Online-Nachricht - Mittwoch, 30.01.2013

Einkommensteuer | 1 %-Regelung und Anscheinsbeweis (BFH)

Der Beweis des ersten Anscheins, der für eine private Nutzung betrieblicher PKW spricht, ist entkräftet, wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Ein Dienstfahrzeug wird erfahrungsgemäß auch dann privat genutzt, wenn ein Privatfahrzeug zwar zur Verfügung steht, dem Dienstfahrzeug aber weder in Status noch Gebrauchswert vergleichbar ist. Allerdings ist unter diesen Umständen der für die Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis umso leichter zu erschüttern, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei Gleichwertigkeit der Fahrzeuge ist keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das Dienstfahrzeug zu nutzen ( NWB TAAAD-30582).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Frage, ob für ein auf den GbR-Gesellschafter B zugelassenes Fahrzeug (Porsche 911) im Streitjahr ein privater Nutzungsanteil zu berücksichtigen ist. Der Porsche 911 war im Streitjahr nur in der Zeit von April bis November auf B zugelassen. Daneben stand ihm während des gesamten Streitjahres ein in seinem Privatvermögen befindlicher Porsche 928 S4 zur Verfügung und für den Zeitraum Juli bis Dezember ein ebenfalls im Privatvermögen gehaltener Volvo V70 T5. Die fünf zum Haushalt des B und seiner Ehefrau gehörenden Kinder waren im Streitjahr minderjährig.
Hierzu führte der BFH weiter aus: Der Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des Porsche 911 nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Angesichts der beiden privat zur Verfügung stehenden Fahrzeuge Porsche 928 S4 und Volvo V70 T5 ist im Streitfall der Anscheinsbeweis für die private Nutzung des Porsche 911 erschüttert. Es wäre daher Aufgabe des Finanzamtes gewesen, die private Nutzung des PKW Porsche 911 durch B im fraglichen Zeitraum zu beweisen. Diesen Beweis hat das Finanzamt nicht erbracht.
Hinweis: Der BFH ist - wie bereits die Vorinstanz - davon ausgegangen, dass im Streitfall vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung standen. Das gilt zunächst für den im Privatvermögen befindlichen Porsche 928 S4, ein Fahrzeug, welches dem im Betriebsvermögen befindlichen Porsche 911 sowohl in Ausstattung, Fahrleistung und unter Prestigegesichtspunkten in etwa vergleichbar war. Gegen eine private Nutzung des Porsches 911 sprachen aber auch die familiären Verhältnisse und der Umstand, dass ab Juli noch ein Kombi Volvo V70 T5 zur Verfügung stand, ein ebenfalls relativ stark motorisiertes und gut ausgestattetes Fahrzeug. Zwar hatte theoretisch auch die Ehefrau die Möglichkeit, für private Fahrten den Porsche 911 neben dem auf ihren Ehemann zugelassenen Porsche 928 S4 bzw. den Volvo V70 T5 zu nutzen. Zu berücksichtigen sei indes, dass B fünf minderjährige Kinder hatte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung müssen Eltern kleinerer Kinder des Öfteren Transportaufgaben oder größere Einkäufe erledigen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass für derartige Aufgaben eher ein Auto mit größerem Platzangebot und großem Kofferraum, wie zum Beispiel ein Kombi Volvo V70 T5, gewählt wird als ein Sportwagen, so der BFH in seinen Entscheidungsgründen.
Quelle: BFH online
Anmerkung: Der Anscheinsbeweis kann also allein durch den Hinweis darauf widerlegt werden, dass ein „in etwa gleichwertiges“ Fahrzeug im Privatvermögen zur Verfügung steht. Der BFH fordert also nicht einen identisches Privat-PKW und erleichtert damit die Widerlegung des Anscheinsbeweises in allen Fällen, wo das ehemals betriebliche Fahrzeug zugunsten eines neuangeschafften betrieblichen PKW ins Privatvermögen übernommen wurde. So könnte es auch im Streitfall gewesen sein, denn der Porsche 928 war ein nur bis 1995 produziertes Auslaufmodell, während der 911-er vermutlich ein neueres Modell gewesen ist und dann technisch sicherlich moderner ausgestatte war. Wo hier die Grenze zum „in etwa ungleichwertigen“ Fahrzeug zu ziehen wäre, hat der BFH nicht ausgeführt. Das Finanzamt jedenfalls müsste auf den widerlegten Anscheinsbeweis nun seinerseits mit zuverlässigen Beweismitteln reagieren. Dazu wäre etwa an die Vernehmung von Zeugen zu denken.
 

 

 

Fundstelle(n):
NWB PAAAF-45338