Online-Nachricht - Mittwoch, 05.09.2012

Bilanzierung | Rückstellungen für Kosten künftiger Betriebsprüfungen (BFH)

Bei einer als Großbetrieb eingestuften Kapitalgesellschaft sind Rückstellungen für die zukünftigen Betriebsprüfungskosten zu bilden, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen. Auf den Zeitpunkt des Erlasses einer Prüfungsanordnung kommt es - entgegen H 5.7 Abs. 4 EStH 2011 - nicht an (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Die Betriebsprüfungen verursachen für die geprüften Unternehmen regelmäßig nicht unerhebliche externe und interne Kosten. Fraglich war im Streitfall, ab welchem Zeitpunkt die Unternehmen in ihren Bilanzen gewinnmindernde Rückstellungen für die Kosten zukünftig zu erwartender Betriebsprüfungen bilden dürfen. Die Finanzverwaltung erkennt diese regelmäßig erst für solche Jahresabschlüsse an, bei deren Aufstellung bereits eine Prüfungsanordnung vorliegt (H 5.7 Abs. 4 EStH 2011 unter Hinweis auf NWB RAAAA-90864). Das FG Baden-Württemberg hatte in der Vorinstanz demgegenüber entschieden, dass bei Großbetrieben die Bildung einer Rückstellung für die Kosten einer zukünftigen Betriebsprüfung auch ohne Vorliegen einer Prüfungsanordnung zulässig ist ( NWB JAAAD-56466).
Hierzu führte der BFH weiter aus: Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Im Streitfall lagen diese Voraussetzungen vor. Der Erlass einer Prüfungsanordnung betreffend die streitgegenständlichen Wirtschaftsjahre gegenüber der Klägerin und damit auch deren Verpflichtung zur Mitwirkung nach § 200 AO, war am Bilanzstichtag wahrscheinlich. Maßstab hierfür ist die Prognose dazu, ob am Bilanzstichtag mehr Gründe für als gegen das Entstehen dieser Verpflichtung in der Zukunft sprachen. Hiervon kann zwar regelmäßig d.h. ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht allein aufgrund des Umstands ausgegangen werden, dass am Bilanzstichtag Steuern unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden sind. Für den Streitfall hat die Vorinstanz jedoch zu Recht darauf abgestellt, dass nach den Monatsberichten des BMF (Juni 2008, Juni 2009 sowie April 2010) bei Betrieben, die - wie die Klägerin - als Großbetriebe eingestuft waren und deshalb nach § 4 Abs. 2 BpO 2000 ohne zeitliche Zäsur geprüft werden sollten (sog. Anschlussbetriebsprüfung), die Wahrscheinlichkeit, dass der einzelne Veranlagungszeitraum geprüft wird, bei rund 80% lag. Demgemäß musste auch die Klägerin mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ihr gegenüber eine Betriebsprüfungsanordnung ergeht, die ohne zeitlichen Abstand an die vorangegangene Außenprüfung anschließt.
Hinweis: Der BFH weicht nach seinen eigenen Angaben mit der nun getroffenen Würdigung nicht von den Grundsätzen des in den Einkommensteuerhinweisen zitierten BFH-Urteils (Az. NWB RAAAA-90864) ab, nach dem die Möglichkeit, dass im Anschluss an eine Betriebsprüfung weitere Buchführungsaufwendungen anfallen können, mangels eines hinreichenden Vergangenheitsbezugs nicht die Bildung von Rückstellungen im Abschluss der geprüften Jahre rechtfertigt. Während dieser Aufwand im damaligen Urteilsfall erst durch die am Bilanzstichtag nicht vorhersehbaren Beanstandungen des Prüfers ausgelöst wurde, ging es im anhängigen Verfahren um die durch die Durchführung einer Betriebsprüfung veranlassten Aufwendungen. Diese finden aber ihren wirtschaftlich wesentlichen Bezugspunkt allein in den bis zum jeweiligen Bilanzstichtag verwirklichten Besteuerungsmerkmalen, so der BFH in der nun veröffentlichten Entscheidung.
Quelle: BFH online
Anmerkung: Die Bewertung der Rückstellung war im Urteilsfall nicht streitig. Der BFH bestätigt aber, dass die Sachleistungsverpflichtung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG mit den zu erwartenden Einzelkosten zuzüglich angemessener Teile der notwendigen Gemeinkosten anzusetzen und abzuzinsen ist. Die betroffenen Unternehmen sollten für die erforderliche Schätzung daher Erhebungen über die in der Vergangenheit entstandenen internen und externen Aufwendungen durchführen. Vermutlich wird sich die Finanzverwaltung unter Hinweis auf den subjektiven Fehlerbegriff (der indes auf dem höchstrichterlichen Prüfstand steht) gegen die erstmalige Bildung von Rückstellungen für die Vergangenheit wenden. Für alle noch nicht aufgestellten Jahresabschlüsse besteht jedenfalls eine Rückstellungspflicht.
 

 

Fundstelle(n):
NWB FAAAF-44566