BFH Beschluss v. - XI B 113/14

Umsatzsteuer und innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele; Umsatzsteuerbefreiung nur bestimmter Glücksspiele mit Geldeinsatz; Vereinbarkeit des § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG mit Unionsrecht

Leitsatz

1. Die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele dürfen kumulativ erhoben werden, wobei das Unionsrecht einer innerstaatlichen Regelung, wonach die Umsatzsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Sonderabgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

2. Der Bundesrepublik Deutschland ist es in Ausübung ihrer Befugnis, "Bedingungen und Beschränkungen" für die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, auch gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien.

3. Steuerrechtliche Vorschriften, die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, sind keine technischen Defacto-Vorschriften im Sinne der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft.

4. Eine Revision ist jedenfalls dann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die ordnungsgemäß dargelegte abstrakte Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung des BFH bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt ist und die angestrebte Revision danach in Bezug auf die geklärte Rechtsfrage keine Aussicht auf Erfolg hat.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 9 Buchstabe b, EGRL 112/2006 Art. 131, EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i

Instanzenzug:

Tatbestand

1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, führte als Automatenaufstellerin in den Jahren 2006 bis 2010 (Streitjahre) Umsätze mit Geldspielgeräten aus.

2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) sah die Umsätze der Klägerin in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre als steuerpflichtig an. Die Einsprüche der Klägerin, mit denen sie, die Klägerin, geltend machte, ihre Umsätze seien umsatzsteuerfrei, blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ).

3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Umsätze der Klägerin seien nicht nach § 4 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Dieser entspreche den Vorgaben des Unionsrechts und sei auch nicht gleichheitswidrig.

4 Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.

Gründe

5 II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

6 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

7 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779; vom XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 115 FGO Rz 91; Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 23). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. , BFH/NV 2015, 538, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 50; Werth in Beermann/ Gosch, FGO § 115 Rz 102).

8 b) Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Dazu muss auch dargetan werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 116/12, BFH/NV 2013, 1640; vom XI B 29/14, BFH/NV 2014, 1780, m.w.N.; Lange in HHSp, § 116 FGO Rz 180; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 116 Rz 32). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 15/13, BFH/NV 2014, 839; vom XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864, jeweils m.w.N.; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 76; Lange in HHSp, § 116 FGO Rz 180).

9 c) Gemessen daran ist die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen bereits teilweise nicht hinreichend dargelegt.

10 aa) Die Klägerin hält zwar als erste Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine mehrfache Besteuerung desselben steuerlichen Substrats „Gewinn” durch Umsatzsteuer einerseits und Ertragsteuer andererseits erfolgen kann und wirft in diesem Zusammenhang außerdem die Frage auf, ob „das Netto-Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG durch den sog. 'Saldo 2' lediglich im Wege der Schätzung erfolgen” dürfe.

11 bb) Sie hat aber insoweit nicht hinreichend dargelegt, inwieweit diese Rechtsfragen im Streitfall klärbar sind. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass im Rahmen der Ertragsbesteuerung (je nach Art der Einkünfteermittlung) die geschuldete bzw. gezahlte Umsatzsteuer grundsätzlich gewinnmindernd berücksichtigt wird (vgl. , BFHE 139, 544, BStBl II 1984, 301, unter 1.a, Rz 12; vom XI R 48/05, BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282; Stapperfend in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 980 „Betriebssteuern"; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Vorbemerkung Rz 820), so dass —anders als die Klägerin meint— Substrat der Ertragsteuer grundsätzlich eine um die Umsatzsteuer geminderte Bemessungsgrundlage ist, ohne dass dargelegt wird, warum dies im Rahmen der Gewinnermittlung der Klägerin nicht gelten solle. Außerdem ist die ertragsteuerrechtliche Besteuerung der Klägerin nicht Gegenstand des Verfahrens wegen Umsatzsteuer.

12 cc) Zum Kasseninhalt nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage bei Nutzung eines „Hoppers” setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend mit Rz 42 f. und 52 f. des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Metropol Spielstätten vom C-440/12 (EU:C:2013:687, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2013, 1166) auseinander (vgl. nach Begründung der Beschwerde auch , BFH/NV 2016, 84, Rz 6, 8 f.). Nach Auffassung des EuGH können die Kasseneinnahmen, über die der Betreiber effektiv selbst verfügen kann, auch durch einen sog. Hopper genau ermittelt werden; dieser Auffassung hat sich die Vorinstanz im Streitfall für die Geräte der Klägerin angeschlossen. Soweit die Klägerin eine unzutreffende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Einzelfalls durch das FG rügt, kann dies grundsätzlich nicht zu einer Zulassung der Revision führen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 89/11, BFH/NV 2013, 778, Rz 10; vom XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 26; zu dem gerügten Verfahrensfehler s. unten II.4.c). Fragen, die sich nur stellen könnten, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausginge, können in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. , BFH/NV 2015, 534, Rz 27, m.w.N.; s. zum Revisionsverfahren auch , BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311, Rz 58).

13 dd) Ebenfalls nicht hinreichend dargelegt ist, warum die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage 4, ob es dem deutschen Gesetzgeber gestattet sei, andere nicht harmonisierte Steuern in Höhe der Mehrwertsteuer zu erlassen bzw. eine Anrechnung der Mehrwertsteuerschuld auf die nicht harmonisierte Abgabe vorzunehmen, trotz der Rechtsprechung des EuGH, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen (EuGH-Urteil Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166, Rz 32) und das Unionsrecht einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht (EuGH-Urteil Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166, Rz 60; BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 84) weiterhin klärungsbedürftig ist. Soweit die Klägerin im Ergebnis die Rechtsprechung des EuGH für unzutreffend hält, genügt dies nicht zur Darlegung, dass die Rechtsprechung nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werde.

14 d) Die übrigen von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung.

15 aa) Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft, ob Art. 26 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union es gebietet, klare und eindeutige Voraussetzungen i.S. des Art. 131 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu normieren, „die es den anderen Teilnehmern des Europäischen Binnenmarktes, die bislang nicht der Gruppe der durch den jeweiligen Mitgliedstaat privilegierten Glücksspielen unterfallen, ermöglichen, unter den von den jeweiligen Mitgliedstaaten gesetzlich zu normierenden Voraussetzungen ebenfalls eine Steuerbefreiung zu erlangen, wenn sie die von den jeweiligen Mitgliedstaaten aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen”, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig; denn der EuGH hat speziell zu Glücksspielen bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, der „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden”, eine Mehrwertsteuerbefreiung u.a. dieser Spiele vorsieht, dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, „Bedingungen und Beschränkungen” für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, auch gestattet ist, nur „bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz” von dieser Steuer zu befreien (vgl. EuGH-Urteile Leo-Libera vom C-58/09, EU:C:2010:333, HFR 2010, 884, Rz 39; Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166, Rz 29). Der BFH hält im Übrigen § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. grundsätzlich für mit den Vorgaben des Unionsrechts und des EuGH vereinbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; BFH-Beschlüsse vom V B 1/13, BFH/NV 2014, 915, Rz 3 f.; in BFH/NV 2016, 84, Rz 27).

16 bb) Die ferner von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 4 Nr. 9 UStG hätte notifiziert werden müssen, hat der EuGH bereits verneint (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 84, Rz 11); denn steuerrechtliche Vorschriften, die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, können nicht als „technische De-facto-Vorschriften” eingestuft werden (vgl. EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom C-98/14, EU:C:2015:386, Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht —EWS— 2015, 175, Rz 97, zu der von der Klägerin angeführten Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 204, S. 37).

17 (1) Maßgeblich für die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision; muss der BFH über eine Nichtzulassungsbeschwerde befinden, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des BFH maßgebend (z.B. , BFH/NV 2010, 1641, Rz 4, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie in diesem Zeitpunkt bereits geklärt ist, und zwar u.a. auch dann, wenn die Entscheidung (hier: des EuGH) erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 66/97, BFH/NV 2001, 158; vom XI B 11/14, BFH/NV 2015, 851, Rz 9). Dies ist hier der Fall.

18 (2) Die Revision ist auch nicht ausnahmsweise im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes zuzulassen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom X B 44/13, BFH/NV 2013, 1672, Rz 11; in BFH/NV 2015, 851, Rz 10; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 115 Rz 71; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 21 ff., 21c, § 116 FGO Rz 257 ff., 257c; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 51); denn sie hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Der EuGH hat mit dem Urteil Berlington Hungary (EU:C:2015:386, EWS 2015, 175, Rz 97) die betreffende Rechtsfrage so beantwortet, wie es das FG getan hat.

19 2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ist (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2014, 1780, m.w.N.; vom XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 145; Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 41), kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts auch nicht in Frage. Die Ausführungen der Klägerin zu diesem Zulassungsgrund genügen aus den unter II.1.c genannten Gründen nicht.

20 3. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, die Vorentscheidung sowie das (Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 1315) wichen von der Rechtsprechung des BFH, insbesondere den BFH-Urteilen vom V R 9/10 (BFHE 238, 570, BStBl II 2014, 279), vom V R 7/11 (BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976), vom V R 11/11 (BFHE 244, 111, BFH/NV 2014, 803) und in BFHE 248, 411, BStBl II 2015, 944 und dem (BVerfGE 75, 223) ab, hat die Klägerin den angeblichen Divergenzentscheidungen keine tragenden abweichenden Rechtssätze der Vorentscheidung derart gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2015, 363, Rz 16; in BFH/NV 2015, 864, Rz 20; Werth in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 82; Lange in HHSp, § 116 FGO Rz 192).

21 Eine solche Abweichung liegt überdies nicht vor. Das FG ist nämlich nicht von unentgeltlichen, sondern von entgeltlichen Leistungen der Klägerin ausgegangen. Auch hat es nicht angenommen, Art. 13 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern oder Art. 135 MwStSystRL seien nicht berufbar, sondern hat entschieden, § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG sei mit Unionsrecht vereinbar. Beides steht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166) und des BFH (vgl. BFH-Urteile in BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; in BFHE 248, 411, BStBl II 2015, 944; BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 915).

22 4. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

23 a) Wird —wie hier— mit der Rüge eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) geltend gemacht, gehören zu einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Darlegung u.a. Ausführungen dazu, welche Tatsachen das FG hätte aufklären oder welche Beweise es hätte erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 174/11, BFH/NV 2012, 1599, Rz 12; vom XI B 144/13, BFH/NV 2014, 1064, jeweils m.w.N.).

24 b) Das FG hat nach diesen Grundsätzen nicht gegen seine Amtsermittlungspflicht dadurch verstoßen, dass es nicht weiter aufgeklärt hat, ob es der Klägerin möglich ist, Rechnungen zu erteilen; denn diese Frage war für das FG nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung nicht entscheidungserheblich (vgl. dazu auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 84, Rz 17 f.). Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist im Allgemeinen von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen, mag diese richtig oder falsch sein (vgl. , BFH/NV 2015, 1096, Rz 12, m.w.N.; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 225; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Rz 90).

25 c) Soweit das FG den Saldo 2 als Gegenleistung angesehen hat, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält und über die er effektiv selbst verfügen kann (vgl. zum Kasseninhalt nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage bei Nutzung eines „Hoppers” EuGH-Urteil Metropol Spielstätten, EU:C:2013:687, HFR 2013, 1166, Rz 42 und 43; BFH-Beschluss in BFH/NV 2016, 84, Rz 8 f.), hat das FG lediglich den von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt anders gewürdigt als die Klägerin; die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind jedoch revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 133/13, BFH/NV 2014, 1560, Rz 18; vom V B 140/14, BFH/NV 2015, 1442, Rz 16).

26 5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO ab.

27 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 599 Nr. 4
JAAAF-67272