BVerwG Beschluss v. - 10 B 14.15

Instanzenzug:

Gründe

1Der Beigeladene wurde am zum Landrat des ...-Kreises gewählt. Die bei der Rechtsaufsichtsbehörde per Telefax eingereichte und handschriftlich durch seinen Prozessbevollmächtigten unterzeichnete Wahlanfechtung des Klägers wies der Beklagte mit Bescheid vom zurück, weil keine für das Wahlergebnis wesentlichen Verstöße vorlägen. Das Verwaltungsgericht hat die Wahl auf die Klage hiergegen für ungültig erklärt. Auf die Berufung des Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Wahlanfechtungsverfahren sei nicht wirksam eingeleitet worden und eine Sachentscheidung daher nicht möglich. Der Kläger habe bei der zuständigen Stelle entgegen des auch auf Wahlanfechtungen anwendbaren und verfassungsrechtlich unbedenklichen § 40a des Thüringer Kommunalwahlgesetzes (ThürKWG) innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist keine persönlich und handschriftlich von ihm selbst unterzeichnete Erklärung im Original eingereicht. Eine Übermittlung per Telefax sowie eine Unterzeichnung durch einen Prozessbevollmächtigten genügten den landesgesetzlichen Anforderungen nicht.

2Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

4Soweit der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die Wahlanfechtung von einem beauftragten Rechtsanwalt unterschrieben werden darf, benennt er keine Norm des revisiblen Rechts, anhand derer die von ihm formulierte Frage zu beantworten wäre. Die vom Berufungsgericht angewendeten Vorschriften der §§ 31, 40a ThürKWG sind als landesrechtliche Regelungen nicht revisibel. Soweit die Beschwerde geltend macht, § 54 BWahlG weise eine gleichlautende Regelung zu § 40a ThürKWG auf, verleiht dies der hier allein maßgeblichen letztgenannten Norm keinen Charakter als revisibles Recht. Dies ergibt sich aus § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, wonach eine Revision nur dann auf die Verletzung von Landesrecht gestützt werden kann, wenn es sich um mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes gleichlautendes Landesverwaltungsverfahrensrecht handelt. Auch die in den Ausführungen der Beschwerde genannte bundesrechtliche Norm des § 3 Abs. 1 und 2 BRAO verleiht der vom Kläger formulierten Frage keine grundsätzliche Bedeutung. Das in ihr verankerte Recht des Rechtsanwaltes zur Beratung und Vertretung bleibt durch Formvorschriften, die eine persönliche Unterschrift des Vertretenen sowie die Einreichung einer Erklärung im Original verlangen, unangetastet, weil es dem Vertretenen unbenommen ist, sich zusätzlich anwaltlich beraten und vertreten zu lassen. Eine Entscheidung im Revisionsverfahren könnte daher keinen Beitrag zur weiteren Klärung des § 3 BRAO leisten. Aus dem in der Beschwerdebegründung genannten weiteren Aspekt, ob durch das Erfordernis einer persönlichen Unterzeichnung der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit wegen einer Benachteiligung von Behinderten und Analphabeten verletzt wäre, ergibt sich ebenfalls keine Grundsatzbedeutung der Rechtssache, denn seine Entscheidungsrelevanz ist nicht erkennbar. Die Beschwerde legt nicht dar, dass der Kläger eine derartige Einschränkung aufwiese, deretwegen er an der Unterzeichnung seiner Wahlanfechtungserklärung gehindert gewesen wäre.

5Die Beschwerde sieht weiterhin die Frage als grundsätzlich bedeutsam an, ob die Wahlanfechtung, die per Telefax bei der zuständigen Behörde eingereicht wird, der Schriftform des § 126 BGB genügt. Die Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht die Unwirksamkeit der Wahlanfechtungserklärung des Klägers im Hinblick auf die Einreichung lediglich per Telefax innerhalb der Zweiwochenfrist nicht aus dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Erklärung, sondern aus der ausdrücklichen landesrechtlichen Anforderung einer Einreichung im Original abgeleitet hat. Eine solche ausdrückliche Anforderung enthält § 126 BGB nicht. Es kann dahinstehen, ob die in Rede stehenden Formvorschriften des Thüringer Kommunalwahlrechts überhaupt an dieser Norm zu messen wären, da durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt ist, dass die Einreichung einer Erklärung per Telefax dem Schriftformerfordernis des § 126 BGB nicht genügt (vgl. - NJW 2006, 2482 <2484>).

6Auch die weitere, von der Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob Normen, die Formvorschriften betreffen und bewusst nicht von der Verwaltung angewendet wurden, zu irgendeinem Zeitpunkt - ohne Vorankündigung - zu Lasten des Bürgers anwendbar sind, wäre auf Grundlage der für ein Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) nicht klärungsfähig. Das angegriffene Urteil stellt keine bewusste Nichtanwendung der Vorschrift in der bisherigen Verwaltungspraxis des Beklagten fest (vgl. UA S. 17). Außerdem hat nicht die Verwaltung ihre Praxis zu Lasten des Klägers geändert, sondern das Berufungsgericht hat sich im Verfahren der gerichtlichen Kontrolle des die Wahlanfechtung des Klägers aus materiellen Gründen zurückweisenden behördlichen Bescheides an einer Sachentscheidung gehindert gesehen, weil es die Formvorschrift des § 40a ThürKWG auf Wahlanfechtungserklärungen nach § 31 ThürKWG für anwendbar hält. Darin kann von vorneherein keine vertrauensschutzwidrige Änderung der Verwaltungspraxis liegen. Außerdem bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass das in der Beschwerdebegründung als Maßstabsnorm benannte bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG angesichts des in derselben Verfassungsnorm verankerten Grundsatzes der Gesetzesbindung der Verwaltung keinen generellen Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand eines bisherigen Vollzugsdefizits einer gesetzlichen Norm in der Verwaltungspraxis begründet. Die Beschwerde genügt insoweit schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, da sie sich nicht mit den Ausführungen und Verweisen auf bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung hierzu in den Urteilsgründen des Berufungsgerichts auseinandersetzt.

7Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
XAAAF-67759