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Online-Nachricht - Dienstag, 26.01.2016

Bankrecht | Zu den Beweisgrundsätzen bei streitigen Zahlungsaufträgen im Online-Banking (BGH)

Die Regelung des § 675w Satz 3 BGB verbietet die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises im Online-Banking bei Erteilung eines Zahlungsauftrags unter Einsatz der zutreffenden PIN und TAN nicht. Es muss aber geklärt sein, dass das eingesetzte Sicherungssystem im Zeitpunkt der Vornahme des strittigen Zahlungsvorgangs im Allgemeinen praktisch unüberwindbar war und im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat. Bei einer missbräuchlichen Nutzung des Online-Bankings spricht kein Beweis des ersten Anscheins für ein grob fahrlässiges Verhalten des Kontoinhabers ().

Hintergrund: Ist die Zustimmung (Autorisierung) des Kontoinhabers zu einem Zahlungsvorgang strittig, hat das ausführende Kreditinstitut (Zahlungsdienstleister) bei Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments (hier das Online-Banking-Verfahren) nach § 675w Satz 2 BGB nachzuweisen, dass dieses einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale (hier: PIN und smsTAN) genutzt und dies mithilfe eines Verfahrens überprüft worden ist. Ist dieser Nachweis erbracht, reicht dies nach § 675w Satz 3 BGB allein jedoch nicht aus, um u.a. nachzuweisen, dass der Zahler den Zahlungsvorgang autorisiert, in betrügerischer Absicht gehandelt oder vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen eine oder mehrere Bedingungen für die Nutzung des Online-Banking-Verfahrens verstoßen hat.

Hierzu führte der BGH sinngemäß aus:

  • Im Streitfall konnte die klagende Bank den o.g. Nachweis nach § 675w Satz 2 BGB führen. Damit hat die Bank aber gemäß § 675w Satz 3 BGB noch "nicht notwendigerweise" den Nachweis geführt, dass der Kontoinhaber tatsächlich den Zahlungsvorgang autorisiert hat.

  • Gleichwohl schließt die Regelung des § 675w Satz 3 BGB es nicht aus, dass sich das ausführende Kreditinstitut auf einen Anscheinsbeweis berufen kann. Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises auf die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs im Online-Banking-Verfahren ist aber die allgemeine praktische Sicherheit des eingesetzten Authentifizierungsverfahrens und dessen Einhaltung im konkreten Einzelfall.

  • Die Erschütterung des Anscheinsbeweises durch den Kontoinhaber bedarf wiederum nicht zwingend der Behauptung und ggf. des Nachweises technischer Fehler des dokumentierten Authentifizierungsverfahrens.

Anmerkung: Trotz allgemein bekannt gewordener, erfolgreicher Angriffe auf Sicherheitssysteme des Online-Bankings fehlt nach Auffassung des BGH nicht in jedem Fall eine Grundlage für die Anwendung des Anscheinsbeweises, da entsprechende Erkenntnisse nicht zu allen im Online-Banking genutzten Authentifizierungsverfahren vorliegen würden. Auf der anderen Seite besteht – so der BGH weiter – im Falle des Missbrauchs des Online-Bankings, angesichts der zahlreichen Authentifizierungsverfahren, Sicherungskonzepte, Angriffe und daran anknüpfender denkbarer Pflichtverletzungen des Nutzers auch kein Erfahrungssatz, der auf ein bestimmtes typisches Fehlverhalten des Zahlungsdienstnutzers hinweist.

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 26.1.2016

Hinweis: Unter einem Beweis des ersten Anscheins (auch Anscheinsbeweis) versteht man eine Methodik der mittelbaren Beweisführung. Er erlaubt es, gestützt auf Erfahrungssätze, Schlüsse von bewiesenen auf zu beweisende Tatsachen zu ziehen.

Fundstelle(n):
DAAAF-48563