Online-Nachricht - Mittwoch, 03.06.2015

Einkommensteuer | Bindung an die Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos (BFH)

Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, nach der Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, soweit für diese das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 KStG als verwendet gilt, knüpft tatbestandlich an die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG ausgewiesenen Bestände des steuerlichen Einlagekontos an (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird die Einkommensteuer bei Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben. Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Gläubiger der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Sachverhalt: Obwohl die Klägerin, eine GmbH, eine Teilauszahlung der Kapitalrücklage (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) beschlossen und durchgeführt hatte, enthielten die Körperschaftsteuererklärung und die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos keine diesbezüglichen Angaben. Das Finanzamt machte gegenüber der Klägerin Kapitalertragsteuer u.a. für das Jahr 2006 als Entrichtungsschuldnerin geltend. Zur Begründung führte es aus, die Gesellschaft habe keine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG erteilt. Damit gelte der Betrag der Einlangenrückgewähr als mit Null bescheinigt; mangels Bescheinigung trete eine Verringerung des Einlagekontos nicht ein. Die handelsrechtliche Beurteilung als Einlagenrückgewähr habe auf diese steuerliche Beurteilung keinen Einfluss. Die Gesellschaft habe für den Gesamtbetrag der Leistungen Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Sätze 3 und 5 EStG).
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Die Klägerin war verpflichtet, auf die im Jahre 2006 vorgenommenen Ausschüttungen Kapitalertragsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Die Klägerin ist diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen; demgemäß konnte gegen sie als sog. Entrichtungsschuldnerin ein Nachforderungsbescheid erlassen werden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Variante 3 AO).

  • Soweit die Klägerin hiergegen geltend macht, dass sie keine Gewinne ausgeschüttet, sondern ihren Gesellschaftern die von diesen erbrachten Kapitalrücklagen erstattet habe und deshalb die Ausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Erträgen ihrer Gesellschafter gehören, kann dieser Einwand bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht durchgreifen.

  • Er lässt außer Acht, dass das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG entsprechend festgestellt wurde und diese Feststellungen, obgleich an die Kapitalgesellschaft als Inhaltsadressatin gerichtet, auch für die Besteuerung der Anteilseigner eine materiell-rechtliche Bindung entfalten.

  • Die materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters (Anteilsinhabers) bedeutet, dass er sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen.

Anmerkung: Im Streitfall wirkten die Bescheide über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss der Jahre 2006 und 2005 als materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal unmittelbar auf die Qualifikation der Ausschüttungen auf der Stufe der Gesellschafter (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V. mit Satz 3 EStG) ein. Die Entscheidung verdeutlicht, dass in der Praxis der zutreffenden Feststellung des Einlagekontos höchste Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, um derartige verfahrensrechtliche Steuerfallen zu umgehen. In der o.g. Entscheidung weist der BFH auch darauf hin, dass eine Änderung der Bescheide über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen ist. Im Hinblick auf die Steuerfestsetzung gegenüber den Gesellschaftern wird daher die Anlaufhemmung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO ausgelöst.
Quelle: NWB Datenbank

Fundstelle(n):
NWB RAAAF-45816