

Der Anfechtungsanspruch richtet sich auf Rückgewähr der anfechtbar entäußerten Gegenstände zur Insolvenzmasse (§ 143 Abs. 1 InsO). Wie die Rückgewähr im Einzelnen zu erfolgen hat, hängt von der anfechtbaren Handlung und der Art der zurückzugewährenden Gegenstände ab.

Eine anfechtbar übereignete Sache ist an die Insolvenzmasse zurückzuübereignen. Eine abgetretene Forderung ist zurückabzutreten. Auf ein anfechtbar erlangtes Pfandrecht hat der Pfandgläubiger zu verzichten.

Ist der Gegenstand beim Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden oder hat sich der Wert des Gegenstands verringert, hat der Anfechtungsgegner den Wert (Surrogat) oder die Wertminderung in Geld zur Masse zu zahlen (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. § 819 Abs. 1 BGB).

Hat der Anfechtungsgegner die Leistung unentgeltlich erhalten, so muss er sie nur zurückgewähren, soweit er durch sie bereichert ist (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Zu Rückgewähr oder Wertersatz ist er aber dann verpflichtet, wenn er wusste oder den Umständen nach wissen musste, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt (§ 143 Abs. 2 Satz 2 InsO).

Vor Auszahlung eines berechtigten Anfechtungsanspruchs ist zunächst zu überprüfen, ob unter der Massesteuernummer Abgabenrückstände bestehen, mit denen aufgerechnet werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist die Auszahlung zu veranlassen.

Die nunmehr wieder rückständigen Steuerforderungen sind unverzüglich zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 144 InsO).

Nutzungen und Zinsen

Anfechtungsansprüche sind regelmäßig zu verzinsen.

Zinsen ab Rechtshandlung bis zur Insolvenzeröffnung (Nutzungen)

Dem Insolvenzverwalter steht ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen nach § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 i. V. m. 987 Abs. 1 BGB als Nebenfolge des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs in der Insolvenz für den Zeitraum der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung bis zur Insolvenzeröffnung zu (). Als gezogene Nutzungen sind hierbei Zinserträge von Einnahmeüberschüssen, die im Haushaltsvollzug ausnahmsweise zeitweilig nicht benötigt werden, und ersparte Zinsen für Kassenverstärkungskredite oder andere staatliche Refinanzierungsinstrumente, die infolge des Eingangs wirksam angefochtener Steuerzahlungen zurückgeführt oder vermieden worden sind, anzusehen.

Die Ermittlung der gezogenen Nutzungen kann aus Praktikabilitätsgründen generalisiert und pauschaliert unter Anwendung des EONIA-Zinssatzes erfolgen. Die abweichende Rechtsprechung einiger Gerichte, die eine Verzinsung mit 5 % über dem Basiszinssatz vorsieht, ist nicht anzuwenden. Das AG Merseburg hat entschieden, dass das beklagte Land seiner Darlegungslast mit der Angabe des EONIA-Zinssatzes als Schätzungsgrundlage nachgekommen ist, vgl. ).

Bei dem EONIA-Zinssatz handelt es sich um einen von der Europäischen Zentralbank seit dem auf der Basis effektiver Umsätze berechneten gewichteten Durchschnittssatz für Tagesgelder im Interbankengeschäft. Die jeweiligen Zinssätze können – auch für die Vergangenheit – von den Internetseiten der Deutschen Bundesbank heruntergeladen werden. Dort werden auch gemittelte Monatswerte veröffentlicht, die zu Jahreswerten hochgerechnet werden müssen.

Es bestehen keine Bedenken, wenn für mehrjährige Zinszeiträume der jeweilige Jahresdurchschnittswert zugrunde gelegt wird. Für die Jahre des Zinsbeginns und des Zinsendes sind jedoch lediglich die Zinssätze der betroffenen Monate zu nehmen. Angefangene Monate werden dabei taggenau berücksichtigt.

Zinsen ab Insolvenzeröffnung

Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch (ggf. einschließlich der o. a. dargestellten gezogenen Nutzungen) ist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit fünf Prozentpunkten über dem sog. Basiszinssatz zu verzinsen (). Der Zinslauf endet mit dem Tag der Erstattung des Rückgewähranspruchs. Die Verzinsung erfolgt damit analog den Regelungen zur Berechnung von Prozesszinsen. Allerdings handelt es sich bei den zu zahlenden Zinsen nicht um Prozesszinsen im eigentlichen Sinn. Entsprechende Zinsen sind ggf. auch dann zu zahlen, wenn sie schlicht eingefordert oder im Mahnverfahren geltend gemacht werden.

Der Basiszins wird durch die Bundesbank zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Der aktuelle Zinssatz sowie frühere Festsetzungen können auf den Internetseiten der Bundesbank eingesehen werden. (www.bundesbank.de/presse/presse/_zinssaetze.php). Für die Zinsberechnung steht im Internet unter www.basiszins.de ein Zinsrechner zur Verfügung.

Zinsen für den Rückgewähranspruch sind nur auszuzahlen, wenn der Insolvenzverwalter diese geltend macht. Macht der Insolvenzverwalter versehentlich einen niedrigeren Zinssatz geltend, so ist dieser der Berechnung zugrunde zu legen.

Im Rahmen eines Vergleichs ist darauf hinzuwirken, dass auf die Geltendmachung von Zinsen verzichtet wird.

Abwicklung der Auszahlungsansprüche

Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer geltend gemachten Anfechtung sind abzuprüfen. Das Prüfungsergebnis ist dabei in einem aussagekräftigen Aktenvermerk festzuhalten und zur Erhebungsakte zu nehmen.

In Zweifelsfällen ist Kontakt mit der Oberfinanzdirektion (Referat St 15) aufzunehmen.

Ablehnung des Anfechtungsbegehrens

Besteht ein Anfechtungsanspruch nach der Überzeugung des Finanzamts nicht, sind die Forderungen des Antragstellers formlos mit der entsprechenden Begründung zurückzuweisen.

Anerkennen des Anfechtungsbegehrens

Gelangt das Finanzamt nach der Prüfung zu der Auffassung, dass der Anfechtungsanspruch begründet ist, so ist das Erlangte an die Insolvenzmasse zurückzugewähren (§ 143 InsO).

Der Rückgewährsanspruch wird regelmäßig eine erhaltene Geldleistung betreffen, die der Schuldner zur Tilgung von Steuerrückständen erbracht hat. Dementsprechend ist der Rückgewährsanspruch aus dem Speicherkonto des Insolvenzschuldners zu bedienen, auf dem die angefochtenen Zahlungen zur Steuertilgung eingegangen waren. Hierfür ist eine förmliche Kassenanordnung zu erstellen, die von der Sachgebietsleiterin bzw. vom Sachgebietsleiter sachlich richtig festgestellt und von der Kassenaufsichtsbeamtin bzw. vom Kassenaufsichtsbeamten vollzogen wird (Hinweis auf Kassenkartei 204 Karte 3). Als Begründung ist auf den gefertigten Aktenvermerk zu verweisen, der in Kopie als Anlage zum Original der Kassenanordnung beizufügen ist.

Wurden Aufzeichnungen im Speicherkonto bereits verdichtet bzw. gelöscht, so sind die Daten aus dem optischen Speichersystem (OSS) durch die ErSt zu übernehmen (Restkontenaufbau).

In der Vergangenheit zunächst zulasten von Vorschusskonten erbrachte Zinsleistungen sowie künftig ggf. zu leistende Zinszahlungen im Rahmen der Insolvenzanfechtung sind über das HVS-Verfahren (Titel 68102 – Unterkonto 10) durch die Geschäftsstelle abzuwickeln. Allgemeine Auszahlungsanordnung ist erteilt.

In den Fällen, in denen die erfolgreiche Anfechtung auf einer Befriedigung bzw. Sicherung eines anderen Bundeslandes vor dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit beruht, ist die Erstattung des Rückgewähranspruchs – mangels Rechtsgrundlage – von dem anderen Bundesland nicht zurückzufordern (s. a. Tz. 6.4).

OFD Niedersachsen v. - S 0550 - 1909 - St 151

Fundstelle(n):
FAAAF-68562