Online-Nachricht - Dienstag, 29.01.2013

Kernbrennstoffsteuer | FG Hamburg hält Steuer für verfassungswidrig (FG)

Der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat bundesweit die erste Entscheidung in einem Klageverfahren gegen die im Jahr 2011 als Verbrauchsteuer eingeführte Kernbrennstoffsteuer getroffen. Der 4. Senat ist von der Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes überzeugt und wendet sich deshalb an das Bundesverfassungsgericht, das allein die Kompetenz hat, im konkreten Normenkontrollverfahren über die Ungültigkeit eines Gesetzes zu entscheiden ().

Hintergrund: Zum trat das Kernbrennstoffsteuergesetz in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen eingeführt hat. Das Kernbrennstoffsteuergesetz war von Beginn an rechtlich umstritten. Aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes gewährte das Finanzgericht Hamburg der Klägerin bereits mit Beschluss v. (Az. NWB AAAAD-93606) vorläufigen Rechtsschutz, der allerdings vom Bundesfinanzhof aus formellen Gründen wieder aufgehoben wurde (Az. NWB BAAAE-04840). In weiteren Eilverfahren hat bisher neben dem 4. Senat auch das Finanzgericht München ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer geäußert, wohingegen das Finanzgericht Baden-Württemberg das Gesetz für verfassungsgemäß gehalten hat.

Sachverhalt: Als die Klägerin im Juli 2011 in dem vor ihr betriebenen Kraftwerk die Kernbrennstäbe wechselte, berechnete sie pflichtgemäß die Steuer und gab beim für sie zuständigen Hauptzollamt eine Steueranmeldung über rund 96 Mio. Euro Kernbrennstoffsteuer ab, legte aber sogleich Rechtmittel ein.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus: Das Gericht hält das Gesetz mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes für verfassungswidrig. Der Bund hat die sich aus den Art. 105, 106 Grundgesetz ergebende Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern nicht in Anspruch nehmen können, weil die Kernbrennstoffsteuer weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer ist noch die Typusmerkmale einer Verbrauchsteuer erfüllt. Prägendes Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern ist insbesondere ihr Ziel, den privaten Verbraucher zu belasten. Dies ist bei der Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall. Schon in der Gesetzesbegründung ist festgehalten worden, dass eine Überwälzung der Steuer allenfalls in geringem Umfang möglich sein werde. Eine Betrachtung des Strommarktes bestätigt, dass die Kernbrennstoffsteuer auf die Strompreisbildung ohne Einfluss geblieben ist. Dies führt den 4. Senat zu der Feststellung, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht auf Abwälzung angelegt ist, sondern, das Ziel verfolgt, die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen. Die Besteuerung von Gewinnen erfolgt nach dem Steuersystem des Grundgesetzes allerdings nicht durch Verbrauchsteuern, sondern typischerweise durch eine der Ertragsteuern, die jedoch nicht in der alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt.

Anmerkung: Zur Verfassungsmäßigkeit der Kernbrennsteuer im Übrigen – die Klägerin rügt insbesondere noch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Verletzung der Eigentumsgarantie – hat sich der 4. Senat nicht geäußert; sie wird vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Normenkontrollverfahrens von Amts wegen zu prüfen sein. Eine Überprüfung, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz gegen höherrangiges Europarecht verstößt – etwa gegen Beihilfevorschriften oder den Euratom-Vertrag – hat der 4. Senat zunächst zurückgestellt.

Quelle: FG Hamburg, Pressemitteilung v.

Hinweis: Nach dem Kernbrennstoffsteuergesetz wird der Verbrauch von Kernbrennstoff (Uran 233 und 235 sowie Plutonium 239 und 241) besteuert, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird. Die Steuer wird durch die Hauptzollämter von den Kernkraftwerksbetreibern erhoben und entsteht immer dann, wenn ein Brennelement in einen Kernreaktor eingesetzt und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. Bei einem Steuersatz von 145 EUR je Gramm Kernbrennstoff wurde bei Einführung der Steuer eine jährliche Einnahme von 2,3 Mrd. EUR erwartet. Von den damals noch 17 Kernkraftwerken sind nach der auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima folgenden Energiewende allerdings nur noch 9 Anlagen in Betrieb. Allein beim Finanzgericht Hamburg sind eine Reihe von Klagen für verschiedene Kernkraftwerke anhängig, deren Gesamtstreitwert sich auf rund 1,5 Mrd. Euro beläuft. Zuständig für diese Klagen ist beim Finanzgericht Hamburg der 4. Senat, der als Gemeinsamer Senat für die Länder Freie und Hansestadt Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine länderübergreifende Zuständigkeit für Zoll-, Verbrauchsteuer- und Marktordnungsrecht hat.

 

Fundstelle(n):
NWB RAAAF-45333