Online-Nachricht - Donnerstag, 16.08.2012

Bilanzierung | Übertragung von Wirtschaftsgütern bei einer Einmann GmbH & Co. KG (FG)

Der Senat folgt nicht der in R 6.15 EStR niedergelegten Auffassung, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen trotz der Erstellung einer Ergänzungsbilanz ein (rückwirkender) Ansatz des Teilwerts vorzunehmen sei (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt, ist bei der Überführung der Buchwert anzusetzen, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 6 Abs. 5 S. 1 EStG). Wird das nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragene Wirtschaftsgut innerhalb einer Sperrfrist veräußert oder entnommen, ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, es sei denn, die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven sind durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz dem übertragenden Gesellschafter zugeordnet worden (§ 6 Abs. 5 S. 4 EStG). Trotz Erstellung einer Ergänzungsbilanz soll nach R 6.15 EStR 2008 ein sofortiger (rückwirkender) Ansatz des Teilwerts im Übertragungszeitpunkt vorzunehmen sein, wenn durch die Übertragung keine Änderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters an dem übertragenen Wirtschaftsgut eingetreten ist, aber das Wirtschaftsgut einem anderen Rechtsträger zuzuordnen ist. Dies sei z.B. der Fall, wenn ein Wirtschaftsgut aus einem Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird, an deren Vermögen der Übertragende zu 100% beteiligt ist (s. NWB SAAAD-88773, Tz. 26).
Sachverhalt: A war Kommanditist einer sog. Einmann GmbH & Co. KG. Er hielt 100% der Anteile an der KG und war zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Des Weiteren war er Eigentümer eines Betriebsgrundstücks (SonderBV I). Im Streitjahr brachte A das Grundstück in das Gesamthandsvermögen ein. Die Einbringung erfolgte ohne Gegenleistung. Im Rahmen des Jahresabschlusses wurde das Grundstück mit dem Buchwert aus dem SonderBV in das Gesamthandsvermögen übernommen. Innerhalb der dreijährigen Sperrfrist verkaufte die KG das Grundstück. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, für die Übertragung aus dem SonderBV in das Gesamthandsvermögen sei anstelle des Buchwerts der Teilwert anzusetzen. Es verwies insoweit auf R 6.15 EStR.
Hierzu führte das Gericht weiter aus: Infolge der Veräußerung ist hier rückwirkend ein Übertragungsgewinn entstanden (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG). Der Senat folgt nicht der Auffassung, wonach ein Sperrfristverstoß dann ausscheidet, wenn der einbringende Gesellschafter zu 100% am Gesamthandsvermögen der Gesellschaft beteiligt war (s. hierzu NWB FAAAE-12084; NWB Nachricht v. 9.7.2012). Der Senat sieht keine Möglichkeit, "im Wege der teleologischen Extension" über den Wortlaut der Vorschrift hinaus von der Annahme eines Sperrfristverstoßes und damit dem Ansatz des Teilwerts im Übertragungszeitpunkt abzusehen. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Die infolge der Entstehung eines Übertragungsgewinns aufgedeckten stillen Reserven konnten im Streitfall jedoch durch Aufstellung einer negativen Ergänzungsbilanz dem einbringenden Kläger (A) zugeordnet werden. Dem steht nicht entgegen, dass durch die Übertragung keine Änderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters an den übertragenen Wirtschaftsgütern eingetreten ist (entgegen R 6.15 EStR). Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift. Aber auch aus Sinn- und Zweck der Vorschrift lässt sich keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass § 6 Abs. 5 Satz 4 1. Halbsatz EStG bei einer Einmann-GmbH & Co. KG keine Anwendung finden soll.
Anmerkung: Soweit im Schrifttum die Möglichkeit der Bildung einer Ergänzungsbilanz bei einer Einmann GmbH & Co. KG mit der Begründung versagt wird, diese habe in diesem Fall nur die Funktion einer Steuerstundung (vgl. z.B. Gragert/Wißborn, NWB VAAAE-04440), folgte das Finanzgericht in der o.g. Entscheidung dem nicht. Diese Interessenlage – zeitliche Verschiebung der Aufdeckung der stillen Reserven auf den Zeitpunkt der Veräußerung – bestehe in gleicher Weise im Fall der Einmann-GmbH & Co. KG wie im Fall der mehrgliedrigen Gesellschaft. Auch im Fall einer aus mehreren vermögensmäßig beteiligten Gesellschaftern bestehenden GmbH & Co. KG erfolgt die Versteuerung erst im Zeitpunkt der Auflösung der (negativen) Ergänzungsbilanz. Im Fall der Einmann-GmbH & Co. KG gehe die Ergänzungsbilanz aufgrund der 100%igen Beteiligung des Einbringenden auch nicht ins Leere. Vielmehr ermögliche die Bildung einer Ergänzungsbilanz es, die Aufdeckung der stillen Reserven zeitlich vom Zeitpunkt der (unentgeltlichen) Einbringung auf den Zeitpunkt der (entgeltlichen) Veräußerung zu verschieben. Diese zeitliche Verschiebung habe zur Folge, dass im Zeitpunkt der Veräußerung ggf. von der Möglichkeit des § 6b EStG Gebrauch gemacht werden kann. Dies gelte sowohl für den Fall der mehrgliedrigen GmbH & Co. KG als auch im Fall der Einmann-GmbH & Co. KG.
Quelle: FG Düsseldorf online
Hinweis: Das Gericht hat die Revision u.a. im Hinblick auf die abweichende Verwaltungsauffassung in R 6.15 EStR zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH ist noch nicht veröffentlicht worden. Hinsichtlich der o.g. Entscheidung des FG des Saarlandes zur selben Rechtsfrage ist jedoch bereits ein Revisionsverfahren anhängig (BFH-Az. NWB WAAAE-13743). In geeigneten Fällen können Sie sich daher auf dieses Aktenzeichen berufen. Entsprechende Einspruchsverfahren ruhen dann gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
 

 

Fundstelle(n):
NWB IAAAF-44471