Online-Nachricht - Mittwoch, 16.09.2015

Einkommensteuer | Zur Beurteilung eines Telefoninterviewers als Arbeitnehmer (BFH)

Die Frage, ob eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausgeübt wird, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. In diese Gesamtwürdigung ist auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV sind Arbeitnehmer Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein Dienstverhältnis liegt gemäß § 1 Abs. 2 LStDV vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Sachverhalt: Geklagt hatte ein Meinungsforschungsinstitut, das Telefoninterviewer auf freiberuflicher Basis beschäftigt hatte. Den Interviewern stand ein Telefonarbeitsplatz im Institut zur Verfügung. Ihr Honorar wurde im Wesentlichen danach kalkuliert, wie viele Interviews durchschnittlich je Stunde durchgeführt wurden, und nach der Anzahl erfolgreich abgeschlossener Interviews bemessen. Von den gezahlten Honoraren wurden weder Sozialversicherungsbeiträge noch Lohnsteuern einbehalten. Das Finanzamt nahm das Institut für Lohnsteuer in Höhe von über einer halben Million Euro in Haftung. Das Gericht bejahte im Klageverfahren zumindest die Arbeitnehmereigenschaft der Telefoninterviewer.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Die Frage, wer Arbeitnehmer ist, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Der Senat hat in seinem Urteil v. (Az. NWB SAAAA-92099zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die im Rahmen dieser Würdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse für die Abgrenzung Bedeutung haben können und im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind.

  • Diese Indizien stehen allerdings nicht für sich allein. Denn in die Würdigung ist insbesondere auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind.

  • Diese Gesamtwürdigung ist als eine im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Allerdings ist die Gesamtwürdigung materiell-rechtlich fehlerhaft, wenn die Tatsacheninstanz die maßgeblichen Umstände nicht vollständig oder ihrer Bedeutung entsprechend in ihre Überzeugungsbildung einbezieht.

Anmerkung: Im Streitfall hielt die Vorentscheidung der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Vereinbaren die Vertragsparteien eine Vergütung auf der Basis von Erfolgshonoraren, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass kein lohnsteuerrechtlich erhebliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sofern diese Vereinbarung den tatsächlichen Verhältnissen nicht widerspricht. Diesen Umstand hat das Finanzgericht nach Ansicht des BFH hier nur unzureichend berücksichtigt. Im Streitfall lasse sich ein fehlendes Unternehmerrisiko auch nicht daraus ableiten, dass die Interviewer ausschließlich im Rahmen einer Nebentätigkeit, also in nur geringem zeitlichem Umfang arbeiten sollten. Ein geringer zeitlicher Umfang einer Tätigkeit spricht nach Ansicht des BFH eher für eine selbständige als für eine nichtselbständige Tätigkeit.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Der  Urteilsfall zeigt noch einmal eindringlich, wie wichtig es ist, im Klageverfahren darauf zu achten, dass dem Gericht alle Tatsachen vorgetragen werden, die die Beurteilung einer Tätigkeit und die Zuordnung zu einer Einkunftsart nach dem Gesamtbild der Verhältnisse  ermöglicht. Dabei ist zu beachten, dass die gebotene Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse nicht durch eine vertragliche Vereinbarung über die freie Mitarbeit beeinflusst oder unterlaufen werden kann.
 

Fundstelle(n):
NWB NAAAF-47579