Online-Nachricht - Dienstag, 08.01.2013

Einkommensteuer | Wahl der getrennten Veranlagung als Gestaltungsmissbrauch? (BFH)

Die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts zur getrennten Veranlagung durch die Ehefrau ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO, weil die Ehefrau dadurch die von ihrem Arbeitslohn einbehaltene Lohnsteuer ganz oder teilweise erstattet bekommt, während die sich für den Ehemann nach Anrechnung der Vorauszahlungen ergebenden Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden können (, NV; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Ein Missbrauch i.S. des § 42 AO ist in der Regel anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.
Sachverhalt: Ursprünglich wurden die Klägerin und ihr im Februar 1996 verstorbener Ehemann in den Streitjahren zusammenveranlagt. Die Einkommensteuerbescheide wurden zunächst bestandskräftig. Über den Nachlass des Ehemannes wurde später das Konkursverfahren eröffnet. Im Februar 2001 ergingen für die Streitjahre geänderte Einkommensteuerbescheide. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte die Durchführung von getrennten Veranlagungen. Das Finanzamt lehnte die getrennten Veranlagungen ab, da diese rechtsmissbräuchlich seien. Mit den Anträgen verfolge die Klägerin allein den Zweck, einen Erstattungsbetrag zu erlangen, während die Nachforderungen beim Ehemann wegen des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens nicht mehr beigetrieben werden könnten. Das Finanzgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab. Dabei sah es die Anträge der Klägerin auf Durchführung von getrennten Veranlagungen zwar nicht als willkürlich, den erstrebten Wechsel der Veranlagungsart jedoch wie das Finanzamt als rechtsmissbräuchlich  an ( NWB EAAAD-45903) .
Hierzu führte der BFH weiter aus: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, so können die Eheleute grds. zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelungen in §§ 26a und 26b EStG eingeschränkt. Seine Ausübung ist nicht an eine Frist gebunden. Das Veranlagungswahlrecht von Eheleuten kann bis zur Unanfechtbarkeit eines Änderungsbescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl hinsichtlich der Veranlagungsart - vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht widerrufen werden. Eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung liegt hier nicht vor. Für § 42 AO ist grds. kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt.
Anmerkung: Im Streitfall kam die Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin (nur) die von ihrem Arbeitslohn einbehaltene und ihre Einkommensteuer übersteigende Lohnsteuer ganz bzw. teilweise erstattet bekommen konnte. Die vom Ehemann geleisteten Voraus- und Abschlusszahlungen waren im Streitfall zunächst auf die festgesetzten Einkommensteuern beider Ehegatten anzurechnen. Da diese Zahlungen in keinem Veranlagungszeitraum zur Tilgung der nun insgesamt höheren Einkommensteuern ausgereicht haben, verblieb im Streitfall kein Rest, von dem die Klägerin 50% als Erstattung hätte beanspruchen können (s. hierzu NWB UAAAD-84134; unter II.3.c dd (2)). Der Umstand, dass die Zahllasten des Ehemanns nicht mehr beigetrieben werden konnten, stellte nach Ansicht des BFH noch keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar.
Quelle: NWB Datenbank
Hinweis: Die Wertungen dieses Urteils sind wohl auch für das ab VZ 2013 geltende Recht der Ehegattenveranlagung von Bedeutung. Denn nach § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die Änderung des Wahlrechts erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids eingeschränkt.

 


   

 

Fundstelle(n):
NWB IAAAF-45242